Börse aktuell

Hier erfahren Sie, was an der Börse aktuell geschieht. Unser Börsenexperte Ronald Gehrt beobachtet täglich das aktuelle Börsengeschehen und fasst die neuesten Börsendaten und Börsenberichte wöchentlich für Sie zusammen. Mit Börse aktuell bringen wir die wichtigsten Börsennachrichten auf den Punkt und kommentieren, was momentan an der Börse los ist.

Informationen zum / zu den auf dieser Seite genannten Produkt(en) finden Sie hier: PRIIPs / KIDs CME Futures

Börse: Aktuelle Nachrichten der Woche

Neues von der Börse: Unsere aktuellen Börsennachrichten informieren Sie jede Woche über die derzeitige Börsenentwicklung. Was beschäftigt die Börse? Was steht diese Woche an? Diktieren Bullen oder Bären die Märkte? Sollten Sie Ihre Investitionen erhöhen oder lieber Gewinne mitnehmen? Wir geben Ihnen die Antworten auf diese Fragen, wagen einen Ausblick auf die kommende Börsenwoche und bewerten anstehende Ereignisse, die Auswirkungen auf den Börsenverlauf haben könnten.


Börse aktuell vom 13.-19.10.2025

Silber, Gold, Platin & Palladium: An der Börse ein Fall für sich

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Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Wochenlang war es auffallend ruhig an den Börsen. Der Verdacht, dass das nur die Ruhe vor dem Sturm war, hat sich jetzt bestätigt. Mit einer schlagartig zunehmenden Volatilität gehen viele Blicke wieder in Richtung der Edelmetalle. In Richtung der Assets also, die gerne als „sichere Häfen“ bezeichnet werden. Aber das sind sie nicht … die Sache ist komplizierter und einfacher zugleich.

Es geht also wieder los. Die Nachrichtenlage hatte monatelang den Anschein erweckt, dass die Verhandlungen zwischen den USA und China zwar zäh laufen, aber auf gutem Wege sein würden. Jetzt aber leistet China gegenüber neuen US-Restriktionen Gegenwehr. Da Mr. Trump Widerspruch oder Gegenwehr nicht akzeptiert, eskalierte er am Freitagabend mal wieder. Was indes China sicher nicht in die Knie zwingen wird. Man lässt sich dieses Vorgehen der USA nicht bieten – das sollte man in Washington mittlerweile verstanden haben, hat es aber offenbar nicht. Das kann zu einer extrem kritischen Lage führen:

Seltene Erden, die nicht geliefert werden. Waren, die ausbleiben. Arbeiter, die auf der Strasse stehen. Und das in den USA, in China und, als Folgeschäden dieser Situation, auch im Rest der Welt. Die zuletzt so fröhlich ignoranten Aktienmärkte beginnen zu wackeln … und der Blick von immer mehr Anlegern wandert dorthin, wo man vermeintliche Sicherheit zu finden glaubt: zu den Edelmetallen. Aber wieso „vermeintliche Sicherheit“?

An der Börse kann es keine „sicheren Häfen“ geben

Weil Edelmetalle genauso wenig ein „sicherer Hafen“ sind wie alles andere, was an der Börse von jedermann gehandelt werden kann. Sicherheit für das Ersparte, das wäre dann gegeben, wenn man es irgendwo hin packt, wo es unter keinen Umständen weniger werden kann. Und das gilt nur für das Konto (es sei denn, die Bank geht pleite und man hatte mehr, als offiziell abgesichert ist) oder für die Truhe, die man im Garten vergraben hat (es sei denn, es buddelt sie jemand aus und macht sich damit davon). Gold, Silber, Platin und Palladium hingegen mögen als Metalle „edel“ sein, aber sie sind als Anlage deswegen noch lange nicht „sicher“. Und zwar weil sie frei gehandelt werden. Als Leitlinie kann und darf da gelten: Absolut alles, was einen lockt, weil man darauf hofft, dass es mehr wert wird, kann eben auch weniger wert werden, wenn es dumm läuft.

Gerade läuft es für die Edelmetalle nicht schlecht, keine Frage. Und das gilt für alle vier Metalle, die man zu dieser Kategorie zählt. Wenn wir uns mal ansehen, wie sich die vier klassischen Edelmetalle in US-Dollar gerechnet seit Jahresbeginn so geschlagen haben, dürfte mancher erstaunt sein: Trotz dieser so symbolträchtigen 4.000 US-Dollar-Marke, die Gold jetzt erklommen hat, ist das „gelbe Metall“ im Kreis seiner Edel-Kollegen derzeit die lahme Ente.

