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Ungedeckte Optionen
Ungedeckte oder „nackte“ Optionen (engl. Naked Options) sind Optionen, die leerverkauft werden, ohne dass sie durch einen Aktienbestand oder eine gekaufte Option abgesichert sind. Ungedeckte Optionen wie der einfache Leerverkauf eines Calls und ungedeckte Optionen-Kombinationen wie zum Beispiel der Leerverkauf eines Straddles (Short Straddle) haben eins gemeinsam: Das maximale Verlust-Risiko ist theoretisch unbegrenzt. Sie können damit viel mehr verlieren als den ursprünglichen Einsatz. Und mit „viel mehr“ kann das 10-fache, das 20-fache, das 100-fache usw. gemeint sein.
Sie haben bestimmt bereits von Hedgefonds oder Tradern gehört, die Pleite gegangen sind, weil sie sich mit ungedeckten Optionen verspekuliert haben. Der falsche Rückschluss aus solchen Geschichten wäre: „Ich handle keine Optionen, weil sie zu riskant sind.“
Die richtige Reaktion hingegen wäre, daraus Lehren zu ziehen, um zu vermeiden, dass dieselben Fehler begangen werden.
Die beste Herangehensweise, unabhängig davon, ob Sie Aktien, Fonds, Derivate oder Optionen handeln, liegt in der sorgfältigen Analyse der möglichen Risiken der Anlage und in der Einleitung von Massnahmen, um diese Risiken unter Kontrolle zu halten. Durch die Transparenz ihrer Preisbildung gehören Optionen zu den Anlagen, bei denen sich die Risiken sehr gut erkennen und bewältigen lassen.
Die Risiken von ungedeckten Puts
Wenn Sie eine einfache Put Option leerverkaufen, wird der maximale Verlust, obwohl dieser auch verheerend sein kann, immer eine Grenze haben. Bei einem Short Put entsteht der maximale Verlust, wenn der zugrundeliegende Basiswert (zum Beispiel eine Aktie) auf 0 fällt. Tiefer als 0 kann eine Aktie oder ein ETF nicht fallen.
Wenn Sie zum Beispiel einen Put auf eine Aktie mit Basispreis 50$ leerverkaufen und die Aktie fällt zum Verfallsdatum unter die Marke von 50$, werden Ihnen 100 Aktien zu einem Kurs von 50$ ins Depot eingebucht. Diese Ausübung können Sie zwar durch eine vorzeitige Schliessung der Position vermeiden, gehen wir jedoch einfach davon aus, dass diese erfolgt ist. Das schlimmste Szenario würde eintreten, wenn die Aktie auf 0$ fallen würde. In dem Fall hätten Sie 5.000$ verloren, abzüglich der Prämie, die Sie durch den Leerverkauf vereinnahmt haben.
Zwar ist ein Szenario, dass eine Aktie auf 0 fällt, extrem unwahrscheinlich, aber ein Rückgang von 20% oder 30% wäre möglich und ebenfalls sehr schmerzhaft. Handeln Sie Puts auf riskantere Aktien, sollte auf jeden Fall das schlimmste Szenario immer einkalkuliert werden, nämlich dass das zugrundeliegende Unternehmen pleitegehen könnte.
Die Risiken von ungedeckten Calls
Bei ungedeckten Calls sind die Verlust-Risiken eine ganz andere „Hausnummer“. Der maximale Verlust bei ungedeckten Calls ist unbegrenzt. Während eine Aktie nicht tiefer als 0 fallen kann, gibt es keine Grenze dafür, wie hoch sie steigen könnte. Und dies macht ungedeckte Calls sehr gefährlich.
Mit einem ungedeckten Call (Short Call) setzen Sie einfach darauf, dass die gehandelte Aktie nicht bis zum Basispreis des Calls steigen wird. Geht der Plan auf, verfällt der Call wertlos und Sie kassieren die vereinnahmte Prämie als Gewinn ab. Wenn jedoch die Aktie den Basispreis des Calls zum Verfallsdatum überschreitet, dann wird Ihnen ein Negativ-Bestand von 100 Aktien je Kontrakt eingebucht. Sie sind dann 100 Aktien „short“. Steigt die Aktie weiter, erhöhen sich die Verluste. Je 1$ Kursanstieg bei der Aktie erhöht sich der Verlust in Ihrem Depot um 100$.
