Ausgewählte Trader beantworten unseren standardisierten Fragebogen. Die Vergleichbarkeit der Fragen und die Unterschiedlichkeit oder eben die Ähnlichkeit der Antworten zeichnen dieses Interviewkonzept aus. Heute antwortet uns der Berufstrader und Coach von optionsuniversum.de Christian Schwarzkopf.

interview-christian-schwarzkopf-lynxGuten Tag Herr Schwarzkopf, die LYNX Broker-Redaktion freut sich sehr, dass Sie sich Zeit für ein Interview mit uns nehmen. Vielleicht können Sie sich uns zu Beginn ein wenig vorstellen und uns erzählen wann und wie Sie auf die Börse gekommen sind?

Ja, gerne. Ich habe nach dem Abitur eine Banklehre begonnen und nach einem halben Jahr in der Buchhaltung kam ich endlich zu den „coolen Leuten“ in der Effektenabteilung, wie das damals bei uns hiess. Ich war von Anfang fasziniert von der Börse und natürlich von der Möglichkeit, schnell reich zu werden. Meine erste Aktie, die ich gekauft habe, war die Aktie der Berliner Bank. Ich habe tatsächlich auch ein paar D-Mark damit verdient und bildete mir ein, ein schlauer Börsianer zu sein. Das war im Jahr 1987.

Jeder erfolgreiche Trader oder Anleger hat zu Beginn seiner Laufbahn als „Lehrgeld“ mindestens ein, wenn nicht gar mehrere Konten „platt“ gemacht, so hört man immer wieder. Können Sie auch auf schmerzhafte Niederlagen zurückblicken und was haben Sie daraus gelernt?

Schon kurze Zeit nach meinem erfolgreichen Börsendebüt trat dann ein Ereignis ein, das ich überhaupt nicht „auf dem Schirm“ hatte, der Börsencrash vom Oktober 1987. Klar wusste ich, dass es 1929 einmal einen Börsencrash gegeben hatte, aber das war ja 60 Jahre her und heutzutage nicht mehr möglich. So naiv war ich damals. Und so sass ich fassungslos vor dem Fernseher und musste zusehen, wie mein mühsam zusammengespartes Geld sich in Luft auflöste. Ich hatte zu dieser Zeit gerade damit begonnen, mein Investment zu hebeln, indem ich die neu in Mode gekommenen Optionsscheine gekauft hatte und musste nahezu einen Totalverlust meines Kapitals hinnehmen. Im Nachhinein kann ich über diese frühe Erfahrung sehr glücklich sein, war das verlorene Geld doch absolut gesehen nicht wirklich viel. Schmerzhaft war es damals trotzdem, denn, wenn man kaum etwas hat und das Wenige dann verliert, macht das keinen Spass…

Gab es ausser Verlusten noch andere Schwierigkeiten (z.B. psychologisch, zu wenig Startkapital…) die Sie schliesslich meistern konnten?

Ja, das mit dem Startkapital war am Anfang immer ein Problem. Meine Ausbildungsvergütung betrug damals etwa 800 D-Mark. Davon musste ich Miete bezahlen und meinen Lebensunterhalt bestreiten. Sie können sich vorstellen, dass da nicht wirklich viel übrig geblieben ist, um das Tradingkonto zu füllen.

Was glauben Sie, warum sind Sie als Trader erfolgreich in diesem Geschäft geworden und haben letztendlich den Durchbruch geschafft, während viele andere letztlich scheitern?

Weil ich nach einiger Zeit begriffen habe, dass ich auf Dauer nur gewinnen kann, wenn ich eine Tradingstrategie finde, die mir einen Edge, also einen Vorteil, bietet. Diese Erkenntnis hat sich im Laufe der Jahre ausgebildet. Aber viel länger hat es gedauert, bis ich diese Strategie tatsächlich gefunden habe. Seit diesem Zeitpunkt jedoch ist mein Trading profitabel geworden.

Haben Ihnen Vorbilder oder Mentoren geholfen ihren Weg zu finden?

Ich hatte das grosse Glück, dass ich nach meinem Studium in der Treasury-Abteilung, also der Abteilung, die die Eigenanlagen der Bank verwaltet, arbeiten durfte und von meinen damaligen Kollegen habe ich sehr viel über die Börse und die Märkte gelernt, auch über Optionen, meinem heutigen Hauptbetätigungsfeld. Ich erinnerte mich dann an einen missglückten Trade mit Optionsscheinen aus meiner Anfangszeit. Ich hatte damals einen Kauf- und Verkaufsoptionsschein zugleich gekauft (bei Optionen würde man von einem long Straddle sprechen) und hatte mich gewundert, warum ich am Ende bei diesem „todsicheren“ Geschäft nahezu meinen kompletten Einsatz verloren hatte. Das hat mich auf die Idee gebracht, einfach mal die Seiten zu wechseln und mir das ganze aus Sicht des Stillhalters anzugucken. Ich habe damals wenig zu diesem Thema gefunden, aber das Buch „The Complete Guide to Option Selling“ von James Cordier, das gerade in der 1. Auflage erschienen war, hat zu einem echten „Aha-Erlebnis“ geführt und seitdem hat mich das Thema „Stillhalten“ nicht mehr losgelassen.

