Börse aktuell

Hier erfahren Sie, was an der Börse aktuell geschieht. Unser Börsenexperte Ronald Gehrt beobachtet täglich das aktuelle Börsengeschehen und fasst die neuesten Börsendaten und Börsenberichte wöchentlich für Sie zusammen. Mit Börse aktuell bringen wir die wichtigsten Börsennachrichten auf den Punkt und kommentieren, was momentan an der Börse los ist.

Börse: Aktuelle Nachrichten der Woche

Neues von der Börse: Unsere aktuellen Börsennachrichten informieren Sie jede Woche über die derzeitige Börsenentwicklung. Was beschäftigt die Börse? Was steht diese Woche an? Diktieren Bullen oder Bären die Märkte? Sollten Sie Ihre Investitionen erhöhen oder lieber Gewinne mitnehmen? Wir geben Ihnen die Antworten auf diese Fragen, wagen einen Ausblick auf die kommende Börsenwoche und bewerten anstehende Ereignisse, die Auswirkungen auf den Börsenverlauf haben könnten.


Börse aktuell vom 21.-27.07.2025

Sechs Monate Donald Trump: Warum ist man am Aktienmarkt so bullisch?

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Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Dieser Tage beginnt die Phase der Halbjahresbilanzen. Aber es ist auch der Moment, in dem Donald Trumps zweite Amtszeit ihr erstes Halbjahr absolviert hat. Dabei erscheint das Verhalten der Aktienmärkte in Relation zu Trumps Politik seltsam optimistisch was im Rahmen der schleichenden, täglichen Veränderungen weniger auffällt, in einem Vorher-Nachher-Vergleich aber schon. Es ist aber durchaus erklärbar, wenn man weniger darauf schaut, was er tut, sondern wie er es tut.

Im Wahlkampf ebenso wie in den Wochen zwischen der Wahl im November 2024 und seinem Amtsantritt am 20. Januar 2025 verkündete Donald Trump, dass er so viel in allerkürzester Zeit erreichen werde wie noch kein Präsident vor ihm, nicht einmal wie er selbst in seiner ersten Amtszeit. Er wollte den Ukraine-Krieg beenden, den Nahost-Konflikt befrieden, das Handelsbilanzdefizit beseitigen, mehr Arbeit und mehr Einkommen für alle schaffen, die Steuern senken, die Zinsen gleich mit, die Migrationsproblematik lösen und damit in kürzester Zeit ein Amerika schaffen, das seinen Vorstellungen von erstrebenswert entspricht. Wir wissen: Jetzt, nach einem halben Jahr, ist davon fast nichts erreicht worden.

Das können auch die Bullen am US-Aktienmarkt nicht übersehen … zugleich sieht man ein ums andere Mal, wie der US-Präsident sein Amt zur eigenen Bereicherung ausnutzt und fast komplett ohne den US-Kongress regiert, als sei er ein absolutistischer Herrscher. Trotzdem wirkt es, als würde man seitens der Anleger gerade ein für eine Hausse perfektes Szenario handeln. Eines, das bislang nicht existiert und, nüchtern betrachtet, wohl kaum erreicht wird. Wieso ist man am Aktienmarkt an der Börse aktuell derart guter Dinge?

Die Performance der US-Indizes: Gefühlt: grandios. Real: geht so.

Das ist man eigentlich gar nicht, es fühlt sich nur so an. Vor allem, weil der bislang einzige, drastische Kurseinbruch als Folge von Mr. Trumps Vorstellung von Handelspolitik so rasant aufgeholt wurde und sich die Indizes dadurch wieder im Rekord-Terrain bewegen. Denn misst man die Performance ab Amtsantritt am 20. Januar 2025, kommt man für den Dow Jones auf etwa drei, für den S&P 500 auf fünf und für den Nasdaq 100 auf acht Prozent Kursanstieg. Das ist für ein halbes Jahr in Relation zum langjährigen Mittel sogar unterdurchschnittlich. Und nimmt man die Entwicklung ab dem Wahltag, dem 5. November 2024, so kommen da fünf, neun und vierzehn Prozent Plus zusammen. Auch nicht unbedingt grandios … aber es fühlt sich eben ziemlich bullisch an. Die Frage ist:

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Dow Jones während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4

Wieso sind die Kurse überhaupt nahe am oder auf Rekordniveau, wenn doch Trumps Versprechen, alles ruckzuck zum Besten zu wenden, nicht eingelöst wurden? Sehen wir uns in den folgenden Charts einmal an, wo es überall nicht so läuft, wie es für seine stabile Aktien-Hausse laufen müsste:

Bislang kaum echte Effekte der „Zoll-Strategie“

Eines von Donald Trumps Lieblingsprojekten sind die Zölle. Damit will er erreichen, dass die US-Bürger mehr in den USA hergestellte Waren kaufen, die ausländischen Anbieter vom Markt zurückdrängen und den heimischen Unternehmen Vorteile bieten. Problem dabei: Erstens sind viele US-Hersteller auf Zulieferteile aus dem Ausland angewiesen und/oder haben ihre Produktion seit Jahren im Ausland. Zweitens wirken die Zölle ja letztlich wie eine Steuer, die entweder die US-Importeure oder die US-Verbraucher zahlen. Natürlich weniger, wenn die Exporteure ihre Preise senken würden, um Umsatzeinbussen zu minimieren. Aber das ist – in den Dimensionen, um die es bei diesen Einfuhrzöllen geht – kaum möglich.

Zugleich soll das massive US-Handelsbilanzdefizit verringert, im Idealfall sogar in einen Überschuss verwandelt werden, d. h., dass die USA dann mehr exportieren, statt importieren. Und Trump will mit den Zolleinnahmen den Staatshaushalt entscheidend mitfinanzieren. Bislang zeigen sich da aber keine wirklich vertrauenerweckenden Effekte.

Börse aktuell: Entwicklung der Handelsbilanz der USA während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Handelsbilanz der USA während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4

Zwar klingt es wie ein gewaltiger Erfolg, wenn die US-Zolleinnahmen im ersten Halbjahr mit 87,2 Milliarden US-Dollar meilenweit über denen des Vorjahres liegen. Alleine im zweiten Quartal nahmen die US-Zollbehörden 50 Milliarden US-Dollar mehr ein als im Vorjahreszeitraum. Aber 87,2 Milliarden in sechs Monaten stehen, nur als Beispiel-Zahl, einem Schuldenstand des Staates von, Stand Juni, 36,2 Billionen US-Dollar gegenüber. Um das nennenswert zu reduzieren, bräuchte es sehr viele Jahre mit sehr viel höheren Zolleinnahmen. Und auch den Anlegern sollte eigentlich klar sein, dass diese Milliarden aus den Taschen der US-Verbraucher kommen und in das Staatssäckel fliessen, nicht aus den Kassen der Hersteller. Und was die Regierung dann mit den Zolleinnahmen tut, muss keineswegs allen US-Bürgern zugutekommen.

Börse aktuell: Entwicklung der US-Importe von 2011 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der US-Importe von 2011 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Zudem fällt auf, dass Donald Trump zwar tönte, er habe mit dieser cleveren Strategie das Handelsbilanzdefizit halbiert. Aber die beiden vorstehenden Grafiken machen klar, dass der vorherige Rekord ja letztlich auf seinem Mist gewachsen war, denn da hatten die internationalen Unternehmen bzw. die US-Importeure wegen der absehbaren Zölle so viel wie möglich in die USA geschafft, bevor es massiv teurer würde. Diese Welle an Vorab-Importen zu halbieren heisst dann eben nur, dass jetzt wieder ein Niveau beim Handelsbilanz-Defizit erreicht wurde, was in den Jahren der Biden-Administration normal war. In Trumps erster Amtszeit war dieses Defizit, die obere Grafik zeigt das, übrigens deutlich geringer.

Die US-Verbraucher bleiben vorsichtig, die Trader sind es nicht

Hinzu kommt, dass dieses Zoll-Theater ja noch nicht vorbei ist. Und wann da der Vorhang des letzten Akts fällt, weiss niemand. Aktuell steuern wir auf das Ende der Frist nach der Frist zu. Aber wie sich das alles nach dem 1. August darstellt, weiss man nicht. Dementsprechend gedrückt ist die Stimmung unter den US-Konsumenten, da bewegen wir uns, auch, wenn sich die Gemütslage offenbar vom Tief des Aprils gelöst hat, auf einem Level, das wir zuletzt auf dem Höhepunkt der Corona-Krise und der Phase der damaligen Lockdowns gesehen haben.

Börse aktuell: Entwicklung US-Konsumentenvertrauen während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung US-Konsumentenvertrauen während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4

Und der Konsum als Rückgrat des Wachstums? Zumindest die Umsätze im Einzelhandel kommen nicht so daher, als hätten die US-Bürger jetzt Vertrauen in bald anbrechende, goldene Zeiten gefasst. Zwar war der US-Einzelhandelsumsatz im Juni stärker angestiegen als seitens der Volkswirte erwartet. Aber eine Jahresrate von +3,9 Prozent ist nur Durchschnitt … zumal diese Umsätze nicht inflationsbereinigt sind. Zieht man die Teuerungsrate von offiziell zuletzt 2,7 Prozent ab, bleibt da nichts, das man als nennenswertes Wachstum ansehen könnte.

Börse aktuell: Entwicklung US-Einzelhandelsumsatz von 2016 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung US-Einzelhandelsumsatz von 2016 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Warum Donald Trump so dringend massive Zinssenkungen bräuchte

Das weiss auch der US-Präsident. Und er weiss auch, wie er das ausbleibende Wachstum auf Touren bringen könnte: mit billigem Geld. Würden die US-Bürger wieder spottbillige Kredite aufnehmen können, würde das viel ändern. Mittelfristig zwar keineswegs zum Guten, immerhin sind steigende Schulden ein permanentes Risiko in Schwächephasen der Wirtschaft und treiben die Inflation hoch. Zumal die US-Bürger insgesamt sowieso schon überschuldet sind. Aber um zeigen zu können, dass seine Politik Wachstum erzeugt, braucht er einen Run in Kredite. Und da steht ihm die US-Notenbank derzeit im Weg.