Ein konkretes Beispiel aus dem Jahr 2018
Ein Beispiel aus der Vergangenheit zeigt, was konkret passieren kann, wenn ungedeckte Calls auf einen Basiswert gehandelt werden, dessen Kurs durch die Decke geht.
Ein Hedgefonds (Optionsellers), dessen 20-jähriges und bisher erfolgreiches Geschäftsmodell darauf beruhte, Puts und Calls auf Rohstoffe leerzuverkaufen, entschied sich im Jahr 2018, ungedeckte Calls auf Erdgas zu verkaufen. Dabei hatten sich die Trader ein gutes Sicherheitspolster von ca. 50% zwischen dem Kurs der Erdgas-Futures und dem Basispreis des Calls aufgebaut.
Dies half Ihnen dennoch nicht, als die Erdgas-Kurse um rund 75% innerhalb von wenigen Wochen stiegen. Der grösste Fehler, der beim Trade begangen wurde, lag in der Positionsgrösse. Die verkauften Calls verteuerten sich einerseits durch den rasanten Anstieg der Erdgaskurse und andererseits durch den Anstieg der impliziten Volatilität. Die notwendige Margin, um den Trade überhaupt noch halten zu dürfen, überschritt das, was der Hedgefonds leisten konnte. Die Position musste schliesslich zwangsliquidiert werden.
Dieser eine Fehltrade reichte aus, um ein 20-Jahre altes Unternehmen in die Knie zu zwingen. Die Kunden verloren Ihr Geld und der Hedgefonds ging pleite.
Ein Beispiel im Volatilitäts-Handel
Im Optionshandel wird gerne auf eine fallende Volatilität gesetzt. Dabei handeln Trader nackte Calls auf Volatilitäts-Instrumente wie zum Beispiel den UVXY. Der UVXY ist ein ETF (Exchange Traded Funds), der die kurzfristige Entwicklung des Volatilitäts-Index VIX nachbildet. Durch seine besondere mathematische Konstruktion bewegt sich der UVXY überwiegend in einem Abwärtstrend. Aus diesem Grund sind ungedeckte Calls verlockend, um von diesem Abwärtstrend zu profitieren.
Angenommen, der UVXY notiert bei ungefähr 16$. Ein Anleger könnte in diesem Fall annehmen, dass der UVXY in den kommenden 60 Tagen nicht höher als 30$ notieren wird und verkauft einen Call mit Basispreis 30$ und 60 Tagen Laufzeit. Dafür bekommt er eine Prämie von etwa 160$. Das Sicherheitspolster zwischen dem Kurs von 16$ und dem Basispreis von 30$ ist ordentlich und beträgt 87,50%.
Nun kommt es allerdings zu einer marktbewegenden Katastrophe und der UVXY steigt über Nacht auf 60$: Ein Anstieg von 275%. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies passiert, ist zwar gering, aber nicht ausgeschlossen. Und es ist gar nicht so lange her (Anfang 2020), dass grosse Volatilitäts-Sprünge die Märkte erschütterten. Und eines ist sicher, es wird irgendwann wieder vorkommen.
Der UVXY kann explosionsartige Kurssprünge verzeichnen, auch von rund 1.000%, wie Anfang 2020
Wie würde es in einem solchen Fall um die Position des Call-Verkäufers aus unserem Beispiel stehen? Möglicherweise wird der Anstieg der Margin-Anforderung die Position vorzeitig in eine grosse Schieflage bringen. Das könnte zur Nachschusspflicht und zur Zwangsliquidierung der Position führen. Hält das Depot den Anstieg der Margin aus, würde der Call am Ende seiner Laufzeit zu 30$ ausgeübt werden und –100 UVXY ETF-Anteile (ein Negativ-Bestand) je Kontrakt würden ins Depot „eingebucht“ werden. Bei einem Kurs von 60$ würde sich der Verlust auf (60$ – 30$) x 100 – 160$ = 2.840$ belaufen. Dem maximalen Gewinn von 160$ (die vereinnahmte Prämie) steht dann ein Verlust von 2.840$ gegenüber. Das ist der Verlust für 1 Kontrakt. Hätte der Trader 10 Kontrakte gehandelt, würde sich der Verlust auf 28.400$ belaufen. Dieser Betrag könnte ein Konto schnell ruinieren.