Mit welchem bekannten Trader oder Investmentlegende würden Sie denn gerne einmal einen Kaffee trinken?

Mit Joe Ross. Und vor allem über die alten Zeiten plaudern, die ich selbst ja nicht mehr miterlebt habe, also über die Zeit, wo es noch kein Internet und keine elektronischen Börsen gab. Ich finde das sehr faszinierend und würde gerne aus erster Hand mehr darüber erfahren.

Wie sieht Ihr Tagesablauf aus, halten Sie sich strikt an einen speziellen Tradingplan oder führen ein Trading-Tagebuch?

Ich habe keine feste Routine, die ich abspule. Da ich ausschliesslich an den amerikanischen Börsen handele, beginnt die heisse Phase erst, wenn bei uns Nachmittag ist. Natürlich gucke ich vorher schon mal auf den Bildschirm, was die amerikanischen Futures machen und wie die europäischen Börsen performen. Alle meine Strategien folgen einem festgelegten Tradingplan, so dass ich genau weiss, wann ich was machen muss. Die meisten Tage sind ziemlich ereignislos, weil ich nur Strategien handele, die mich nicht zu intraday-Aktionen zwingen, sondern nur einmal am Tag zu kontrollieren sind und dann gegebenenfalls adjustiert werden. Ein Trading-Tagebuch führe ich, da trage ich jedoch nur die Ergebnisse meiner einzelnen Trades ein, um später auswerten zu können, welche Strategie wie performt hat.

Das soziale Umfeld von Arbeitskollegen oder Kunden fehlt bei den meisten Berufs-Tradern. Viele sind deshalb auch in sozialen Netzwerken unterwegs um sich mit Trader-Kollegen auszutauschen. Sehen Sie sich als beruflichen „Lonely Wolf“ bzw. wie gehen Sie mit diesem Thema um?

Nun, ich war schon immer jemand, der gerne alleine arbeitet. Meine Erfahrung ist, dass Teamwork in der Praxis selten funktioniert, weil am Ende doch immer die gleichen Leute die Arbeit machen und viel Zeit mit überflüssigen Meetings verplempert wird, weil es einfach zu viele Schwätzer gibt, die gerne und viel reden, aber wenig machen. Deshalb komme ich mit der Situation des „Lonely Wolf“ sehr gut zurecht und ganz so einsam bin ich ja auch nicht – durch meine Coachingtätigkeit bei Optionsuniversum und dann habe ich auch befreundete Trader, mit denen ich mich fast täglich austausche.

Was bedeute Ihnen Trading bzw. eigenständiges Anlegen und was ist für Sie das schönste daran?

Das schönste daran ist, dass ich alleine für meinen Tradingerfolg verantwortlich bin. Ich kann und will es nicht auf andere schieben, wenn der Erfolg ausbleibt. In einem Angestelltenjob gibt es immer Vorgesetze, Vorschriften und Konventionen, die einen nicht das machen lassen, was man möchte und von dem man glaubt, dass es gut für die Firma wäre. Da ist es leicht zu sagen, dass der Erfolg ausbleibt, weil man ja nicht so darf wie man möchte. Dass das beim Trading nicht geht, mag für manche unangenehm sein, weil sie es gewohnt sind, die Schuld für eigenes Versagen anderen in die Schuhe zu schieben. Für mich ist das aber extrem motivierend.

Was würden Sie denn beruflich machen, wenn das mit dem Trading nicht geklappt hätte?

Ich würde vermutlich ein skalierbares Produkt über’s Internet verkaufen, vielleicht eine flexible Handyhalterung für’s Fahrrad oder Premium-Hundefutter, egal, Hauptsache, es gibt einen Bedarf und das Produkt ist skalierbar, damit ich möglichst wenig Aufwand habe, nachdem einmal die Infrastruktur steht.

Ist Ihnen mal ein aussergewöhnlicher Trade gelungen an den Sie gerne zurückdenken?

