Dieser Tage beginnt die Phase der Halbjahresbilanzen. Aber es ist auch der Moment, in dem Donald Trumps zweite Amtszeit ihr erstes Halbjahr absolviert hat. Dabei erscheint das Verhalten der Aktienmärkte in Relation zu Trumps Politik seltsam optimistisch – was im Rahmen der schleichenden, täglichen Veränderungen weniger auffällt, in einem Vorher-Nachher-Vergleich aber schon. Es ist aber durchaus erklärbar, wenn man weniger darauf schaut, was er tut, sondern wie er es tut.
Im Wahlkampf ebenso wie in den Wochen zwischen der Wahl im November 2024 und seinem Amtsantritt am 20. Januar 2025 verkündete Donald Trump, dass er so viel in allerkürzester Zeit erreichen werde wie noch kein Präsident vor ihm, nicht einmal wie er selbst in seiner ersten Amtszeit. Er wollte den Ukraine-Krieg beenden, den Nahost-Konflikt befrieden, das Handelsbilanzdefizit beseitigen, mehr Arbeit und mehr Einkommen für alle schaffen, die Steuern senken, die Zinsen gleich mit, die Migrationsproblematik lösen und damit in kürzester Zeit ein Amerika schaffen, das seinen Vorstellungen von erstrebenswert entspricht. Wir wissen: Jetzt, nach einem halben Jahr, ist davon fast nichts erreicht worden.
Das können auch die Bullen am US-Aktienmarkt nicht übersehen … zugleich sieht man ein ums andere Mal, wie der US-Präsident sein Amt zur eigenen Bereicherung ausnutzt und fast komplett ohne den US-Kongress regiert, als sei er ein absolutistischer Herrscher. Trotzdem wirkt es, als würde man seitens der Anleger gerade ein für eine Hausse perfektes Szenario handeln. Eines, das bislang nicht existiert und, nüchtern betrachtet, wohl kaum erreicht wird. Wieso ist man am Aktienmarkt an der Börse aktuell derart guter Dinge?
Die Performance der US-Indizes: Gefühlt: grandios. Real: geht so.
Das ist man eigentlich gar nicht, es fühlt sich nur so an. Vor allem, weil der bislang einzige, drastische Kurseinbruch als Folge von Mr. Trumps Vorstellung von Handelspolitik so rasant aufgeholt wurde und sich die Indizes dadurch wieder im Rekord-Terrain bewegen. Denn misst man die Performance ab Amtsantritt am 20. Januar 2025, kommt man für den Dow Jones auf etwa drei, für den S&P 500 auf fünf und für den Nasdaq 100 auf acht Prozent Kursanstieg. Das ist für ein halbes Jahr in Relation zum langjährigen Mittel sogar unterdurchschnittlich. Und nimmt man die Entwicklung ab dem Wahltag, dem 5. November 2024, so kommen da fünf, neun und vierzehn Prozent Plus zusammen. Auch nicht unbedingt grandios … aber es fühlt sich eben ziemlich bullisch an. Die Frage ist:

Wieso sind die Kurse überhaupt nahe am oder auf Rekordniveau, wenn doch Trumps Versprechen, alles ruckzuck zum Besten zu wenden, nicht eingelöst wurden? Sehen wir uns in den folgenden Charts einmal an, wo es überall nicht so läuft, wie es für seine stabile Aktien-Hausse laufen müsste:
Bislang kaum echte Effekte der „Zoll-Strategie“
Eines von Donald Trumps Lieblingsprojekten sind die Zölle. Damit will er erreichen, dass die US-Bürger mehr in den USA hergestellte Waren kaufen, die ausländischen Anbieter vom Markt zurückdrängen und den heimischen Unternehmen Vorteile bieten. Problem dabei: Erstens sind viele US-Hersteller auf Zulieferteile aus dem Ausland angewiesen und/oder haben ihre Produktion seit Jahren im Ausland. Zweitens wirken die Zölle ja letztlich wie eine Steuer, die entweder die US-Importeure oder die US-Verbraucher zahlen. Natürlich weniger, wenn die Exporteure ihre Preise senken würden, um Umsatzeinbussen zu minimieren. Aber das ist – in den Dimensionen, um die es bei diesen Einfuhrzöllen geht – kaum möglich.
Zugleich soll das massive US-Handelsbilanzdefizit verringert, im Idealfall sogar in einen Überschuss verwandelt werden, d. h., dass die USA dann mehr exportieren, statt importieren. Und Trump will mit den Zolleinnahmen den Staatshaushalt entscheidend mitfinanzieren. Bislang zeigen sich da aber keine wirklich vertrauenerweckenden Effekte.