Börse aktuell: Entwicklung der Rendite von US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Rendite von US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4

Aber sollte es ihm gelingen, die Kontrolle über die Geldpolitik zu erlangen, hätte er gleich ein ganz anders, noch grösseres Problem: Die internationalen Investoren, aber zweifellos auch sehr viele US-Investoren würden zusehen, dass sie ihr Investitionskapital aus dem Land schaffen. Denn in diesen Kreisen weiss man, dass es mit Donald Trumps Sachverstand in Sachen Volkswirtschaft, Fiskal- und Geldpolitik nicht weit her ist, er zugleich aber von Fachleuten keinerlei Rat annimmt.

Börse aktuell: Entwicklung NYSE Composite und US-Verbrauchervertrauen von 2016 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung NYSE Composite und US-Verbrauchervertrauen von 2016 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Das alles ist also eigentlich kein Umfeld, in dem die US-Aktienmärkte auf Rekordniveau notieren müssten. Das braucht Wachstum bei den Unternehmensgewinnen, um solide zu sein. Und die Unternehmensgewinne wachsen normalerweise nur – und mittelfristig immer nur – wenn die Verbraucher optimistisch sind und deswegen mehr ausgeben. Das sehen wir auch an dem normalerweise engen Gleichlauf von Verbraucherstimmung und Aktienmarkt. Doch seit Ende 2022 laufen diese beiden Indikationen auseinander … und seit Anfang 2025 besonders stark.

Wie kann das angehen? Wie gelingt es Donald Trump, den Aktienmarkt oben zu halten … was er muss, weil starke Verluste dort und damit Einbussen beim Ersparten vieler US-Bürger den Konsum und mit ihm das Wachstum erst recht drücken würden?

Die bewährten Tricks der ersten Amtszeit funktionieren erneut

Indem er eine Vorgehensweise kultiviert, die er bereits bei seiner ersten Amtszeit eingesetzt hatte, z.B. in Bezug auf den Handelskrieg mit China damals oder den Bau der Mauer an der mexikanischen Grenze:

Er stellt erst einmal eine extreme Drohung in den Raum. Dabei kalkuliert er durchaus eine schockierte Reaktion ein, aber: Dann relativiert er dieses Extrem. Dadurch bekommen die Anleger das Gefühl, es sei etwas ganz Hervorragendes passiert, obwohl er nichts anderes getan hat, als etwas völlig Negatives auf etwas ein bisschen weniger Negatives herunterzufahren. Und er lässt offen, wie es weitergeht, tut so, als gäbe es Deadlines und löst die dann immer wieder auf.

Genau das hat er in Bezug auf die Zölle getan und gibt den Anlegern dadurch das Gefühl, das werde alles in Kürze ganz toll laufen. Zumal er, so wie damals 2017 und fortfolgend mit China, die Trader immer wieder „animiert“, indem er regelmässig erklärt, herausragende, grandiose „Deals“ würden in allernächster Zeit verkündet. Dass da weit weniger kommt als man hoffen mochte und das, was kommt, oft eher eine Mogelpackung ist: Wen kümmert’s, solange der Trend noch nach oben weist!?

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 von Januar bis Juli 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 von Januar bis Juli 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Aber es gibt ein gewaltiges Damoklesschwert bei dieser Trump’schen Strategie: Irgendwann muss er eben wirklich etwas vorzeigen können, das taugt, das rational gesehen eine Verbesserung ist und Wachstum schafft statt Inflation und Sorgen.

Und das kann er nur, wenn genug Handelspartner auf seine Forderungen eingehen, sprich auf die Knie fallen. Wenn genug ausländische und heimische Unternehmen wirklich ihre Produktion in die USA verlegen. Und wenn das Geld billiger wird, sprich er die Leit- und Kreditzinsen nach unten bekommt. Und wer sich von dieser durchaus cleveren Strategie des „vor und zurück“ und des „bald, bald“ zu lösen vermag, dürfte schnell erkennen: So wirklich wahrscheinlich ist es nicht, dass all das so hinhaut. Wir dürfen gespannt sein, was das zweite Halbjahr seines ersten Jahres im „second term“ im Oval Office bringen wird!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.
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Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.


Börse aktuell: DAX, Dow Jones und Co.

Die heutigen Top-News und Börsenmeldungen zum DAX und der Börse USA mit dem Dow Jones, dem Nasdaq und dem S&P 500 als weltweit einflussreiche Indizes bilden einen Schwerpunkt unserer aktuellen Berichterstattung von der Börse. Auch gute Aktien, die momentan sehr stark im Fokus der Anleger stehen und steigende Börsenkurse prophezeien, werden wir Ihnen hier vorstellen. So bekommen Sie einen umfassenden Börsenausblick und können Ihre eigenen Börsenprognosen verifizieren oder falsifizieren.

Börse: Aktuelle Entwicklung und Trends

Die aktuelle Entwicklung und der aktuelle Trend an der Börse werden massgeblich von Wirtschaftsnachrichten, Konjunkturdaten und Neuigkeiten von börsennotierten Unternehmen bestimmt. Diese wirken sich nicht nur auf Aktienkurse aus, sondern auch auf andere Assetklassen wie börsengehandelte Fonds, Optionen und Futures. Des Weiteren werden durch Börsennachrichten auch die Anleihemärkte und Rohstoffmärkte in Bewegung versetzt. Daher haben wir auch die Zinsen, den Ölpreis und Goldpreis immer im Blick.

Börse: Aktuelle Tipps zum Marktgeschehen

Neben Börsennews bekommen Sie auch hilfreiche Tipps, um das gegenwärtige Marktgeschehen besser zu interpretieren. Der Börsenmarkt setzt sich aus vielen verschiedenen Märkten zusammen. Jedes Land, jede Branche und jedes Finanzprodukt wird von individuellen Faktoren beeinflusst, sodass es schwierig ist, alle Märkte mit ihren jetzigen Chancen und Risiken zu verfolgen und zu analysieren. Mit Börse aktuell liefert Ihnen unser Börsenprofi die Börseninformationen, die wirklich wichtig sind, und zugleich eine kompakte Börsenvorschau der Woche.

Börse aktuell: Die letzten Nachrichten

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

In dieser Woche wird allerhand geboten sein, vor allem ein Aspekt steht im Rampenlicht: Was passiert am Mittwoch, wenn Trumps 90-Tage-Galgenfrist in Bezug auf seine am 2. April verkündeten, „reziproken“ Zölle endet? Rallye oder Kursrutsch … nichts ist da unmöglich. Eine gute Gelegenheit, wieder einmal auf die „Daten hinter den Kursen“ zu schauen, um abzuklopfen, in welcher Verfassung der Aktienmarkt in diese spannende Phase an der Börse aktuell geht.

Schon am Wochenende war der Nachrichtenticker recht rege unterwegs. Im Weissen Haus orakelt man, was denn nun mit den Zöllen passieren werde: Die „blauen Briefe“ stehen wieder im Raum, in denen Trump anderen Nationen die Handelsbedingungen einfach diktieren will. US-Finanzminister Bessent sagte, er stünde bereit, den US-Notenbankchef zu ersetzen, sofern der Präsident das wünsche. China verhängt Ausschreibungs-Ausschlüsse gegenüber EU-Medizinprodukten, nachdem die EU chinesische Unternehmen von bestimmten, öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen hatte. Und, für mich die spannendste Nachricht: Elon Musk macht ernst und hat mitgeteilt, dass er die „America Party“ als dritte, politische Kraft in den USA gründen werde.

Seit April sind eine Menge Vorschusslorbeeren verteilt worden

Während der DAX zuletzt eher seitwärts lief, damit aber dennoch besser dasteht als der Euro Stoxx 50, haben die US-Indizes sich zuletzt wieder zurückgemeldet und beginnen gegenüber den Euro-Börsen Boden gutzumachen. Zuerst erzielte der Nasdaq 100 einen neuen Rekord, dann der S&P 500. Und der Dow Jones schob sich direkt vor dem „Independence Day“ am vergangenen Freitag in Schlagdistanz, um in Sachen Rekordhoch nachzuziehen.

Börse aktuell: Entwicklung wichtiger Indizes im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung wichtiger Indizes im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Angesichts der bestenfalls als „gemischt“ einzuordnenden Konjunkturdaten und dieser hier und heute noch völlig offenen Zoll-Problematik scheint man da eine Menge Vorschusslorbeeren verteilt zu haben. Die Frage ist, ob diese Käufe seit dem April-Kurseinbruch den Markt „intern“ instabil gemacht haben oder ob die Aktienindizes in Bezug auf Daten wie Neue Hochs/Neue Tiefs, Aktien über der 200-Tage-Linie, dem Kurs-/Gewinn-Verhältnis (KGV), dem Volumen an auf Kredit laufenden hochspekulativen Derivaten oder dem Verhältnis Verbrauchervertrauen/Kursentwicklung robust genug dastehen, um unliebsame Überraschungen dauerhaft wegzustecken. Schauen wir es uns an.

Zahl neuer 52-Wochen-Hochs: Das passt nicht!

Der folgende Chart zeigt, dass auch der sehr marktbreite New York Stock Exchange (NYSE) Composite Index neue Rekorde erreicht hat. Das wirkt, als wäre der breite Markt insgesamt stark, was bullisch wäre. Wenn man sich den Index aber zusammen mit den Aktien ansieht, die zuletzt den höchsten Stand der vergangenen 52 Wochen erreicht haben, relativiert sich dieses Bild einer „gesunden“ Hausse. Es sind, wir sehen es in diesem Chart, der die letzten neun Jahre abbildet, viel zu wenige. Grund:

Börse aktuell: Entwicklung NYSE Composite Index und Anzahl von Aktien mit neuem 52-Wochen-Hoch an der NYSE von 2016 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung NYSE Composite Index und Anzahl von Aktien mit neuem 52-Wochen-Hoch an der NYSE von 2016 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Je stärker eine Aktie läuft, desto mehr Gewichtung erhält sie in einem Index. Wenn wir ein Bild wie das vorstehende sehen, macht das klar: Es sind nur relativ wenige Aktien, die den gesamten Markt immer höher ziehen, die steigen dafür aber umso stärker.