Ja, klar, so einen hat wahrscheinlich jeder Trader. Mir ist es einmal gelungen, einen Optionstrade in der Spitze des Expiration-Zeltes fällig werden zu lassen, also mit dem Maximalgewinn. Das ist ein extrem seltenes Ereignis, was auch nichts mit Trading-Können zu tun hatte, sondern schlicht mit Glück. An diesem Tag passte eigentlich alles und der Kurs machte immer genau das, was ich wollte, so dass ich nicht gezwungen war, früher einzugreifen und so konnte das überhaupt erst dazu kommen. Normalerweise bin aus den Trades viel früher wieder raus, weil zum Ende des Trades das Chance-/Risikoverhältnis sich beständig verschlechtert und ich deshalb den Trade beende.

Jeder Trader oder Anleger braucht einen individuell passenden Handels-Stil basierend auf Techniken, Märkten und Zeitrahmen. Wie sieht Ihr Stil aus, nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie Ihre Trades aus?

Ich habe eine Handvoll von Optionsstrategien, die ich Monat für Monat immer wieder aufsetze. Es handelt sich bei allen Strategien um Stillhalter-Trades, ich bin also (Netto-)Optionsverkäufer. Ich lasse den Zeitwertverfall für mich arbeiten und muss „nur“ das Risiko managen. Der Zeithorizont meiner Tradingstrategien ist zwischen 30 und 90 Tagen. Das Ganze ist ein sehr entspanntes Handeln, weil ich genau einmal pro Tag auf meine Trades gucke und entscheide, ob etwas gemacht werden muss. In der überwiegenden Anzahl der Handelstage muss ich nichts machen und kann einfach zuschauen, wie das Theta (der Zeitwertverfall der Optionen) mir Geld in die Kasse spült. Auch versuche ich nicht, die Marktentwicklung vorherzusagen, darin bin ich extrem schlecht. Ich kann mir bei meinen Trades den Luxus leisten, keine Marktmeinung zu haben – und das geniesse ich auch…

Welche Wünsche und Ziele haben Sie als Trader/Anleger und im privaten Bereich?

Im privaten Bereich würde ich gerne mal wieder eine Weltreise machen. Ich habe das mit meiner Frau vor ein paar Jahren mal gemacht und es war eine traumhafte Erfahrung, die ich nicht missen möchte. In letzter Zeit wächst bei uns der Wunsch, das mittelfristig nochmal zu wiederholen. Abgesehen davon wünsche ich mir, dass ich noch viele glückliche Jahrzehnte mit meiner Frau verbringen kann (das erste haben wir bereits geschafft) und dass niemand aus meinem engeren Umfeld ernsthaft krank wird.

Welche Hobbies begeistern Sie, d.h. wie verbringen Sie tradingfreie Tage am liebsten?

Am liebsten auf einer Reise in ein fernes Land. Leider ist durch den Angestelltenjob meiner Frau die Zeit limitiert, in der wir Reisen unternehmen können. Ansonsten mache ich viel Sport: Laufen, Radfahren und Schwimmen. Wenn man beispielsweise 150 km Rad fährt, ist der halbe Tag ja schon um und den restlichen Tag brauche ich dann zum Regenerieren.

Welche Tipps geben Sie unerfahreneren Kollegen oder Lesern mit auf den Weg?

Das wichtigste ist die Risikokontrolle bei allen Trades, die sie machen. Sie sollten genau wissen, wo die Risiken Ihrer Trades liegen und was passieren kann. Und rechnen Sie auch immer mit dem berühmten „schwarzen Schwan“. Es kann immer schlimmer kommen als man denkt. Und das sollte dann nicht dazu führen, dass das Konto ausgelöscht wird.

Und dann sollten Sie sich fragen, wo Ihr Edge liegt, also Ihr Vorteil gegenüber dem Markt. Wenn Sie beispielsweise ein Aktientrader sind, müssen Sie sich fragen, warum Sie eigentlich erwarten, mit der Aktie, die Sie gerade gekauft haben, zu gewinnen. Weil Sie schlauer sind als der Verkäufer der Aktie? Was wissen Sie mehr als derjenige, der Ihnen gerade die Aktie verkauft hat? Ich will nicht sagen, dass es unmöglich ist, auf Dauer als Aktienhändler erfolgreich zu sein, aber Sie brauchen einen Vorteil gegenüber dem Markt. Das kann z.B. ein Informationsvorteil sein, den Sie haben oder ein System, das die Marktentwicklung gut voraussagen kann. Seien Sie ehrlich zu sich selbst bei dieser Beurteilung und wenn Sie zu dem Ergebnis kommen, dass Sie keinen Edge haben, suchen Sie sich eine andere Tradingstrategie.

Und zum Schluss noch ein Rat: stellen Sie alles in Frage, was Ihnen (angeblich) erfolgreiche Trader, Mentoren und Coaches erzählen. Prüfen Sie selbst alles genau nach, denn leider tummeln sich in diesem Bereich viele Schaumschläger und denen blind zu folgen, kann unangenehme Folgen haben.

Herr Schwarzkopf, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

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