Börse aktuell: Entwicklung Gold, Silber, Platin und Palladium im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Gold, Silber, Platin und Palladium im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Aber das bedeutet nicht, dass diese vier Edelmetalle einfach weiter steigen werden. Das kann so sein. Aber es muss eben nie. Daher ist „kaufen und liegen lassen“ auch hier nicht die beste, sondern je nach Einstiegszeitpunkt sogar die riskanteste Strategie. Was spräche derzeit dafür, dass diese Hausse weitergeht … und was sind die Risikofaktoren und warum? Zunächst das „pro“:

Anders als bei anderen Assets gilt hier: Das Boot ist nie zu voll

Die Rahmenbedingungen werden immer kritischer. Wenn die grossen Militärmächte miteinander im Clinch liegen, steigen die Risiken, auch für die Weltwirtschaft. Und die US-Zollpolitik könnte dabei, so, wie die Sache jetzt wieder aus der Spur läuft, zur „Abrissbirne“ des Wachstums werden. Zugleich wissen viele Anleger durchaus, dass die grossen Indizes insgesamt ungewöhnlich teuer bewertet sind … und das in einem ungewöhnlich riskanten Umfeld. Was fehlt, ist eine Initialzündung, die den Exodus derer lostritt, die beunruhigt sind, aber noch dabeibleiben, bis sie sehen, dass andere in grösserem Umfang verkaufen. Diese 100 Prozent „Extrazoll“ gegen China, die Mr. Trump am Freitag ab 1. November angeordnet hat, könnten die Lawine lostreten, sie müssen es aber nicht. Man weiss so etwas nie vorher, schliesslich geht es da um emotionale Entscheidungen zahlloser Anleger weltweit. So etwas kann man nicht in Schemata pressen.

Aber wenn das grosse Verkaufen losgeht, wären neben Anleihen und defensiven Aktien die Edelmetalle ein natürliches Ziel. Auch diesmal, obwohl sie bereits so stark gelaufen sind?

Börse aktuell: Entwicklung Silber von 1975 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Silber von 1975 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Grundsätzlich auch dann. Denn die Edelmetalle haben zwar nicht nur immateriellen Wert, sondern werden auch industriell und für die Schmuckindustrie benötigt. Aber vor allem haben sie diesen immateriellen Status: Wer sie hat, hat ein wenig mehr Sicherheit. Dabei geht es vor allem um das „Haben“ und weniger um den Preis.

Und sie sind grundsätzlich nie als „zu billig“ und „zu teuer“ einzuordnen, wie das bei Aktien, Anleihen oder Indizes möglich ist, bei denen Zinsrendite, Dividendenrendite, Unternehmensgewinne und potenzielles Wachstum eine solche Bewertung ermöglichen. Was bedeutet:

Da ein Edelmetall nie objektiv „zu teuer“ sein kann, ist das Boot nie „zu voll“ – in Bezug auf die Zahl derer, die hier noch kaufen könnten ebenso wie in Bezug auf das daraus resultierende Kurspotenzial. Nach oben geht theoretisch immer etwas. Nur muss man immer im Hinterkopf behalten, dass nicht passiert, was passieren könnte, nur weil man selbst mit von der Partie ist und sich das wünscht.

Edelmetalle sitzen auf, aber auch zwischen allen Stühlen

Je unberechenbarer ein Asset an der Börse ist, desto mehr sollte man auf der Hut sein. Und diese vier Edelmetalle, die gerade laufen wie geschnitten Brot und die manche als „sicherer Hafen“ bezeichnen und sie auch so sehen, sind besonders unberechenbar. Was macht sie zu solchen eigentlich ziemlich „unsicheren Häfen“?

Börse aktuell: Entwicklung Platin von 2000 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX

Zum einen das, was sie gerade durch die Decke steigen lässt: Der Wunsch nach Sicherheit. Denn was passiert, wenn diese Emotion – und nichts anderes ist das ja – plötzlich bei vielen wegfällt, weil sie dem Aktienmarkt wieder mehr trauen oder sich die Rahmenbedingungen verändern? Die Kurse könnten in sich zusammenfallen. Wenn wir uns vorstehend Platin ansehen (weiter oben bei Silber sehen wir das aber genauso), dann sehen wir, wie schnell so etwas gehen kann. Und das kann eben auch passieren, weil man zwar extrem besorgt um sein Geld ist, aber sieht, dass die gekauften Edelmetalle nicht halten, was man sich von ihnen erwartet, indem sie nicht zulegen oder sogar nachgeben. Dann kann hier eine Lawine entstehen, die sich gewaschen hat, auch aus zwei anderen Gründen:

Erstens, weil diese Edelmetalle eher enge Märkte sind. Sicher, auch hier gehen Milliarden um. Aber das ist nichts im Vergleich zu den Summen, die im Anleihe- und Aktienmarkt investiert sind. Und würde da Geld abfliessen, ginge es eben in gerade einmal vier Assets. Das ist, als wollte man einen Elefanten durch einen Gartenschlauch quetschen. Das führt dazu, dass Gold & Co. bei grösseren Zu- und Abflüssen sehr starke Bewegungen aufweisen können.