So minimieren und vermeiden Sie die Risiken
Leerverkaufte Puts könnten als „Cash secured“ gehandelt werden, das heisst, dass der notwendige Bar-Bestand im Depot gehalten wird, um die Kosten für die 100 Aktien je Kontrakt abzudecken, falls eine Ausübung erfolgt. Mehr zur Strategie der Cash secured Puts erfahren Sie in unserem Artikel Optionsstrategie Cash Secured Put: Kaufen Sie Ihre Aktien mit Rabatt. Der Handel auf Margin sollte im Übrigen nur für erfahrene Optionshändler in Frage kommen.
Alternativ können Sie einen Spread handeln. Bull Put Spreads sind zum Beispiel eine Optionen-Kombination, in der ein zusätzlicher Put gekauft wird, um die möglichen Verluste des leerverkauften Puts zu begrenzen. Dabei ist das maximale Verlust-Risiko im Vorfeld bekannt und klar begrenzt.
Bei ungedeckten Calls gibt es kein schlimmstes Szenario. Jedes schlimme Szenario, das Sie sich vorstellen können, kann durch ein noch schlimmeres in den Schatten gestellt werden. Das Risiko für Ihre Trade-Idee kann aber minimiert werden, wenn Sie zum Beispiel, wie beim Bull Put Spread, einen zusätzlichen Call kaufen, dessen Basispreis über dem Basispreis des verkauften Calls liegt. Dadurch bauen Sie einen sogenannten Bear Call Spread auf. Das maximale Verlust-Risiko ist dadurch bekannt und begrenzt.
Wenn Sie in Ihrem Depot Aktien halten, können Sie auf je 100 Aktien 1 Call leerverkaufen. Auch in diesem Szenario ist das Risiko begrenzt, da der leerverkaufte Call durch Ihre Aktien „gedeckt“ ist. Diese Strategie wird Covered Call Strategie genannt und birgt kein Aufwärtsrisiko.
5 wichtige Punkte, die Sie beachten müssen, wenn Sie Optionen leerverkaufen
Wenn Sie sich für den Leerverkauf von Optionen entscheiden, folgen Sie einer validen und vielversprechenden Strategie. Aber Sie müssen immer die folgenden 5 wichtigen Punkte beachten:
- Der Handel von Spreads (Bull Put Spreads und Bear Call Spreads) eliminiert das unendliche Verlust-Risiko. Das Risiko wird mit einem Spread klar begrenzt.
- Seien Sie sich bewusst, dass Ihr maximales Verlust-Risiko in der Regel das maximale Gewinnpotenzial und die ursprünglich geforderte Margin für den Trade übersteigt.
- Die Tatsache, dass Sie durch den Leerverkauf von Optionen in der Regel über eine höhere Gewinnwahrscheinlichkeit verfügen, ändert nichts daran, dass ein eintretender Verlust die bisher erzielten Gewinne zunichtemachen kann.
- Legen Sie sich einen Notfallplan zurecht, wenn das schlimmste Szenario eintritt. Ideen dazu finden Sie in unserem Artikel Das Rollen von Optionen – Optionen-Trades wie ein Profi verteidigen.
- Wenn Sie ungedeckte Optionen handeln wollen, achten Sie auf Ihre Investitionsgrössen. Handeln Sie eine Anzahl an Kontrakten, die Ihrer jeweiligen Kontogrösse angemessen ist.
Fazit: Halten Sie sich gedeckt
Wenn Sie nicht in den Schlagzeilen als Spekulant erscheinen wollen, der sein ganzes Vermögen durch leerverkaufte Optionen verloren hat, müssen Sie sich der Risiken solcher Geschäfte bewusst sein und sie in Schach halten.
Wenn Sie diese Risiken verstehen und geeignete Massnahmen ergreifen, um sie zu begrenzen, steht dem Leerverkauf von Optionen nichts im Wege. Es wäre schade, aus Angst vor Verlusten Strategien zu meiden, mit denen man regelmässige Erträge erzielen kann. Stattdessen sollte sich der Anleger die Mühe machen, die verschiedenen Szenarien sorgfältig zu analysieren. Aus dieser Analyse kann er ableiten, welche Optionskombination und welche Anlagegrösse für ihn am besten geeignet sind.
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