Im Vorfeld der US-Notenbankentscheidung kam es zwei Tage lang zu Aufholjagden grösserer Verluste. Gestern versuchte man zudem, den Dow Jones im Vorfeld der Entscheidung so ins Plus zu ziehen, dass ein Befreiungsschlag in Reichweite wäre. Doch der blieb aus.
Was hatten diejenigen, die hofften, am Mittwochabend das Ruder herumreissen zu können, eigentlich von der US-Notenbank („Fed“) erwartet? Unerwartete Horror-Szenarien hatte die „Fed“ weder im um 20 Uhr unserer Zeit veröffentlichten Statement noch im Zuge der Pressekonferenz mit „Fed“-Chef Jerome Powell abgeliefert. Weder wurden die Stützungskäufe am US-Anleihemarkt sofort beendet, noch hob man den Leitzins sofort an. Und es gab auch keine Aussage dahingehend, dass die Notenbank die Zinsen womöglich in grösseren, 0,5 Prozent umfassenden Schritten anheben wolle oder, was auch befürchtet wurde, ihre gigantischen, durch die Aufkäufe aufgehäuften Anleihebestände im Eiltempo in den Markt geben könnte. Warum also wurde aus dem satten Plus im Vorfeld der Sitzung ein Minus?
Man könnte bemängeln, dass die „Fed“ absolut vage blieb, was vorgenannte Aspekte angeht. Man legte sich weder in Sachen Abbau der Anleihebestände noch hinsichtlich Tempo, Umfang und Dauer der Zinserhöhungen fest. Was indes eigentlich niemand hätte erwarten dürfen, denn wie „Fed“-Chef Powell richtig betonte: Man muss sich letztlich an der Lageentwicklung orientieren, von Mal zu Mal die Lage neu bewerten und dann entscheiden. Einen Fahrplan vom Reissbrett kann es nicht geben und den, und das muss auch den Tradern klar sein, hat es noch nie gegeben. Warum also der Abverkauf der Kursgewinne, warum diese erneut grosse Handelsspanne von fast 1.000 Punkten, warum das Handelsende im Minus?
Expertenmeinung: Das erklärt sich aus der Ausgangsbasis, mit der man in diesen Tag ging. Der Dow Jones kam unter Druck, weil immer mehr Akteuren klar wird, dass der entschlossene Kurs der „Fed“ aufgrund der besonderen, angebotsinduzierten Art der Inflation dazu führen könnte, dass eine fatale Stagflation entsteht, bei der zwar das Wachstum durch höhere Zinsen abgewürgt wird, die Inflation aber bleibt. Vor allem mit Blick auf die ungewöhnlich stark gestiegenen Löhne. Diese Sorge konnte „Fed“-Chef Powell nicht ausräumen – wie auch. Ein von ihm angeführter starker Arbeitsmarkt als Argument, dass das Wachstum steigende Leitzinsen verkraften kann, würde sogar eher für Lohninflation sprechen.
Diejenigen, die am Montag und Dienstag in die herben Verluste hinein gekauft und den Dow Jones im Vorfeld der „Fed“-Entscheidung höher gezogen hatten, sind nicht der Ansicht, dass die Notenbank das richtige tut, die Inflation dadurch verschwinden und das Wachstum stark bleiben wird. Sie hatten gekauft, um noch Schlimmeres zu verhindern. Es ging darum, diese im Chart auf Tagesbasis dick grün markierte Unterstützungszone zu halten, weil man fürchten muss, dass deren Bruch alle Dämme brechen lässt. Damit waren sie – obwohl sie als Käufer antraten – letztlich in der defensiven Position, in der der Hoffenden.
Diejenigen, die entschlossen waren, in Gegenbewegungen nach oben weiter zu verkaufen und/oder Short zu gehen, blieben nach der „Fed“-Entscheidung in der besseren Position, denn es kam nicht zu einer grossen, positiven Überraschung durch die Notenbank. Ihre Gründe, um zu verkaufen, bleiben somit erhalten. Was fehlte, war ein Zeichen der Schwäche, das Ausbleiben erneuter, massiver Käufe, um sie wieder ins Spiel zu bringen. Dazu der Blick auf den Kursverlauf des Dow Jones auf 5-Minuten-Basis seit Wochenbeginn:

Sie sehen hier, dass der Index unmittelbar nach dem „Fed“-Statement um 20 Uhr unserer Zeit an das unmittelbar nach Handelsbeginn erreichte Tages-Verlaufshoch knapp über 34.800 Punkten heranlief, dort aber abgewiesen wurde. Das löste erste Abgaben aus … und die Sache begann, sich zu verselbständigen. Erst fiel die am Montag/Dienstag etablierte Aufwärtstrendlinie, dann rutschte der Dow aus der bisherigen Handelsspanne des Tages nach unten heraus … und die Bullen zogen blitzschnell zurück. Dass der Index seine Verluste in den letzten 40 Handelsminuten etwas eingrenzte, ist dabei eher auf Eindeckungen kurzfristiger Short-Positionen als auf die Rückkehr derer zurückzuführen, die den Dow Jones in den Tagen zuvor aus dem Gröbsten herausgepaukt hatten. Und jetzt?
Jetzt, nachdem dieser wichtige Termin über die Bühne ist, entscheiden wieder vor allem Emotionen und Charttechnik. Wobei das bullische Lager momentan einen schweren Stand hat. Denn dass es ihnen nicht gelungen ist, mit einer Rallye nach der US-Notenbankentscheidung die im Chart auf Tagesbasis schwarz markierte 200-Tage-Linie bei 34.970 Punkten zurück zu erobern, die schon so nahe war, ist natürlich kein „Mutmacher“ für die kommenden Tage. Aber wer am Ende die Nase vorn haben wir, muss man nicht in der Glaskugel suchen, denn die Ankerpunkte im Chart sind klar definiert:

Damit die Bullen wieder Land sehen, müsste der Dow Jones nicht nur über die 200-Tage-Linie, sondern auch über die im Chart hellblau gefärbte 100-Tage-Linie bei derzeit 35.350 Punkten hinaus. Ideal wäre, wenn sogar die rote 50-Tage-Linie überwunden würde, die momentan bei 35.600 Punkten zu finden ist. Sollten die Käufer jetzt aber nach dieser gestrigen Ernüchterung ausbleiben oder aber der Index an diesen gleitenden Durchschnitten nach unten abgewiesen werden, kann es sein, dass wir schon sehr bald diese so wichtige Supportzone 33.270/33.475 erneut testen, die am Montag so entschlossen verteidigt wurde. Sollte sie im zweiten Anlauf fallen, wäre man gut beraten, erst einmal nicht in das fallende Messer zu greifen.
Nutzen Sie für Ihre Börsengeschäfte ein Depot über den Online-Broker LYNX. Alles aus einer Hand: Aktien kaufen, Optionen handeln, Futures traden oder in ETFs investieren.
Informieren Sie sich hier über den Online-Broker LYNX.
--- ---
--- (---%)Displaying the --- chart
Heutigen Chart anzeigen