Und es besteht immer das Risiko, dass die Edelmetalle bei starken Kurseinbrüchen am Aktienmarkt nicht davonziehen, sondern mit fallen. Denn sobald eine Situation hoch kritisch und zugleich unübersichtlich ist, neigen grosse Adressen dazu, ihre Cash-Reserven in allen Assetklassen hochzufahren. Das kann die Edelmetalle leicht in genau dem Moment zu Boden schicken, in dem viele hoffen, dass sie steigen. Wenn das nicht passiert, kann die oben genannte Enttäuschungsreaktion auftreten und die Kurse wegbrechen lassen. Der folgende Chart zeigt dieses Phänomen im Zuge des Corona-Crashs im März 2020.

Börse aktuell: Entwicklung Gold und Dow Jones von 2019 bis 2020 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Gold und Dow Jones von 2019 bis 2020 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Wie geht man mit diesen besonderen Assets am besten um?

Aber wenn das alles so unberechenbar ist, sollte man die Edelmetalle dann nicht besser meiden oder sie zumindest wie ein „Zocker-Asset“ einordnen? Nein, das wäre keineswegs nötig, denn wenn man weiss, womit man es hier zu tun hat, kann man auch damit umgehen.

Ich würde dazu raten, die Edelmetalle eben nicht als das anzusehen, was viele glauben, dass sie es wären: „sichere Häfen“. Besser ist es, Gold & Co. als eine Art Instrument oder Tool anzusehen. Und zwar als eines, das dem eigenen Sicherheitsgefühl ebenso wie dem der anderen Anleger dient und sich daher emotional basiert bewegen kann, aber nie muss. Fallen die Kurse, wird dieses Gefühl, hier sicher zu sein, unterminiert und viele lassen diese Edelmetalle fallen wie eine heisse Kartoffel. Und ob es hier auf- oder abwärts geht, hängt keineswegs zwingend von der Gesamtlage, sondern mehr vom Kursbild selbst ab! Und das muss den externen Einflüssen nie zwingend folgen, denn:

Börse aktuell: Entwicklung Gold von 1972 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Gold von 1972 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Natürlich wird auch bei Gold, Silber, Platin und Palladium getradet. Kurs- und mittelfristig, auf chart- und/oder markttechnischer Basis. Auch hier gibt es Zocker, die auf Minutenbasis ein- oder aussteigen, gibt es grosse Adressen, die gewaltige Volumen abwickeln.

Eigentlich sind die Edelmetalle also Assets wie alle anderen. Dass sie trotzdem ein Fall für sich sind, liegt nur daran, dass so viele glauben, dass sie „anders“ wären und daher nicht damit klarkommen, dass sich die Kurse der Edelmetalle bisweilen bewegen, als wären sie ein Aktienindex. Wer das aber versteht, tradet auch hier konsequent und emotionslos entlang der Trends. Und wem das gelingt, der ist hier „goldrichtig“, denn Sie sehen es ja in den Charts: Diese Trends können eine ganze Menge Freude machen, solange man ihnen auch folgt!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Sofern nicht anders angegeben, beabsichtigen wir nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.
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Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.


Börse aktuell: DAX, Dow Jones und Co.

Die heutigen Top-News und Börsenmeldungen zum DAX und der Börse USA mit dem Dow Jones, dem Nasdaq und dem S&P 500 als weltweit einflussreiche Indizes bilden einen Schwerpunkt unserer aktuellen Berichterstattung von der Börse. Auch gute Aktien, die momentan sehr stark im Fokus der Anleger stehen und steigende Börsenkurse prophezeien, werden wir Ihnen hier vorstellen. So bekommen Sie einen umfassenden Börsenausblick und können Ihre eigenen Börsenprognosen verifizieren oder falsifizieren.