Das heisst, dass diese Aktien mehrheitlich vermutlich eher teuer bewertet sind und ihre Hausse von weiterhin überzeugend starken Bilanzen abhängig ist. Da wird es in den kommenden Wochen dann zur Nagelprobe kommen, wenn die Ergebnisse des zweiten Quartals einlaufen.

Dabei ist dieses Missverhältnis hierzulande noch deutlich extremer als in den USA. Im Nasdaq 100 liefen immerhin 46 der 100 Aktien im ersten Halbjahr besser als der Index. Beim DAX mit seinen 40 Titeln waren es nur 10!

Aktien über ihrer 200-Tage-Linie: Die Marktbreite fehlt

Das Bild eines Aktienmarkts, an dem wenige Aktien viel am Gesamtmarkt bewegen, einfach, weil sie gegenüber den anderen Titeln ein deutlich höheres Gewicht im Index haben, bestätigt sich auch beim Blick auf den prozentualen Anteil an Aktien, die über ihrer 200-Tage-Linie notieren. Wir sehen im nachfolgenden Chart das Szenario für den US-Aktienmarkt. Als 2021 neue Rekorde erreicht wurden, lag der Anteil der Aktien über diesem wichtigen gleitenden Durchschnitt bei über 70 Prozent, derzeit sind es gerade einmal 50 Prozent.

Börse aktuell: Entwicklung NYSE Composite Index und Aktien oberhalb ihrer 200-Tage-Linie in Prozent von 2020 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung NYSE Composite Index und Aktien oberhalb ihrer 200-Tage-Linie in Prozent von 2020 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Nun könnte man argumentieren, dass das doch auch bullisch sein könnte, weil damit viele Aktien erst noch durchstarken könnten/müssten. Was in der Tat sein kann, aber nur, wenn das Umfeld das auch unterstützt. Denn in einer Hausse, in der Gier und Hoffnung den Taktstock schwingen, kaufen diejenigen, die das Risiko nicht sehen, gerne das, was alle kaufen: Die „In-Aktien“ wie, bezogen auf die USA, die „Magnificent Seven“ und andere Technologietitel, nicht aber die Breite der Branchen. Das ist also eher ein Warnsignal als ein Grund, noch bullischer zu werden.

Teuer: Das KGV des DAX ist auf gewagten Levels angekommen

Das nachstehend gezeigte KGV des DAX, errechnet als Schnittwert der KGVs der einzelnen DAX-Aktien, ist derzeit ungewöhnlich hoch. 2020 lag es zwar kurzzeitig noch höher. Aber das hatte seinen Ursprung in der Corona-Phase. Die Gewinne der Unternehmen brachen ein, das verzerrte das Bild. Zuerst sank das KGV damals drastisch, weil die Kurse einbrachen, die wegsackenden Gewinne zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht gemeldet waren. Als die dann kamen, stieg das KGV, weil die Gewinne, wie auch in Rezessionen normal, drastischer fielen als die Aktienkurse. Heute jedoch …

Börse aktuell: Entwicklung KGV der DAX Aktien von 2010 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung KGV der DAX Aktien von 2010 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

… haben wir einen Sonderfaktor, der diese teure Bewertung bedingt, der ein Risiko für die Zukunft darstellt und nicht, wie bei Corona, etwas bereits Vorhandenes reflektiert. Auf der einen Seite haben wir hoch bewertete DAX-Aktien, die von den geplanten, hohen Infrastruktur- und Verteidigungsausgaben profitieren, bei denen die Hausse aber bereits auf mehrere Jahre hinaus ein Best Case-Szenario vorweggenommen hat. Auf der anderen Seite stehen Aktien aus Branchen wie Automobile, Chemie oder Medizintechnik/Healthcare, die zwar nicht allzu teuer bewertet sind, deren Kurslevel aber trotzdem nur dann angemessen wäre, wenn die von vielen erwartete, deutliche Belebung der Nachfrage im zweiten Halbjahr Realität wird. Was indes derzeit alles andere als sicher, um nicht zu sagen fraglich, ist. Gute Nachrichten wären in nächster Zeit daher nicht hilfreich, sondern unbedingt nötig.

Die Zocker ziehen mit: Das ist eher beruhigend

Als die Aktienmärkte nach dem schwachen Inflations-Jahr 2022 wieder anzogen, war in Bezug auf die Aktivitäten der Profi-Trader, die die Sicherheiten für Derivate-Trades, die es bei den Brokern dafür zu hinterlegen gilt, mit Krediten finanzieren, eine auffällige Zurückhaltung zu erkennen. Seit Anfang 2024 steigt das Volumen dieser „Börsenkredite“ aber wieder zügig an. Noch ist zwar der Rekord von Ende 2021 nicht überboten, aber man ist nahe dran. Eigentlich ist ein derart hoher Anteil an hochriskanter Spekulation auf Pump immer ein Warnsignal, aber man kann dieser nachstehenden Grafik auch zwei positive Aspekte abringen:

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 und Kreditvolumen für Derivate-Margins von 2007 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 und Kreditvolumen für Derivate-Margins von 2007 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Zum einen liegt das Volumen dieser Kredite in Relation zum gegenüber 2021 an der Börse aktuell deutlich höheren Kursniveau der grossen Aktienindizes relativ niedriger als damals, d.h. die Kredite sind fast genauso hoch, das am Aktienmarkt investierte Kapital ist aber weit grösser als 2021. Zum anderen werden hier zwar extrem spekulative Derivate auf Kredit finanziert, aber das erfordert bei diesen Tradern eine eiserne Disziplin in Bezug auf das Kapitalmanagement. Wer hier unterwegs ist, kann sich zu weite Stopps oder gar deren Ignorieren nicht leisten. Das kann helfen, zu exzessive Haussebewegungen ebenso einzugrenzen wie den Spielraum nach unten im Fall eines Kursrutsches.

Unternehmen in Moll, Aktienmarkt in Dur – das endet gerne mal mit Katzenjammer

Ob die Sicht der Kapitalmarktexperten im ZEW-Index, die der Verbraucher im GfK Konsumklimaindex oder die der Unternehmen, die sich im ifo-Geschäftsklimaindex niederschlägt: Derzeit tönt man hier in Moll. Zwar sind zuletzt leichte Verbesserungen aufgetaucht, aber die halten sich in engen Grenzen: Schlecht ist die Stimmung weiterhin … und das gilt genauso für die US-Verbraucher. Normalerweise korreliert die Geschäfts- und Konsumstimmung mit der groben Trendrichtung des Aktienmarkts … und das ist auch logisch, denn:

Börse aktuell: Entwicklung DAX und ifo-Geschäftsklimaindex von 2003 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX und ifo-Geschäftsklimaindex von 2003 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Nur, wenn die Unternehmen Wachstum sehen und die Verbraucher nicht nur mehr ausgeben wollen, sondern es auch können und tun, werden die Unternehmen mehr Gewinn erwirtschaften. Und nur, wenn deren Gewinne steigen, ist der Aufwärtstrend ihrer Aktien faktisch unterfüttert. Daher sehen wir im vorstehenden Chart einen ungefähren Gleichlauf zwischen ifo-Geschäftsklimaindex und DAX … bis Ende 2022. Seither hat sich der DAX komplett abgekoppelt, ist also ohne diese entscheidende Basis einer positiven Unternehmensstimmung unterwegs. Das ist hoch riskant.

Fazit: Positive Nachrichten wären nötig, sonst geht das im zweiten Halbjahr schief

Zuletzt gelang es, negative Nachrichten einfach zu ignorieren. Trader, die das fertigbringen, ignorieren dann natürlich auch Warnsignale von Daten, wie wir sie hier gesehen haben. Das kann auch lange funktionieren, aber nie auf Dauer. Und je länger eine solche Phase andauert, in der immer mehr sicher sind, dass der Aktienmarkt gar nicht fallen kann, desto höhere Risiken gehen sie ein. Damit wird das Pulverfass immer voller, die Lunte immer kürzer.

Das zweite Halbjahr, speziell die Zeit zwischen Mitte Juli und Ende Oktober, wäre für ein böses Erwachen durchaus typisch. Nur, wenn nicht grosse Hoffnungen, sondern solide, positive Nachrichten zeitnah die Nachrichtenticker füllen, liesse sich die Hausse halten … wir dürfen gespannt sein, insbesondere auf die kommenden Tage und das, was da dann aus dem Weissen Haus kommt.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Künstliche Intelligenz greift auf eine unglaubliche Menge an Daten zurück, verarbeitet sie in ebenso unglaublicher Geschwindigkeit und kann daraus Schlüsse ableiten, die Menschen schwerfallen oder wofür sie zumindest erheblich länger bräuchten. Das muss doch sicher auch eine perfekte Sache für die Börse sein, denken sich viele. Ist das wirklich so?

Was hat der Junge nur für Flausen im Kopf … ein Spruch, den so mancher vielleicht von seinen Grosseltern gehört hat. Ich würde mich nicht wundern, wenn man das in Zukunft über KI-basierte Handelssysteme sagen wird.

Jawohl, solche Programme erfassen Daten schneller als wir. Sie sind schneller in ihren Reaktionen. Und sie erkennen Muster besser. Das Problem ist: Während so etwas z.B. in der Forschung, in der Produktion oder im Strassenverkehr hochinteressant und hilfreich sein kann, ist es mit Mustern an der Börse so eine Sache. Denn die Börse gehorcht ja keinen festen Regeln, so dass eine KI, die „lernt“, dass auf X immer Y folgt, an den Märkten gnadenlos scheitern dürfte. Weil?