Zwar klingt es wie ein gewaltiger Erfolg, wenn die US-Zolleinnahmen im ersten Halbjahr mit 87,2 Milliarden US-Dollar meilenweit über denen des Vorjahres liegen. Alleine im zweiten Quartal nahmen die US-Zollbehörden 50 Milliarden US-Dollar mehr ein als im Vorjahreszeitraum. Aber 87,2 Milliarden in sechs Monaten stehen, nur als Beispiel-Zahl, einem Schuldenstand des Staates von, Stand Juni, 36,2 Billionen US-Dollar gegenüber. Um das nennenswert zu reduzieren, bräuchte es sehr viele Jahre mit sehr viel höheren Zolleinnahmen. Und auch den Anlegern sollte eigentlich klar sein, dass diese Milliarden aus den Taschen der US-Verbraucher kommen und in das Staatssäckel fliessen, nicht aus den Kassen der Hersteller. Und was die Regierung dann mit den Zolleinnahmen tut, muss keineswegs allen US-Bürgern zugutekommen.

Zudem fällt auf, dass Donald Trump zwar tönte, er habe mit dieser cleveren Strategie das Handelsbilanzdefizit halbiert. Aber die beiden vorstehenden Grafiken machen klar, dass der vorherige Rekord ja letztlich auf seinem Mist gewachsen war, denn da hatten die internationalen Unternehmen bzw. die US-Importeure wegen der absehbaren Zölle so viel wie möglich in die USA geschafft, bevor es massiv teurer würde. Diese Welle an Vorab-Importen zu halbieren heisst dann eben nur, dass jetzt wieder ein Niveau beim Handelsbilanz-Defizit erreicht wurde, was in den Jahren der Biden-Administration normal war. In Trumps erster Amtszeit war dieses Defizit, die obere Grafik zeigt das, übrigens deutlich geringer.
Die US-Verbraucher bleiben vorsichtig, die Trader sind es nicht
Hinzu kommt, dass dieses Zoll-Theater ja noch nicht vorbei ist. Und wann da der Vorhang des letzten Akts fällt, weiss niemand. Aktuell steuern wir auf das Ende der Frist nach der Frist zu. Aber wie sich das alles nach dem 1. August darstellt, weiss man nicht. Dementsprechend gedrückt ist die Stimmung unter den US-Konsumenten, da bewegen wir uns, auch, wenn sich die Gemütslage offenbar vom Tief des Aprils gelöst hat, auf einem Level, das wir zuletzt auf dem Höhepunkt der Corona-Krise und der Phase der damaligen Lockdowns gesehen haben.

Und der Konsum als Rückgrat des Wachstums? Zumindest die Umsätze im Einzelhandel kommen nicht so daher, als hätten die US-Bürger jetzt Vertrauen in bald anbrechende, goldene Zeiten gefasst. Zwar war der US-Einzelhandelsumsatz im Juni stärker angestiegen als seitens der Volkswirte erwartet. Aber eine Jahresrate von +3,9 Prozent ist nur Durchschnitt … zumal diese Umsätze nicht inflationsbereinigt sind. Zieht man die Teuerungsrate von offiziell zuletzt 2,7 Prozent ab, bleibt da nichts, das man als nennenswertes Wachstum ansehen könnte.

Warum Donald Trump so dringend massive Zinssenkungen bräuchte
Das weiss auch der US-Präsident. Und er weiss auch, wie er das ausbleibende Wachstum auf Touren bringen könnte: mit billigem Geld. Würden die US-Bürger wieder spottbillige Kredite aufnehmen können, würde das viel ändern. Mittelfristig zwar keineswegs zum Guten, immerhin sind steigende Schulden ein permanentes Risiko in Schwächephasen der Wirtschaft und treiben die Inflation hoch. Zumal die US-Bürger insgesamt sowieso schon überschuldet sind. Aber um zeigen zu können, dass seine Politik Wachstum erzeugt, braucht er einen Run in Kredite. Und da steht ihm die US-Notenbank derzeit im Weg.