Börse: Aktuelle Entwicklung und Trends

Die aktuelle Entwicklung und der aktuelle Trend an der Börse werden massgeblich von Wirtschaftsnachrichten, Konjunkturdaten und Neuigkeiten von börsennotierten Unternehmen bestimmt. Diese wirken sich nicht nur auf Aktienkurse aus, sondern auch auf andere Assetklassen wie börsengehandelte Fonds, Optionen und Futures. Des Weiteren werden durch Börsennachrichten auch die Anleihemärkte und Rohstoffmärkte in Bewegung versetzt. Daher haben wir auch die Zinsen, den Ölpreis und Goldpreis immer im Blick.

Börse: Aktuelle Tipps zum Marktgeschehen

Neben Börsennews bekommen Sie auch hilfreiche Tipps, um das gegenwärtige Marktgeschehen besser zu interpretieren. Der Börsenmarkt setzt sich aus vielen verschiedenen Märkten zusammen. Jedes Land, jede Branche und jedes Finanzprodukt wird von individuellen Faktoren beeinflusst, sodass es schwierig ist, alle Märkte mit ihren jetzigen Chancen und Risiken zu verfolgen und zu analysieren. Mit Börse aktuell liefert Ihnen unser Börsenprofi die Börseninformationen, die wirklich wichtig sind, und zugleich eine kompakte Börsenvorschau der Woche.

Börse aktuell: Die letzten Nachrichten

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Sofern nicht anders angegeben, beabsichtigen wir nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Der Nasdaq 100 steht unmittelbar vor der „magischen Marke“ von 25.000 Punkten. Wird sie zur Etappe auf einem noch deutlich weitergehenden Sturmlauf der Bullen? Oder ist sie für so viele ein Ziel, an dem man die Segel streichen sollte, dass wir jetzt nahe am Hoch notieren? Zum Wochenschluss war das völlig offen. Wie geht man mit so etwas um? Raten oder warten?

Ein unmittelbarer, fulminanter Sturmlauf über die jetzt in Schlagdistanz liegende „magische Marke“ von 25.000 Punkten gelang beim Nasdaq 100 erst einmal nicht. Das muss kein böses Omen sein – kann es aber. Was kann bzw. sollte man da jetzt als Trader tun?

Es gibt Situationen, in denen man gerade dann, wenn man über viele Jahre Erfahrung verfügt, erkennen muss, dass diese Erfahrungen einem nur eines sagen: Ich kann nicht abschätzen, was jetzt passieren wird. Es gibt zwar viele Argumente, um zu dem Schluss zu kommen, dass die 25.000 im technologielastigen Nasdaq 100 nicht das Ziel der Reise, sondern nur eine Zwischenstation sind. Es gibt aber mindestens genauso viele, die die Ansicht untermauern würden, dass der Index bereits jetzt viel zu weit gelaufen ist.

Für die unmittelbare Fortsetzung der Hausse spräche, dass weiterhin mehr Geld in die grossen Technologietitel hinein- als abfliesst, dass die Phantasie in Sachen KI noch präsent ist und viele einfach davon ausgehen, dass die kommenden Monate bullisch bleiben, weil der Herbst das rein statistisch gesehen meistens ist. Dagegen spräche eine bereits sehr teure Bewertung des Index an sich und der die Hausse führenden Überflieger erst recht. Und dass man in Sachen Zöllen mit China viel redet, aber nichts erreicht und die politische Ebene für die Märkte komplett unberechenbar ist, ebenfalls. Was wird am Ende schwerer wiegen?

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 Ende September 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Nasdaq 100 Ende September 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Logisch zu denken ist am Aktienmarkt immer sinnvoll, danach zu handeln eher selten

Wenn es um die Frage geht, welche Seite da am Ende an dieser runden Marke, auf die jetzt alle starren, die Oberhand gewinnt, ist es absolut nicht entscheidend, ob man rein rational die besseren Argumente ins Feld führen könnte. Denn sehr viele Marktteilnehmer, auch unter den grossen Adressen, entscheiden aus einer subjektiven Auslegung der Dinge, spontan und oft emotional. Was auch bedeutet: So mancher weiss heute noch nicht, wie er morgen oder übermorgen über die Sache denken und was er dann tun wird. Auch, weil das vom jeweilen Kursgeschehen abhängt. Und das wiederum wird von allen Akteuren – zumindest denen, die dann aktiv handeln – „gemacht“, die ebenso spontan und emotional entscheiden könnten. Kurz:

Was jetzt passiert, ist nicht vorhersagbar. Also muss man sinnvollerweise einfach, was in den kommenden Tagen mit dem Index passiert. Bislang zumindest ist für das bullische Lager noch nichts angebrannt:

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 von Mai bis Oktober 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Nasdaq 100 von Mai bis Oktober 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Am Freitag ging es bis 24.958,86 Punkte nach oben, dann setzten Abgaben ein. Am Vortag hatte es der Nasdaq 100 bis 24.944,75 Punkte geschafft. Der Anstieg über die 25.000 wäre also ein Katzensprung gewesen. Dass es nicht gelang, deutet an, dass dort grössere Verkaufsorders im Markt liegen. Aber daraus lässt sich ja nur ableiten, dass einige Akteure diese runde Marke als Ziel und damit als idealen Level für Verkäufe ansehen. Aber wie viele sind das?