Was soll eine KI können … was kann eine KI … und vor allem: Was kann sie nicht?

Weil all das, was an den Börsen passiert, nicht nur einem steten Wandel unterliegt, was die Argumente für Kursbewegungen und die Art angeht, wie sie ablaufen. Denn an veränderte Bedingungen könnte sich eine künstliche Intelligenz schnell und sicher anpassen, das ist ja einer ihrer grossen Pluspunkte. Aber dieser stete Wandel entsteht auch auf einer Ebene, die eine KI nicht erreichen kann: Emotionen.

Eine KI soll folgendes können: Die Lage analysieren, daraus ggf. Prognosen ableiten und auf Basis von beidem Vorschläge unterbreiten oder, wenn sie in ein Börsen-Handelssystem integriert ist, Entscheidungen fällen.

Im ersten Moment wirkt es, als wäre die Börse da ein ideales Einsatzgebiet, schliesslich geht es um Zahlen bzw. die in Zahlen messbaren Effekte einer Verschiebung von Angebot und Nachfrage. Der Gedanke liegt daher nahe, dass das alles ganz einfach ist:

Wenn x1 passiert, wird darauf y folgen. Ändert sich x1 oft genug, um zu unterstellen, dass das kein Einzelfall ist, sondern sich die Parameter dauerhaft verändert haben, stellt sich die KI darauf ein und ab jetzt agiert sie z.B. mit Käufen, wenn x2 passiert, weil das Gesetz der Serie erwarten lässt, dass jetzt diese Vorlage zu y (z.B. zu steigenden Kursen) führt.  Unterschied zu normalen Handelssystemen: Es passt sich entsprechend dem ständigen Vergleich Ursache – Wirkung selbsttätig an, während ein Handelssystem auf gleiche Parameter auch immer gleich reagiert, bis es aktiv von Menschenhand umgeschrieben wird.

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 - Wie könnte eine KI die Kurse lesen? | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 – Wie könnte eine KI die Kurse lesen? | Quelle: marketmaker pp4

Wenn wir das mal am Beispiel einer Verkehrsmanagement-Software durchdenken, ist das eine ideale Sache. Die KI misst den Verkehrsfluss auf einem Autobahnabschnitt. Sie weiss aus den Daten all dessen, was vorher war, ab welcher Verkehrsdichte oder Ereignissen wie Unfällen verschiedenster Art mit einem Stau zu rechnen wäre und errechnet ständig neu, welche Höchstgeschwindigkeit vorzugeben ist, um den Verkehrsfluss aufrechtzuerhalten. Verändert sich die Basis, indem beispielsweise in der Urlaubszeit mehr Pkw und Pkw mit Wohnwagen im Vergleich zu Lkw unterwegs sind, kann sie das schnell erfassen, in die Berechnung einfliessen lassen und damit unter neuen Verhältnissen weiterhin richtige Entscheidungen treffen. Aber an der Börse läuft es eben anders.

Emotionen sind unberechenbar. Das ist so, das bleibt so.

Denn hier haben wir zwar zum einen chart- und markttechnische Elemente, die berechenbar sind. Aber oft werden diese Aspekte in den Hintergrund gedrängt. Kommt es zu überraschenden Ereignissen mit Einfluss auf die Marktteilnehmer, sind es Emotionen, die entscheidend dafür sind, ob und wie stark und über welche Zeitspanne sich Angebot und Nachfrage verändern und so die Kurse bewegen.

Um da wieder das Beispiel des Verkehrsmanagements auf einer Autobahn zu nutzen: Der Verkehrsfluss würde ebenso empfindlich durcheinandergewirbelt, wenn zwar wenige Fahrzeuge unterwegs sind, ein zu grosser Teil der in diesem Abschnitt befindlichen Fahrzeuge aber von einer Horde völlig rücksichtsloser Spinner mit extremen Geschwindigkeiten bewegt werden, die alle anderen gefährden und so abrupte Bremsungen oder Ausweichmanöver nach sich ziehen. Die KI kann Idiotie aber nicht „sehen“ und erfassen, sondern würde „lernen“, dass auch bei wenigen Fahrzeugen auf der Strecke Staus und Unfälle entstehen und die Höchstgeschwindigkeit grundsätzlich senken obwohl das, wenn die Idioten weg sind, nicht nötig wäre.

Emotionen haben es dabei ausserdem an sich, nicht einmal für diejenigen, die ihnen gehorchen, vorhersehbar zu sein. Wer in einer sich stetig verändernden Situation auf Basis einer neuen Entwicklung kauft, bewusst nichts tut oder aussteigt, weiss das ja nicht einmal selbst vorher. Allein, weil man nicht einmal einen Tag zuvor wissen kann, was da als neue Entwicklung auftaucht, das eine solche unmittelbare, gefühlsbasierte Entscheidung auslösen wird. Denken wir an diesen von Donald Trump so genannten „Liberation Day“, den 2. April. Dass er da umfassende Einfuhrzölle verkünden würde, wusste man. Aber die Dimension dessen, was da kam, überraschte jeden und provozierte drastische Reaktionen als Ergebnis von Verunsicherung und Angst.

Börse aktuell: Entwicklung DAX - Verluste werden als Kaufsignal interpretiert | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX – Verluste werden als Kaufsignal interpretiert | Quelle: marketmaker pp4

Bleibt ein Teil der Formel unsichtbar, kommt am Ende Unsinn heraus

Was macht eine KI aus Handelstagen wie denen nach dem 2. April? Wie kann ein Computerprogramm, so potent und schnell es auch sein und wie viele Daten es auch zur Verfügung haben mag, zuerst den immer intensiver werdenden Selloff und danach am 9. April den irren Kurssprung so verarbeiten, dass eine vergleichbare Reaktion beim nächsten Mal vorhergesehen und durch Trades gewinnbringend genutzt wird?

Lernt eine KI hier beispielsweise die „TACO“-Regel? Diese vermeintliche Regel, dass Trump zuerst die Backen aufbläst und dann zurückrudert (TACO ist die Abkürzung von „Trumps Always Chickens Out, Trump zieht immer zurück)? Beim Zoll-Rundumschlag war es so. Bei der Eskalation in Bezug auf die China-Zölle war es auch so. Bei seiner Ankündigung, den Notenbank-Chef zu entlassen, war es … bis jetzt … ebenfalls so. Immer brachen die Kurse zuerst aufgrund von Trumps Entscheidungen und/oder Drohungen ein, dann zog er zurück und die Kurse schossen nach oben. Aber wird es auch so bleiben?

Eine KI beobachtet die Datenlage des Umfelds und die Reaktion der Kurse. Nur das kann sie miteinander in Verbindung setzen, weil sie, wie gesagt, Emotionen weder sehen noch messen kann. Ein Kursanstieg lässt nicht erkennen, ob er auf Basis der Angst unerfahrener Zocker, etwas zu verpassen basierte oder im Gegenteil auf fundierten Überlegungen erfahrener Investoren. Aber in ersterem Fall wäre er extrem instabil, in letzterem Fall hätte er ein solides Fundament.

Emotionen sind weder messbar noch sichtbar. Und selbst wenn sie es wären: Wir reden hier von Hunderten Millionen von Menschen, die aktiv am Markt agieren oder nur zuschauen könnten. Wir reden davon, dass jeder einzelne davon subjektive Motive hat, die auf einer wiederum subjektiven Auslegung der Datenlage basieren und die mal in eine emotionale, mal in eine rationale Entscheidung münden. Mal so, mal so.

Solange man das nicht bewusst mit einkalkuliert, sprich nicht versteht, dass kommende Kursbewegungen an den Börsen einfach nie sicher vorhersehbar sind, weil neben Datenlage und Chart- und Markttechnik das unsichtbare, dritte Element der Emotionen zur Formel gehört, wird jeder Versuch, Trading zu „automatisieren“, scheitern. Aber ob KI oder menschliche Trader: Offenbar wird genau das momentan versucht, Beispiel: Die Nachricht des Tages am Freitagabend:

Bad News und der „New Way“, damit umzugehen

Donald Trump empört sich über die Einführung einer Steuer in Kanada, die digitale Dienstleistungen von Unternehmen besteuert, z.B. von Google oder Apple. Er nennt diese Entscheidung „ungeheuerlich“ und entscheidet aus der Hüfte heraus, alle Handelsgespräche mit Kanada sofort zu beenden. Das ist eine ganz kritische Kiste, immerhin belegt sie, dass der US-Präsident weiterhin emotional und alleine entscheidet, ohne auch nur zu erwägen, Experten oder gar die beiden parlamentarischen Kammern einzubeziehen. Und es unterstreicht, dass jedes kleine Lüftchen, das als Gegenwind ausgelegt werden könnte, mit einem Orkan niedergemacht werden soll. Das sind keine guten Aussichten für die Zoll-Problematik insgesamt. Der folgende Chart, der den Nasdaq 100 auf Fünf-Minuten-Basis am Freitag umfasst zeigt, wie die Reaktion am Aktienmarkt ausfiel:

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 - Folgen Anleger dere TACO Regel? | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Nasdaq 100 – Folgen Anleger dere TACO Regel? | Quelle: marketmaker pp4

Deutlich … und kurz. Nur 100 Minuten nach Trumps Statement wurde in der letzten Handelsstunde eine Kaufwelle losgetreten, die fast das komplette Minus wieder aufholte. Eine beunruhigende Nachricht, die auf diese Weise blitzschnell vom „Angesicht der Börse getilgt“ wurde.

Das deutet an, dass immer mehr Akteure diese „TACO-Regel“ als in Stein gemeisselt sehen und immer schneller auf negative Reaktionen hin kaufen. Wodurch dann natürlich auch KI-Systeme „lernen“, dass genau das so sein muss: Negative Nachrichten werden zu Kaufsignalen. Womöglich wird es nicht mehr lange dauern, bis die initialen Verkäufe komplett verschwinden und jede bärische Nachricht sofort eine Kaufwelle auslöst. Dann landen wir bei einer rein charttechnisch orientierten Börse mit Dauer-Hausse.