Aber sollte es ihm gelingen, die Kontrolle über die Geldpolitik zu erlangen, hätte er gleich ein ganz anders, noch grösseres Problem: Die internationalen Investoren, aber zweifellos auch sehr viele US-Investoren würden zusehen, dass sie ihr Investitionskapital aus dem Land schaffen. Denn in diesen Kreisen weiss man, dass es mit Donald Trumps Sachverstand in Sachen Volkswirtschaft, Fiskal- und Geldpolitik nicht weit her ist, er zugleich aber von Fachleuten keinerlei Rat annimmt.

Das alles ist also eigentlich kein Umfeld, in dem die US-Aktienmärkte auf Rekordniveau notieren müssten. Das braucht Wachstum bei den Unternehmensgewinnen, um solide zu sein. Und die Unternehmensgewinne wachsen normalerweise nur – und mittelfristig immer nur – wenn die Verbraucher optimistisch sind und deswegen mehr ausgeben. Das sehen wir auch an dem normalerweise engen Gleichlauf von Verbraucherstimmung und Aktienmarkt. Doch seit Ende 2022 laufen diese beiden Indikationen auseinander … und seit Anfang 2025 besonders stark.
Wie kann das angehen? Wie gelingt es Donald Trump, den Aktienmarkt oben zu halten … was er muss, weil starke Verluste dort und damit Einbussen beim Ersparten vieler US-Bürger den Konsum und mit ihm das Wachstum erst recht drücken würden?
Die bewährten Tricks der ersten Amtszeit funktionieren erneut
Indem er eine Vorgehensweise kultiviert, die er bereits bei seiner ersten Amtszeit eingesetzt hatte, z.B. in Bezug auf den Handelskrieg mit China damals oder den Bau der Mauer an der mexikanischen Grenze:
Er stellt erst einmal eine extreme Drohung in den Raum. Dabei kalkuliert er durchaus eine schockierte Reaktion ein, aber: Dann relativiert er dieses Extrem. Dadurch bekommen die Anleger das Gefühl, es sei etwas ganz Hervorragendes passiert, obwohl er nichts anderes getan hat, als etwas völlig Negatives auf etwas ein bisschen weniger Negatives herunterzufahren. Und er lässt offen, wie es weitergeht, tut so, als gäbe es Deadlines und löst die dann immer wieder auf.
Genau das hat er in Bezug auf die Zölle getan und gibt den Anlegern dadurch das Gefühl, das werde alles in Kürze ganz toll laufen. Zumal er, so wie damals 2017 und fortfolgend mit China, die Trader immer wieder „animiert“, indem er regelmässig erklärt, herausragende, grandiose „Deals“ würden in allernächster Zeit verkündet. Dass da weit weniger kommt als man hoffen mochte und das, was kommt, oft eher eine Mogelpackung ist: Wen kümmert’s, solange der Trend noch nach oben weist!?

Aber es gibt ein gewaltiges Damoklesschwert bei dieser Trump’schen Strategie: Irgendwann muss er eben wirklich etwas vorzeigen können, das taugt, das rational gesehen eine Verbesserung ist und Wachstum schafft statt Inflation und Sorgen.
Und das kann er nur, wenn genug Handelspartner auf seine Forderungen eingehen, sprich auf die Knie fallen. Wenn genug ausländische und heimische Unternehmen wirklich ihre Produktion in die USA verlegen. Und wenn das Geld billiger wird, sprich er die Leit- und Kreditzinsen nach unten bekommt. Und wer sich von dieser durchaus cleveren Strategie des „vor und zurück“ und des „bald, bald“ zu lösen vermag, dürfte schnell erkennen: So wirklich wahrscheinlich ist es nicht, dass all das so hinhaut. Wir dürfen gespannt sein, was das zweite Halbjahr seines ersten Jahres im „second term“ im Oval Office bringen wird!
Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!
Ihr
Ronald Gehrt
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