Was liegt da an Verkaufsorders im Markt? Und werden die „aufgefüllt“, wenn sich die Käufer daran abarbeiten? Oder aber sind die Bullen immens stark und haben den Sprung über die 25.000 einfach nur auf diese neue Woche „vertragt“, haben also bis jetzt noch gar nicht alles in den Ring geworfen, was sie haben? Und selbst, wenn man das wüsste, weil man wirklich in die Köpfe aller Marktteilnehmer hineinschauen und zugleich dort finden würde, was die in ein paar Handelstagen denken und tun werden:

Auch das würde nicht ausreichen, um aus dieser zweifellos hoch spannenden Gemengelage heraus eine kurzfristige Prognose abzugeben, denn eine Antwort brächte umgehend neue Fragen hervor.

Antworten auf Fragen führen zu weiteren Fragen

Zum Beispiel die, ob ein Ausbruch über 25.000 womöglich gezielt provoziert würde, um Anschlusskäufe zu generieren, in die hinein man dann seitens grosser Adressen eigene Long-Positionen reduziert, weil man den Markt als zu riskant einordnet und die Barreserve erhöhen will, ohne Gefahr zu laufen, dabei unverhofft in ein Käufer-Vakuum zu geraten. Daher sind Kaufwellen als Reaktion auf einen scheinbar erreichten Meilenstein da immer eine hervorragende Gelegenheit dafür.

Oder die Frage, ob ein Abdrehen an dieser „magischen Marke“ nicht sehr schnell aufgefangen würde, weil so viele potenzielle Käufer jeden kleinen Rücksetzer bereits als perfekte Chance sehen, auf den Zug aufzuspringen oder ihre Positionen aufzustocken. Dann müsste man sich hüten, ein Abdrehen des Index zu früh als Scheitern auszulegen. Man weiss es nicht.

Ausgerechnet dann, wenn es besonders spannend wird, keinen klaren Blick nach vorne zu haben, ist zwar ärgerlich, aber letztlich auch logisch. Denn grosse Spannung bedeutet grosse Emotionen und damit, auch an der Börse, eine geringere Berechenbarkeit dessen, was kommt. Eines liesse sich zumindest mal festhalten:

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 von 2013 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Nasdaq 100 von 2013 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Börse aktuell: Kaufen? Zukaufen? Halten? Aussteigen? Short gehen?

Dass ein wichtiger US-Index unmittelbar unter einer derart markanten Chartmarke erst einmal zurücksetzt, kommt zwar vor. Dass er seine Hausse dann aber auch dauerhaft beendet, wäre zumindest ziemlich ungewöhnlich … falls das Hoch nahe ist, wäre eine Abwärtswende nach einem Fehlausbruch über 25.000 ein wahrscheinlicheres Szenario. Aber auch keineswegs eines, worauf man einfach wetten könnte. Also?

Jetzt noch in einen überkauften Index mit exorbitant teurer Bewertung neu einsteigen zu wollen, wäre keine gute Idee, ob da jetzt eine runde Chartmarke wartet oder nicht, ist diesbezüglich ja nicht relevant. Zukaufen sollte man, wenn neue Rekorde erzielt werden, aber kein tauglicher Support in der Nähe ist, ohnehin eher nicht, das wäre nahe an wichtigen Unterstützungen im Zuge einer Korrektur sinnvoller.

Und was ist mit aussteigen? Dass man ausgerechnet jetzt nicht gerade als Käufer auftreten sollte heisst nicht automatisch, dass man bei bestehenden Positionen die Segel streichen müsste. Wichtig ist nur, sich sauber abzusichern. Dazu sollte man die Chartmarken ins Auge fassen, unter denen man aus heutiger Sicht vermuten dürfte, dass die Bullen die Kontrolle über den Index verlieren bzw. verloren haben. Was wo sein könnte?