Konsequenz und echte Intelligenz kontra Tempo und KI … wer gewinnt am Ende?

Das klingt im ersten Moment prima: Dauer-Hausse, egal, was drumherum passiert. Und das womöglich immer schneller, je mehr KI-basierte Handelssysteme da auftauchen und mitmischen. Und ist es nicht völlig egal, ob es sich da dann um extrem „unintelligente“ Systeme handelt, weil sie das Element der Emotionen nicht erfassen und einbeziehen können? Unerfahrene Anleger, die nonstop Geld in passive Investments überweisen, können es ja auch nicht, also „so what“? Wir hätten nur ein Element mehr zu Gunsten der Hausse. Dass die schon jetzt überteuerte Bewertungen und eine Schere zwischen Schein und Sein aufweist, ist dann ja egal … oder?

Das könnte man so sehen, aber man wäre gut beraten im Hinterkopf zu behalten, dass etwas, das lange funktioniert, ohne solide unterfüttert zu sein, keineswegs deswegen für immer gutgehen wird. Zwei Punkte fallen mir da ein, die man bedenken sollte.

Zum einen ist das Geld, das in den Markt fliessen kann, nicht unendlich vorhanden. Vergessen wir nicht, dass immer mehr Menschen immer weniger Geld übrighaben. Das schränkt den Zufluss an die Märkte irgendwann ein. Zwar kann man das auch ohne Mittelzufluss eine Zeit lang weiterspielen, indem man Geld in gehebelte Produkte umleitet und so mit dem selben Kapitaleinsatz fünf, zehn oder zwanzig statt einer Aktie bewegt. Aber damit nimmt das Risiko zu, die Rückschlag-Resilienz sinkt.

Zum anderen können weder KI noch unerfahrene Trader, die sich in einer Einbahnstrasse zum endlosen Reichtum wähnen, verstehen, wann der Punkt erreicht ist, an dem der überspannte Bogen reisst. Denn das kann er. Zum Beispiel, wenn grosse Hedgefonds gezielt gegen eine aus ihrer Sicht am Ende angekommene Fahnenstange agieren und massiv Short gehen. Wenn dann in diese Kursverluste hinein von KI-Systemen gekauft wird, wäre das für die Hedgefonds geradewegs ideal, weil sie damit auf nahezu gleich hohen Levels immer grössere Positionen aufbauen können, die so lange aufgeblasen werden, bis den KI-Käufen das Geld ausgeht oder sie … denn die Chart- und Markttechnik sind ja üblicherweise Elemente, die KI berücksichtigt … einen zu grossen Schwund des Momentums registrieren und umschwenken.

Und auch, wenn man jetzt scheinbar auch im Bereich der künstlichen Intelligenz die TACO-Regel als ehernes Gesetz umzusetzen scheint: KI heisst nicht „nur kaufen“. Ein KI-System kann natürlich … und dann genauso stur und genauso imstande, falsche Dinge zu lernen … auf der Verkäuferseite agieren.

Derzeit hat man den Eindruck, wir sind an diesem Punkt angekommen, an dem auf der Autobahn immer mehr unerfahrene und leichtsinnige Fahrer dahinrasen. Werden sie am Ende besser dastehen, weil ihnen künstliche Intelligenz scheinbar das Denken und Lenken abnimmt? Ich hege hinreichend Zweifel daran, um gerade jetzt besonders aufmerksam und vorsichtig zu fahren.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Mit der aktiven Beteiligung der USA an den Angriffen auf den Iran hat sich die Situation erneut verändert. Wie wird das die Entwicklung am Aktienmarkt beeinflussen, nicht nur heute, sondern in den kommenden Tagen und Wochen? Bleibt es bei einem Rücksetzer? Kommt eine ausgedehnte Korrektur? Oder ist das der Schritt hin zu einer Abwärtswende? Es gibt ein gewisses Muster, aber …

… immer dann, wenn wir eine dynamische Entwicklung der Nachrichtenlage erleben, bei der ein neues Ereignis mehrere ganz unterschiedliche Folgeentwicklungen auslösen kann, von denen jede wiederum an eine Weggabelung führt, sind Vergleiche mit früheren, ähnlichen Situationen problematisch.

Denn ja, es gibt momentan beispielsweise beim DAX Ähnlichkeiten zu den Tagen nach dem 24. Februar 2022, dem Angriff auf die Ukraine. Aber das bedeutet nie, dass man in einem solchen Fall die Entwicklung der Märkte mit dem Filzstift durchpausen könnte. Wer das versucht, würde vermutlich eher über kurz als über lang von der Tatsache überrollt, dass sich die Geschichte zwar in Grundstrukturen wiederholen mag, aber nie alles ganz genau so laufen wird wie in früheren Fällen.

Mit simplen Faustregeln kommt man ein einem komplexen Umfeld nicht weit

Werfen wir einen Blick an die Börse aktuell. Wenn wir uns einmal den DAX-Chart auf 15-Minuten-Basis mit Beginn am 12. Juni betrachten (ein Tag vor Beginn des Angriffs auf den Iran), sehen wir ein interessantes Phänomen: Die bislang drei grösseren Abwärts-Kurslücken wurden jedes Mal umgehend gekauft.

Börse aktuell: Entwicklung DAX Juni 2025 - Reaktion auf Abwärtskurslücken | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX Juni 2025 – Reaktion auf Abwärtskurslücken | Quelle: marketmaker pp4

Was entscheidend daran liegen mag, dass die Komplexität der Gesamtsituation zuletzt dazu führte, dass unter unerfahrenen Anlegern die „Regel“ umgeht, dass jedes Minus eine Kaufgelegenheit ist. Und je grösser das Minus, desto grösser die Long-Chance. Weil es 2020 im März gutging. Weil es 2022 im Februar gutging. Weil es 2025 im April gutging. Dreimal funktioniert heisst … wenn man naiv genug ist, so zu denken … dass es beim vierten und fünften Mal auch funktionieren muss. Doch wer so denkt, hat nicht erkannt, wie die Börse funktioniert.

Hier geht es nicht um ein System, bei dem Ursache X zwingend Folge Y bedingt. Hier geht es weder um Mathematik noch um Physik, es geht um Psychologie. Denn es sind Menschen, die durch ihr Handeln die Kurse „machen“. Und diese Menschen reagieren nie berechenbar, auch, wenn man das gerne behauptet, um so zu tun, als sei die Börse ganz simpel und damit auch Sparer an den Aktienmarkt zu locken, die dort nicht sein sollten. Nicht als Individuum und auch nicht als Herde.

Kaufen, zögern, verkaufen … die Fakten entscheiden das eher selten

Wenn man schon den Vergleich zu einer Rinder- oder Schafherde zieht … nicht zuletzt, weil er durchaus sinnvoll ist … sollte man nie vergessen, dass man nie, absolut nie sicher sein kann, wann es zu einer Stampede kommt. Es kann drei, vier Stürme oder extreme Gewitter geben, ohne dass die Herde ausser Kontrolle gerät. Und dann, beim nächsten Mal, passiert es auf einmal doch. An der Börse läuft es nicht anders. Denn die Entscheidung, zu kaufen, stillzuhalten oder auszusteigen mag zwar durch einen Blick auf die Rahmenbedingungen ausgelöst sein. Aber da geht es darum, dass diese Rahmenbedingungen, seien sie positiv oder negativ, den Marktteilnehmer nur dazu animieren, etwas zu tun. Was genau er dann tut, ist aber eine ganz andere Sache und wird sehr oft in einer ganz anderen Abteilung des Kopfes entschieden und umgesetzt. Nicht dort, wo die Ratio arbeitet, sondern dort, wo die Emotionen sind.

Gier, Verunsicherung, Angst: Kaufen, zögern, verkaufen. Das sind die treibenden Kräfte hinter den Handlungen der Marktteilnehmer … und damit auch hinter Kursbewegungen und ggf. sogar hinter mittelfristigen Trends. Und das umso mehr, je komplexer und in Bezug auf das, was kommt unsicherer die Rahmenbedingungen sind. Dann neigt man zu zwei Dingen:

Zum einen sucht man nach Vorlagen, so, wie sie der Februar 2022 liefern könnte, weil die Struktur der ersten Tage nach der Attacke auf die Ukraine der der ersten Tage nach dem Angriff auf den Iran ähnelt. Zum anderen schaut man, was die anderen tun in der Hoffnung, die könnten vielleicht wissen, wie es weitergeht. Beides klappt, wenn sich sehr viele so verhalten. Aber wenn nicht, dann nicht … und jeden Tag könnten die Kurse, auch, wenn wir jetzt tatsächlich auch in den kommenden Tagen beim DAX ähnlich laufen wie damals 2022, unverhofft eine ganz andere Entwicklung zeigen als bei der „Blaupause“.

Börse aktuell: Entwicklung DAX im Frühjahr 2022 während des Angriffs auf die Ukraine | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX im Frühjahr 2022 während des Angriffs auf die Ukraine | Quelle: marketmaker pp4

Entscheidungen unter Ungewissheit … an der Börse ist das die Normalität

Dass man jetzt nicht sicher sein kann, womit man das Richtige tun würde, liegt in der Natur der Sache. Denn was verändert dieses aktive Eingreifen der USA an der Gemengelage? Wird man das Atomprogramm des Iran damit schnell und effektiv stoppen oder zumindest erheblich bremsen? Und ob das gelingt oder nicht, welche Folgen wird das in Bezug auf die militärische Auseinandersetzung haben? Wird die sich auf weitere Länder ausdehnen, indem der Iran jetzt US-Truppen im Nahen Osten attackiert, Terroraktionen durchführt, ggf. auch die Ölversorgung durch eine Blockade der Strasse von Hormus in die Bredouille bringt oder nicht?

Wer heute oder in den kommenden Tagen entscheidet, in fallende Kurse zu kaufen, auszusteigen oder auch dieses neue, sich zuspitzende Risiko zu ignorieren, tut dies unter der völligen Ungewissheit, was sich aus dieser Situation und – in Bezug auf das eigene Depot – aus seiner Entscheidung ergeben wird.