Das wäre momentan die am Freitag auf 23.821 Punkte gelaufene 50-Tage-Linie. Sie ist seit Ende April nicht mehr unterboten worden, wurde Anfang September erfolgreich getestet und wäre nach der 20-Tage-Linie und dem August-Hoch dann der dritte Support von Belang, der fallen würde … das wäre, normalerweise, einer zu viel. Das wäre dann auch eine Linie, unter welcher man nicht nur nicht mehr Long sein sollte, sondern über Short zumindest nachdenken könnte. Bis dahin aber gälte:

Lieber einen Zug verpassen als ohne Halt in die falsche Richtung fahren

Ein Penny für die Gedanken all der Trader weltweit. Und noch einen obendrauf für das, was sie noch denken werden, es aber heute selbst noch nicht wissen. Wenn man partout nicht absehen kann, was genau jetzt kurzfristig passiert, kann und sollte man nicht versuchen, eine Münze zu werfen oder sich einfach eine Meinung zu bilden und nach dieser stur vorzugehen. Man sollte einfach beobachten, was sich jetzt tut.

Das schickt einen zwar eine Zeitlang in die Passivität. Aber wollte man raten, wie es weitergeht und sich einfach auf diesen Verdacht hin positionieren, müsste man gleich noch einmal raten, wenn es um den Punkt X geht, der indizieren würde, dass man so sicher falsch liegt, dass man da dann aussteigen sollte. Denn auch das ist nicht vorhersagbar. Ein Prozent über der 25.000 oder zwei in Sachen Short-Trade? Ein, zwei oder mehr Prozent im Fall, dass der Index nach unten dreht? Ab wann ist eine Bullen- oder Bärenfalle nicht mehr wahrscheinlich? Das weiss man nicht. Man wäre also, könnte man jetzt seine Füsse nicht stillhalten, womöglich in einem Zug unterwegs, der nicht nur in die falsche Richtung fährt, sondern wo es auch keinen nahegelegenen Bahnhof gäbe, an dem man wieder aussteigen und den Fehler korrigieren könnte ohne fürchten zu müssen, damit gleich den nächsten Fehler zu begehen!

Solche Situationen kommen nicht allzu oft vor, aber sie gehören eben „zum Geschäft“. Und genau dann kommt es darauf an, ob man die Anlegertugend der Geduld mitbringt oder nicht. Wer es fertigbringt zu warten, bis man klarer sieht, ist auf jeden Fall besser dran: Erfahrungsgemäss sind es diejenigen, die eher selten, dann aber auf Basis tauglicher Signale agieren, die am Ende erfolgreicher sind!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Sofern nicht anders angegeben, beabsichtigen wir nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Warum ausgerechnet jetzt? Das ist die typische Frage, die man zu hören bekommt, wenn ein Aktienindex auf einmal eine dynamische Wende nach unten oder nach oben vollzieht. Was daran liegt, dass die Wende und die sie begründende Veränderung der Faktenlage selten bis nie zeitlich zueinander passen. Warum ist das so?

Will man es in ganz kurzer Form auf den Punkt bringen, könnte man es so ausdrücken: Das ist so, weil die Börsen – und vor allem die Aktienmärkte – nicht rational sind. Weil zwischen den Fakten und den Kursen ein Filter Namens Mensch sitzt. Und der wirkt wie eine Wundertüte.

Da sehr viele Menschen – üblicherweise unbewusst – Informationen subjektiv interpretieren oder, wenn sie ihnen nicht in den Kram passen, auch mal komplett ignorieren, kann man nicht erwarten, dass etwas, das objektiv betrachtet zwingend die Kurse deutlich nach oben oder unten bewegen müsste, auch tatsächlich und dann auch noch sofort diese Reaktion hervorruft. Das kann vorkommen. Aber es ist eher selten. Schauen wir uns dazu mal Beispielfälle an.

Der Zoll-Crash und sein abruptes Ende

Hier sehen wir einen Fall, in dem die Marktteilnehmer unmittelbar und grundsätzlich logisch reagierten. Man wusste, dass Donald Trump am 2. April abends seine Entscheidung über die Einfuhrzölle verkünden würde. Doch man ahnte nicht, wie absurd extrem das dann ausfallen würde. Trotzdem hielt sich die Reaktion am ersten Handelstag danach noch in Grenzen. Erst am Tag danach wurde es heftig. Und dann, nach einem Wochenende, kam es am Montagmorgen beim DAX zum Crash. 

Börse aktuell: Entwicklung DAX im Jahr 2025 - Reaktion auf Zölle | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX im Jahr 2025 – Reaktion auf Zölle | Quelle: marketmaker pp4

Der traf indes noch am gleichen Tag auf Käufe. Aber die Verkündung einer 90-Tage-Frist, die gewährt wurde, weil die US-Verantwortlichen sahen, dass ihre Aktion die Kapitalmärkte gerade an den Rand des Kollapses gebracht hatte, kam erst später, genau eine Woche nach der Zoll-Liste. Das Tief kam Tage vorher, an dem Tag, an dem am Morgen die Panik am grössten war. Warum ausgerechnet da? Ist das logisch?

Nicht, wenn man unterstellen wollte, dass die Kurse sklavisch entlang der Nachrichtenlage bzw. der Fakten (was ja nicht zwingend dasselbe sein muss) reagieren. Aber das tun sie ja auch selten. Zumal dann auch noch die sogenannte „Mechanik der Märkte“ mit hineinspielt. In diesem Fall lief es so ab:

Zuerst der Absturz: Dass sich der Kurseinbruch immer mehr intensivierte, lag daran, dass viele diese Zölle bis zum Tag X, als Trump seine absurde Zolltafel in die Kameras hielt, nicht ernst genug genommen hatten. Für diese Akteure war dann auch weniger der Zollthema die Basis der Panik, sondern die immer schneller fallenden Kurse an sich. Das führte über das Wochenende zu schlechtem Schlaf und wachsender Angst. Und am Montagmorgen wollten dann einfach zu viele zu jedem Preis aussteigen und fast niemand kaufen. Das war es, was den DAX und andere Indizes mit dieser riesigen Abwärts-Kurslücke in den Handel schickte: Ein extremes Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage. Nicht Trump selbst, sondern diese Basisaspekte des Handels, die „Mechanik der Märkte“.

Und die Kaufwelle? Dito. Wer im DAX auf der Short-Seite stand, konnte sein Glück am Montagmorgen kaum fassen. Riesengewinne aus heiterem Himmel … dass viele die sofort kassieren wollten, bevor sie weg sind, war klar. Und wenn vorher Unmengen an Akteuren verkauft haben, gehen dem Markt dann kurzfristig die Verkäufer aus. Dadurch entstand das umgekehrte Bild wie zuvor: Keine Verkäufer, aber Käufer en masse. Denn wer Short ist, muss entweder seine vorher leer verkauften Aktien eindecken, sprich kaufen, um die Position dadurch zu schliessen. Oder jemand, der im Future Short war, muss eine Long-Position dagegenhalten, um neutral zu sein.  Was auch bedeutet:

Meist ist es nur die „Mechanik der Märkte“, die den Stein ins Rollen bringt

Das Tief kam am Montag, den 7. April, Trumps „Galgenfrist“ aber erst am Abend des 9. April, was dann zu der immensen Aufwärts-Kurslücke des DAX am 10. April führte. Wer da am 7. oder 8. April kaufte, hatte keine seherischen Fähigkeiten, das waren vor allem Bären, die nur ihre Gewinne kassierten, ohne deswegen auf einmal Optimisten sein zu müssen. Und darüber hinaus rein charttechnisch und kurzfristig agierende, spekulative Trader. Die Kurswende, die war also am 7.4., die Faktenwende am Abend des 9.4. Und so etwas sehen wir durchaus häufig.

Es ist oft einfach die „Mechanik der Märkte“: Kursbewegungen, die auf einem untypisch intensiven Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage basieren, die die Wende bringen. Wobei man gleich als nächste Regel hinterherschieben könnte:

Bleiben entsprechende, die Wende zeitgleich oder nachträglich unterfütternde Fakten aus, kann die Wende auch in sich zusammenbrechen, sprich scheitern. Dazu Beispiel Nummer 2, der Corona-Crash.

Der Corona-Crash und die wundersame Wende

Schon Ende Januar wurde langsam klar: Da kommt etwas auf uns zu, was wir so noch nicht erlebt haben. Das bedeutet: Unsicherheit. Und genau das mögen Anleger natürlich nicht, auch, wenn es – eigentlich – ihr tägliches Geschäft ist. Daher wunderte es nicht wirklich, dass man erst einmal so tat, als seien die Warnungen vor Corona völlig überzogen und die Sache nur eine kleine Panik-Blase. Erst als man realisierte, dass „die Welt schliesst“, brach allgemeine Panik aus. Später als es rational zu erwarten war … dann aber, siehe auch Beispiel 1, wieder alle auf einmal. Ergebnis:

Ein Crash. Hinzu kam ein weiterer Faktor: Die Nachrichtenlage war nicht klar, sondern unübersichtlich. Die Folge: Keiner wusste da Genaues, viele glaubten aber, andere könnten mehr wissen. Daher neigten nicht wenige Anleger dazu, starken Impulsen blind zu folgen, rauf wie runter, weil: Da könnte ja wer am Werk sein, der weiss, was er/sie tut. Was da meist nicht der Fall war. Und auch in anderen Phasen übrigens eher nicht.