Verschärft wird das dadurch, dass wir hier, wie auch 2022, noch weitere Baustellen haben, die zuletzt ignoriert wurden, ohne, dass es realistisch wäre zu glauben, dass sie sich dadurch erledigt hätten. 2022 waren das die Inflation und die Lieferkettenprobleme, 2025 sind es Trumps Zölle und die sich daraus erneut ergebenden Inflations- und Lieferkettenrisiken.

Hat man das realisiert wird auch automatisch klar, dass es völlig absurd wäre zu behaupten, man wüsste, wie sich DAX & Co in einer Woche oder in einem Monat darstellen werden. Es bleibt nur die (durchaus sinnvolle) Option, genau hinzusehen, was sich aus Verkaufswellen und Gegenbewegungen ergibt. Was übrigens eigentlich immer so ist, nur ist die Gesamtsituation aktuell eben brisanter und damit die denkbare Schwankungsbreite des Aktienmarkts grösser als sonst.

Entscheidend ist, was nach Gegenreaktionen passiert

Wir hatten im Intraday-Chartbild gesehen, dass letzte Woche jede Abwärts-Kurslücke auf Käufe traf, die aber wiederum abverkauft wurden. Ausser am Freitag, aber da könnte die grosse Abrechnung an der Terminbörse die Struktur der Bewegungen verzerrt haben. Wir hatten im DAX-Chart, der das Frühjahr 2022 zeigte gesehen, dass es zwar anfangs immer wieder Abwärts-Tage gab, dann aber eine Stabilisierung auftauchte, die keine neuen Tiefs mehr nach sich zog, das war in der ersten März-Hälfte.

Das beruhigte die Anleger damals und führte dazu, dass man den Ukraine-Krieg zu den anderen ignorierten Risiken ins Archiv stopfte und erst einmal weiter kaufte, bevor dann ab dem Sommer das Thema Leitzinserhöhungen hinzukam und die Inflationsraten immer gruseliger ausfielen. Das war dann zu viel, da siegte dann die Angst über die Gier und das Gesamtjahr 2022 endete bärisch.

Die Frage ist, wann es diesmal „zu viel“ in Bezug auf das „Ignoranz-Konto“ ist. Jetzt … oder muss es noch dicker kommen? Man kann es nicht wissen, dazu sind zu viele Menschen im Spiel, die allesamt in der Aktienmarkt-Suppe herumrühren … und oft nicht wirklich wissen, was sie tun, weil die unberechenbaren Emotionen den Löffel halten und keine ruhige, besonnene Hand.

Daher wird es jetzt sehr wichtig sein, ob auch die heute zu erwartende (Stand Sonntag 15 Uhr) schwache Eröffnung im DAX gekauft wird, und ob es dann gelingt, neue Tiefs zu verhindern.

Börse aktuell: Entwicklung DAX 2025 - Bewegungen um die Supportzone | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX 2025 – Bewegungen um die Supportzone | Quelle: marketmaker pp4

Schafft es der deutsche Leitindex dann sogar wieder zurück über die Zone 23.275 zu 23.476 Punkte, wäre die Chance, dass es ein weiteres Mal gelungen ist, die Faktenlage von den Kursen fernzuhalten, gross. Geht die Folge neuer, kurzfristiger Tiefs aber weiter, wäre damit der Schritt von einem Rücksetzer hin zu einer ausgedehnten Korrektur vollzogen.

Ob die dann wiederum am Ende der Beginn einer mittelfristigen Abwärtswende war, weiss man immer erst, wenn Letztere vollzogen ist; das ist davon abhängig, was die Zukunft in Bezug auf Geopolitik, Inflation, Zölle und Wachstum bringt. Das kann man nicht wissen, muss es aber auch nicht.

Denn einen „grossen Plan“ an der Börse zu haben heisst in aller Regel, sehr bald voll neben der Spur zu agieren, weil sich die Zukunft nicht darum schert, wie man sie gerne hätte. Man muss sich Schritt für Schritt vorantasten und immer wieder umschauen. In dieser Woche wird es darum gehen, ob der DAX sich fängt oder nicht. Nur das zählt für den Augenblick. Und dann, und damit haben erfahrene Investoren auch gar kein Problem, sieht man weiter und bewertet die Lage neu.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Hoffnung auf das Verschwinden von negativen Faktoren kann einen Aktienindex wie den DAX Wochen und Monate höher ziehen. Aber Hoffnung braucht Nahrung, allzu viele Rückschläge verdaut eine solche Hausse nicht. Und langsam droht die Hoffnung zu verhungern.

Der „Mini-Crash“ vom 7. April ist gerade einmal gut zwei Monate her. Da waren die Anleger in Panik geraten, weil es so aussah, als würde man im Weissen Haus komplett eskalieren, ohne Rücksicht auf irreparable Schäden in der Weltwirtschaft. Das Glück des bullischen Lagers war, dass man es an eben diesem 7. April übertrieb. Zu viele Akteure warfen zu viele Positionen unlimitiert in einen Markt ohne Kauforders hinein. Das bot die Basis, um in einen Ausverkauf hinein Short-Positionen mit gewaltigem Gewinn einzudecken. Das zog den DAX umgehend wieder nach oben … und mit diesem Schwenk wurde … obgleich er vor allem auf Schnäppchenjägern und Leerverkäufe eindeckende Bären basierte … eine Hoffnungs-Rallye geboren.

Blaupause 2020 … aber inklusive der Risiken

So läuft es ja nicht zum ersten Mal, man muss sich nur an den März 2020 erinnern. Auch damals wuchs die Hoffnung, das alles werde sich schon bald wieder einrenken, je weiter die Kurse stiegen. Die Fakten spielten nur eine Nebenrolle, entscheidend wurde der Anstieg der Kurse an sich, an ihm hielten sich die Käufer fest. Und selbst, wem das klar war, kümmerte es eher wenig, dass der Kursanstieg nur die Hoffnung reflektiere und mitnichten ein Beleg dafür war, dass man das richtige tut. Hauptsache rauf.

Aber wenn wir uns den DAX in dieser Phase im Jahr 2020 ansehen, erkennen wir auch, dass diese Hoffnungskäufe im Sommer versickerten und dann, im Oktober, der nächste Abwärtsschwenk auftauchte, der alles andere als harmlos war. Es ist möglich, dass wir uns gerade an einem ähnlichen Punkt wiederfinden, denn:

Börse aktuell: Entwicklung DAX im Jahr 2020 - DAX knapp gerettet | marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX im Jahr 2020 – DAX knapp gerettet | marketmaker pp4

Hoffnung wird von vielen in Käufe umgesetzt, aber wie eingangs erwähnt darf die nicht allzu sehr unterminiert werden. Sie braucht im Gegenteil regelmässig „Futter“, das die Käufer bei der Stange hält und sie weiterkaufen lässt, statt auszusteigen. Damals, im Oktober 2020, konnte die Nachrichtenlage einfach nicht mehr „liefern“. Man ging in neue Lockdowns, die Probleme der Weltwirtschaft wurden immer deutlicher sichtbar und insbesondere in China als wichtigem Wachstumstreiber sah es düster aus. Die Folge:

Mit zunehmender Unruhe nahmen auch die Verkäufe zu. Und der harte Aufprall wurde nur deswegen vermieden, weil neue Argumente, um zu hoffen, gerade noch rechtzeitig und zeitlich ganz nahe beieinander zur Stelle waren: Zum einen war das die Meldung, dass Impfstoffe fertig und in Kürze einsatzbereit sind, zum anderen die Abwahl von Donald Trump, beides Anfang November 2020. Und heute?

Es würde langsam Zeit für positive Fakten …

Heute setzt man seit zwei Monaten darauf, dass sich der Handelskrieg schnell erledigt und die Weltwirtschaft ohne grössere Verwerfungen durch überhöhte Zölle und ohne die Rückkehr der Inflation wieder in alte Bahnen zurückkehrt. Das ähnelt also dieser Wette auf ein „alles wird gut“ von 2020 durchaus.

Doch was man dahingehend an „Nahrung“ erhielt, waren grosse Worte und ein „bald, bald“, keine echten, tragfähigen Lösungen. Was am Mittwoch als grosser Fortschritt in Bezug auf die USA/China-Verhandlungen gepriesen wurde, stellte sich jetzt als viel heisse Luft heraus. Wenngleich nichts offiziell schriftlich veröffentlicht werden soll, so weiss man doch immerhin, dass sich die im Mai in der Schweiz angesetzten Zollsätze nicht verändert haben, die chinesischen Lieferungen für Seltene Erden auf sechs Monate befristet sind und die US-Restriktionen im Halbleitersektor bleiben.

Was man indes neu auf den Tisch bekam, waren Drohungen. Dass der US-Präsident ankündigte, den aus seiner Sicht nicht ausreichend bemühten Ländern in Kürze einfach eine Vorgabe zuzusenden, die man dann entweder zu akzeptieren hat oder hohe Zölle hinnehmen muss, ist kein gutes Signal. Dass die Stahl- und Aluminium-Zölle verdoppelt wurden, auch nicht. Und dass Donald Trump jetzt auch über eine erneute Anhebung der Auto-Zölle nachdenkt, ebenso wenig.

Das unterminiert das einzige, auf dem die DAX-Hausse aufgebaut ist: Die Hoffnung, der Spuk werde bald vorbei sein. Wenn man bedenkt, dass nicht gerade wenige Unternehmen bislang davon ausgingen, dass dieses Thema im zweiten Halbjahr vom Tisch kommt und einer wieder anziehenden Nachfrage weicht, ist das Risiko nicht zu unterschätzen, dass in den kommenden Monaten so manche 2025er-Prognose nach unten korrigiert wird.

Börse aktuell: Entwicklung DAX im Jahr 2025 | marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX im Jahr 2025 | marketmaker pp4

Dass seit der initialen Rallye nach dem Kurseinbruch bislang weniger Zeit vergangen ist als 2020, bevor es da zu einem erneuten Verkaufsimpuls kam, ist da kein taugliches Argument, um sicher zu sein, dass es wenn, dann nicht vor Herbst eng würde. Denn es kommt immer darauf an, wie sich die Nachrichtenlage entwickelt. Damals wurde es über die Monate nicht schlimmer als Ende März, als man einen „Worst Case“ eingepreist hatte. Heute könnte das anders aussehen.

… stattdessen wird es schlimmer

Eine solche Hoffnungs-Rallye nimmt vorweg, dass alles wieder ins Lot kommt, idealerweise sogar besser wird als zuvor. Was vor allem im aktuellen Fall beim DAX auch so kommen muss, denn er hat ja nach dem „Zoll-Crash“ von Anfang April mittlerweile bereits neue Rekorde markiert. Aber wird es das?

Bis jetzt ist völlig offen, ob die Handelsbeziehungen mit dem so wichtigen Export-Partner USA in Zukunft für deutsche Unternehmen positiv sein werden. Es ist offen, wie sehr der durch neue Regelungen entstehende Druck auf andere Handelspartner die deutsche Wirtschaft schwächt. Es ist ebenso unklar, wie sehr der anstehende, neue Schuldenberg Deutschlands die DAX-Unternehmen befeuert, vorweggenommen hat man da schon ideale Entwicklungen für mehrere Jahre. Und jetzt kommt auch noch der Krisenherd Nahost in den Fokus, den man ja weder vor noch nach Trumps „Zoll-Hammer“ einkalkuliert hatte.

Börse aktuell: Entwicklng Ölpreis von 2019 bis 2025 | marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Ölpreis von 2019 bis 2025 | marketmaker pp4

Niemand kann abschätzen, wie weit die Kampfhandlungen zwischen Israel und dem Iran eskalieren, ob der Welthandel z.B. in Bezug auf die Ölversorgung und die Transportwege bzgl. der Strasse von Hormus betroffen sein wird (Stand Samstagabend). Aber der Ölpreis ist am Freitag schon einmal markant gestiegen, hat eine wichtige Widerstandszone wieder überboten und befördert damit nicht nur das Thema Geopolitik, sondern auch das Thema Inflation wieder in den Fokus. Momentan bekommt die Hoffnung also keine Nahrung, sondern Tritte in die Kniekehle.

Aber auch das bringt eine Hoffnungs-Hausse nicht automatisch zu Fall. Dazu muss das passieren, was wir 2020 genauso wie 2025 erlebt haben … und zwar in der Phase vor den beiden grossen Verkaufswellen.

Jetzt kommt es darauf an, ob der Schneeball ins Rollen kommt oder nicht

Wenn man in einer auf Hoffnungen und letztlich auch auf Leichtsinn aufgebauten Hausse neben der Realität unterwegs ist, hat man als einzige Orientierung in Bezug auf die Frage, ob man weiter kaufen, stillhalten oder aussteigen soll, das Verhalten der Kurse selbst, sprich das der anderen Marktteilnehmer. Das heisst, jeder lauert darauf, was die anderen tun. Erst, wenn die ersten aussteigen und so den Anfang machen, kann das gleiche passieren wie im März/April oder, um wieder die Blaupause zu nehmen, im Februar 2020.

Vergessen wir nicht, dass damals schon Ende Januar erkennbar war, dass da etwas immens Übles auf die Weltwirtschaft zukommt. Trotzdem hatte, damals auf Basis der Erwartung, dass der Handelsdeal Trumps mit China wieder richtig Wachstum für alle bringen werde, erst einmal niemand verkaufen wollen. Erst, als die ersten erkannten, dass da etwas äusserst Grosses auf sie zukommt und sich die Schliessung von Produktion und Einzelhandel abzeichnete, begann die Lawine.

Börse aktuell: Entwicklung DAX von Januar bis März - DAX knapp gerettet | marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX von Januar bis März – DAX knapp gerettet | marketmaker pp4

Viele hatten zwar gehofft und daraufhin gekauft, dass es schon nicht so schlimm werden würde. Aber auch sie hatten durchaus im Hinterkopf, dass man das besser einkalkulieren sollte. Die Hoffnung platzte damals, als aus den Risiken Fakten wurden und aus dem gegenseitigen Belauern der Trader ein klarer Abwärtsimpuls. Die ersten steigen aus, es kamen weitere hinzu, das „Wegkaufen“ der Risiken im Chartbild blieb diesmal aus … und aus dem ersten Schneeball der Verkäufe wurde, mangels derer, die bereit waren, ihn aufzufangen, am Ende eine Lawine. Und im Endeffekt wäre es dann später im Jahr, im Oktober, erneut so gelaufen, wären da nicht im letzten Moment die nötigen „Good News“ gekommen.

Dass es diesmal anders kommt, ist möglich. Aber realistisch betrachtet deutet nichts darauf hin, dass eintritt, worauf so viele setzen, nämlich dass diese aggressive US-Wirtschaftspolitik bald wieder in normale Bahnen zurückkehrt, die auch der europäischen Wirtschaft insgesamt und der deutschen im Besonderen Rückenwind liefert. Hinzu kommt das Thema Geopolitik mit der Erkenntnis, dass der US-Präsident, der ja immer wieder betonte, mit ihm im Amt hätte der Ukraine-Krieg gar nicht erst begonnen, nicht nur in Bezug auf seine Wirtschaftspolitik brisante Schwächen zu haben scheint. Was für die Börsen aktuell kaum weniger gefährlich ist wie der Nahostkonflikt.

Achten Sie daher beim DAX auf Linien, die aus der in den letzten Tagen unübersehbar zunehmenden Nervosität den Schneeball machen, aus dem wiederum eine Lawine werden könnte (ein „Muss“ kann es dabei natürlich nie geben). Derzeit ist es nicht, wie 2020, die 200-Tage-Linie. Die wäre ein „natürlicher“ Trigger für einen grösseren Abwärtsimpuls, ist aber, wie wir im Chart der aktuellen Lage des DAX sehen, noch meilenweit entfernt.

Börse aktuell: Entwicklung DAX im Jahr 2025 - Supportbereich könnte Schnellball werden | marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung DAX im Jahr 2025 – Supportbereich könnte Schnellball werden | marketmaker pp4 | Online Broker LYNX

Hier hätte momentan die Unterstützungszone 23.275 zu 23.476 Punkte das Zeug, im Fall ihres Bruchs der Schneeball zu werden, der die Basis einer Lawine wird. Wie gesagt: Ob diese Zone fällt, ob das auf emotionaler Ebene zu Angst und ob das wiederum zu mehr Abgabedruck führt, ist nie sicher vorhersehbar. Aber im Licht eines zusehends kritischer wirkenden Gesamtbilds, in dem diejenigen, die Lösungen liefern wollten, eher neue Probleme erzeugen, sollte man jetzt lieber nicht ausschliessen, dass die kurstreibende Hoffnung, die den DAX so hoch getragen hat, gerade verhungert.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!
Ihr
Ronald Gehrt

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Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

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Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
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Die vergangene Handelswoche war gespickt mit ernüchternden Daten und Ereignissen. Trotzdem legten die Aktienmärkte in Europa und den USA weiter zu. Dabei klemmt es in allen vier entscheidenden Bereichen, die eine Hausse normalerweise begleiten müssten. Das bullische Lager lebt von einem einzigen Joker, der sie im Spiel hält. Aber diese Karte ist ebenso mächtig wie riskant.

Das war mehrheitlich nicht gerade toll, was letzte Woche so alles über die Nachrichtenticker lief. In Sachen Zölle tat sich nichts, ein Telefonat des US-Präsidenten mit dem Xi Jinping brachte wenig – ausser dass China den US-Autobauern jetzt befristet wieder Zugang zu seltenen Erden ermöglicht. Anderen Branchen aber scheinbar nicht. Ein Telefonat Trumps mit Putin brachte keinen Fortschritt. Die Quartalsbilanz von Broadcom als wichtigem KI- und Halbleiterunternehmen sorgte für Abgaben bei der Aktie. Die Einkaufsmanagerindizes deuteten keine Belebung des Wachstums an. Hierzulande kamen enttäuschende Daten zu Industrieproduktion und Exporten im April. In den USA fielen die Arbeitsmarktdaten bestenfalls gemischt aus, denn leicht über den Prognosen liegende neue Arbeitsplätze standen einer grossen Abwärtskorrektur der neuen Jobs für März und April gegenüber, ausserdem stieg der durchschnittliche Stundenlohn stärker als erwartet.

Und dann, als Krönung einer eher miesen Woche, entzweiten sich Trump und Musk, wobei Tempo und Dimension der Eskalation des Streits wirtschaftliche, aber vor allem politische Folgen haben können. Aber die Aktienindizes, ob DAX oder Euro Stoxx 50, ob Dow Jones oder Nasdaq 100, legten trotzdem zu. Das wirkt, als würden sie sich in einer andren Welt bewegen. Und so ist es auch.

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 von Mai bis Juni - Negatives wird weggekauft | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Nasdaq 100 von Mai bis Juni – Negatives wird weggekauft | Quelle: marketmaker pp4

Der typische Weg vom vorsichtigen Versuch bis zum permanenten Anspruch

Vor 60, 70 Jahren war es etwas ganz Besonderes, im Ausland seinen Urlaub zu verbringen. Und wenn, dann war es Österreich oder Italien mit dem Käfer, nicht die Malediven mit dem Flieger. Doch aus dem Besondern wurde schnell etwas Normales. Immer mehr machten immer weitere und teurere Reisen. So wurde das über die Jahre hinweg zur Gewohnheit und heute für viele zu einem „Anspruch“.

Dieser Weg von einem ersten, noch vorsichtigen Test über die durch positive Eindrücke beförderte Gewöhnung hin zum Anspruch sehen wir auch an den Aktienmärkten.  Je länger es gutgeht, desto mehr Anleger hoffen nicht auf Gewinne, sie erwarten sie. Viele haben eine echte Baisse nie erlebt. Und selbst wenn man darüber lesen, sprich sich das eigentlich unabdingbare Grundwissen eines Anlegers aneignen würde: Wenn man solche Phasen nicht selbst miterlebt hat, ist der Lern- und Warneffekt eher gering, das Hier und Heute wiegt schwerer. Und sie sehen es im Chart des S&P 500 über die letzten 40 Jahre:

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 von 1985 bis 2025 - Die Hausse als Anspruch und Normalität | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 von 1985 bis 2025 – Die Hausse als Anspruch und Normalität | Quelle: marketmaker pp4

2022 war zwar ein schwaches Jahr, aber es dauerte nicht lange, bis die Verluste aufgeholt waren. Die letzte Baisse, bei der es Jahre dauerte, bis man die alten Hochs überbot, reicht ins Jahr 2008 zurück. Lange genug her, um aus dem Bewusstsein zu rutschen oder dort gar nicht erst aufzutauchen. Heute sind steigende Kurse für viele keine erfreuliche Entwicklung in einem unsicheren Umfeld, sondern eine Selbstverständlichkeit.

Dabei führen fehlende Erfahrung, fehlendes Fachwissen und der mit Gewöhnung und Anspruch einhergehende Leichtsinn dazu, dass sehr vielen vermutlich nicht bewusst ist, dass sie hier gerade ein äusserst riskantes Spiel spielen, weil ihnen die vier Trümpfe, von denen man mindestens zwei oder drei für eine umfassende und ggf. risikoreichere, gehebelte Positionierung am Aktienmarkt in Händen halten sollte, allesamt fehlen.

Grand Hand ohne vier: Den Bullen fehlen derzeit alle Trümpfe

Es ist wie beim Skat. Ein „Grand“, bei dem nur die vier Buben als Trumpf fungieren, bringt, wenn man ihn gewinnt, mehr Punkte ein. Lässt man die zwei Karten, mit denen man Alternativen ins Spiel bringen könnte, liegen, bringt es noch mehr. Und hat man von den vier Trümpfen keinen einzigen selbst, wird ein Sieg umso mehr vergoldet. Das ist dann ein „Grand Hand ohne vier“ … ein grandioses Spiel, wenn man gewinnt. Fatal, wenn man es verliert. Und um so etwas zu gewinnen, sollte man als Spieler wirklich etwas draufhaben. Was sind diese vier „Trümpfe“, sprich die vier Faktoren, die man auf seiner Seite haben sollte, wenn man bullisch agiert?

1. Ein verlässliches, stabiles Umfeld. Politisch wie geopolitisch, in Bezug auf Investitionsanreize, Besteuerung und rechtliche Grundlagen. In einem solchen Umfeld kann die Wirtschaft prosperieren, was die Abwärtsrisiken für Investoren, insbesondere am Aktienmarkt, überschaubar hält. Haben wir das? Seit Donald Trumps Amtsantritt nicht mehr, Stichworte Zölle, Steuerpaket und Sozialpolitik.

2. Ein Aktienmarkt, der durch hohe Dividendenrenditen besticht, während die Alternative am Anleihemarkt nur mickrige Zinsen abwirft und Gold kein Kapital an- und damit vom Aktienmarkt abzieht. Auch da sitzen die Bullen am Aktienmarkt, vor allem an den US-Märkten, derzeit „blank“ da.

Börse aktuell: Rendite US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit und Dividendenrendite Dow Jones-Aktien von 2021 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Rendite US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit und Dividendenrendite Dow Jones-Aktien von 2021 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

3. Eine positive Verbraucherstimmung. Eine Hausse am Aktienmarkt kann nur stabil sein, wenn nicht nur die Anleger, sondern alle einigermassen optimistisch sind. Nur dann würde durch ansteigenden Konsum Wachstum entstehen, das steigende Kurse am Aktienmarkt durch sukzessiv steigende Unternehmensgewinne unterfüttert. Doch ob hierzulande oder in den USA (siehe der folgende Chart):

Die Verbraucher sind skeptisch bis negativ gestimmt. Dass es im Mai mit dem einen Verbrauchervertrauens-Index der USA (der des Conference Board, hier im Bild) wieder aufwärts ging, ist noch nicht wegweisend. Erstens, weil wir solche Schwankungen in kritischen Phasen meistens sehen, siehe 2020 während Corona. Zweitens, weil der andere Index, der von der Uni Michigan ermittelt wird, nicht nennenswert stieg. Drittens, weil dort ebenso wie beim Verbrauchervertrauen des Conference Board eine ungewöhnlich hohe Inflationserwartung gemessen wurde. Wer sich auskennt ahnt, dass die zwar zum Vorquartal im Saldo niedrigeren, aber noch einigermassen robusten US-Unternehmensgewinne im ersten Quartal durch Vorkäufe wegen der Zölle und aus Sorge vor steigenden Preisen zustande kamen.

Börse aktuell: Entwicklung US-Verbrauchervertrauen und Entwicklung Dow Jones von 2001 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung US-Verbrauchervertrauen und Entwicklung Dow Jones von 2001 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Und schliesslich 4. Ein marktbreiter Anstieg, der indiziert, dass nicht nur ein paar wenige US-Unternehmen die Hausse stützen, sondern die Breite des Aktienmarkts, weil die Wirtschaft in ihrer Gesamtheit gut dasteht. Für Aktienindizes auf Rekordjagd ist das aber zu wenig, was wir derzeit da sehen. Am deutschen Aktienmarkt notieren derzeit 64 Prozent der Aktien über ihrer 200-Tage-Linie, das ist nicht unbedingt gut, aber auch noch nicht dramatisch wenig. Aber an der US-Börse sind es gerade einmal 51 Prozent, während S&P 500 und Nasdaq 100 bereits in Reichweite der bisherigen Rekorde notieren! Hier fehlt die nötige Marktbreite, was wir auch daran sehen, dass die Zahl neuer 52-Wochen-Hochs an der New York Stock Exchange mit ihren über 2.000 Aktien zum Ende der Vorwoche auffallend niedrig lag. Viel zu wenige Unternehmen tragen die Aufwärtsbewegung.

Börse aktuell: Entwicklung NYSE Composite Index und Anzahl neuer 52-Wochen-Hochs an der NYSE von 2017 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung NYSE Composite Index und Anzahl neuer 52-Wochen-Hochs an der NYSE von 2017 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Der Joker sticht … aber er gehört eigentlich nicht zum Spiel

Aber wenn die Bullen an der Börse aktuell „ohne vier“ spielen, warum geht das dann nicht schief? Am Ende wird es das, nur kann niemand genau abschätzen, wann dieses „am Ende“ sein wird … und bis zu diesem „Tag X“ wird es weiter gutgehen, weil die Bullen ihren Joker in Händen halten: die eigene Unwissenheit

Die führt dazu, dass viele gar nicht ahnen, dass stetes Weiterkaufen mit steigenden, nicht gerade kleinen Risiken verbunden ist. Sie kennen die Regeln des Spiels ja gar nicht und spielen, wie kleine Kinder Skat spielen würden: Indem sie einfach irgendwelche Karten auf den Tisch werfen und schauen, was da dann wohl passiert. Aber warum ziehen ihre Gegenspieler ihnen dann nicht einfach den Teppich unter den Füssen weg?

Weil dieses Spiel nur dann Gegner hat, wenn die anderen Mitspieler Gegner sein wollen. Und solange es nicht zu brenzlig wird darf man sich fragen, warum sie das denn wollen sollten. Schliesslich verdient die Finanzbranche an stetig zufliessendem Sparergeld und an steigenden Kursen. Und auch die grossen Hedgefonds, die der Hausse jederzeit den Saft abdrehen könnten, bekommen ihren Mittelzufluss von meist ganz normalen Anlegern, die möchten, dass es einfach schön nach oben geht.

Der „Tag X“ wird also vermutlich erst dann kommen, wenn grosse Adressen, die flexibel agieren können, den Eindruck bekommen, dass jetzt etwas massiv abrennt. Dass sich eine Entwicklung abzeichnet, in der die Sparer sowieso nicht mehr so viel Geld wie zuvor an die Börse tragen werden und eine Abwärtsbewegung so sehr von negativen Faktoren im Bereich der Nachrichten begleitet wird, dass Gier, Ignoranz und Hoffnung nicht mehr so schnell und stark zurückkehren werden, um die Kurse sofort wieder nach oben zu ziehen, wie das im April der Fall war.

Man muss gar nicht erst versuchen zu orakeln, was das auslösen könnte und wann. Aber wenn man sich überlegt, dass aktuell am Aktienmarkt eine Belebung im zweiten Halbjahr eingepreist wurde, massgeblich befördert durch ein Ende der Zoll-Streitigkeiten … und bislang nichts dafür spricht … dass die Verbraucher weiterhin zurückhaltend agieren, China konsequent Gegenwehr leistet und das Zerwürfnis Trump/Musk noch für viele brisante Schlagzielen sorgen dürfte, bliebe als Fazit:  

Dieser „Joker“ ist eine wacklige Sache. Denn er besteht daraus, dass zu viele Anleger nicht wirklich wissen, was sie tun und daher die Risiken nicht sehen. Ob 1929, 2000 oder 2008: Solche Phasen enden normalerweise irgendwann dadurch, dass diese Karte aus dem Spiel fliegt, in das sie eigentlich auch nicht gehört, denn „keine Ahnung“ ist nun einmal keine reguläre Trumpfkarte. Da dann zu viele die eigentlichen Spielregeln nicht kennen, sprich ihnen das Börsenwissen abgeht, endet so etwas immer unschön. Und da wird vorher nicht zum Ausstieg geklingelt, daher:

Long ist weiterhin die trendkonforme und damit grundsätzlich richtige Richtung. Aber agieren Sie unbedingt umso vorsichtiger, je leichtsinniger die anderen werden!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.