Börse aktuell: Entwicklung DAX im Jahr 2020 - Reaktionen im Zeitraum von Corona | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX im Jahr 2020 – Reaktionen im Zeitraum von Corona | Quelle: marketmaker pp4

Und dann griff der tendenziell übliche Ablauf: Erst nahmen die Bären Gewinne mit. Das zog die Kurse höher. Viele dachten: „Da weiss wer was“ und hielten mit. Und dann wurde die Rallye der Aktienmärkte so etwas wie das für alle sichtbare Symbol der Hoffnung. Erst, als den Käufern langsam Geld und Puste ausgingen und dann, Richtung Herbst, immer noch keine Fakten die Hoffnungen ablösten, drohte die Sache zu kippen. Oder besser: Sie kippte tatsächlich, denn da wurde dann ein Topp vollendet und die 200-Tage-Linie wieder unterboten. Und immer wieder hätte man sich, wenn man sich rein auf die Nachrichtenlage reduziert, fragen können: Warum ausgerechnet jetzt?

Nur diese Rettung vor der nächsten Baisse-Welle Anfang November 2020, die hatte dann unmittelbare „News“ als Auslöser: Die Meldung über die ersten, fertigen Impfstoffe und dann, nur Tage später, die US-Wahl, bei der Donald Trumps Niederlage die Hoffnung auslöste, dass die Misere jetzt schneller ein Ende finden werde. Aber dass Nachrichten und Kursreaktion so eng miteinander korrelieren, das ist eben eher die Ausnahme als die Regel.

Eine Wende kann aus verschiedenen Gründen und letztlich jederzeit entstehen, also …

Wann was den Markt dominiert, ob es die Emotionen, die Mechanik der Märkte oder wirklich blanke Fakten sind … wie gross die Reaktionen der Kurse dann ausfallen … ob es zu einer Auf- oder Abwärtswende reicht oder nicht …. und wie weit die dann zeitlich von den eigentlichen Argumenten einer Wende entfernt sind: All das kann man definitiv nicht vorhersagen. Alleine, weil da der emotionale Aspekt mit hineinspielt, kann man da jedes Rechenmodell vergessen.

Denken Sie dazu nur an 2008 zurück. Dass die Subprime-Blase platzen würde, war klar, denn als die Aktienmärkte im Januar 2008 auf einmal kippten, war dieser Prozess längst im Gange. Dass das die Weltwirtschaft extrem unter Druck setzen würde, konnte jeder wissen, der es wissen wollte. Aber das was damals eben der Punkt: Fast niemand wollte das wissen. Man schaute weg, hoffte, dass sich das schon irgendwie von alleine regeln würde und blieb investiert. Und je länger alle wegschauten, desto stabiler wurden die Märkte. Es ging zwar nichts mehr nach oben, aber nach unten eben auch nicht. Also dachten immer mehr: Der Markt kann gar nicht mehr drehen. Aber doch, er konnte – und wie.

Börse aktuell: Entwicklung DAX von 2007 bis 2008 - Die Subprime-Blase und ihre Auswirkungen | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX von 2007 bis 2008 – Die Subprime-Blase und ihre Auswirkungen | Quelle: marketmaker pp4

Aber natürlich kam dann im Januar 2008 die Frage auf: Warum denn ausgerechnet jetzt? Das hätte man sich übrigens im März 2009 auch in Bezug auf die Aufwärtswende fragen können. Warum gerade da und nicht vorher? In beiden Fällen waren die Argumente für die Baisse und danach, in Form einer gezielten Flutung mit Liquidität, für die Aufwärtswende, längst da. Aber das ist es eben: Die Fakten alleine müssen noch lange nichts bewegen. Es kommen meist mehrere Aspekte zusammen. Emotionen, Nachrichten und ein Ungleichgewicht bei Angebot und Nachfrage. Nicht zwingend alle drei, selten nur einer.

Es hilft, da mit einem Spiegel zu arbeiten, den man sich selbst vorhält. Ich reagiere doch auch nicht permanent rational. Ich setze doch nicht jede neue Nachricht objektiv in Käufe oder Verkäufe um. Ich bin doch parallel zu meiner Trendausrichtung im Depot auch parteiisch, wenn es um die Interpretation oder auch nur die Beachtung von neuen Informationen geht. Warum sollten andere Menschen, egal ob Kleinanleger oder Hedgefonds-Manager, anders sein und anders handeln?

Fazit: Folgen Sie dem Trend.

Die Kurse sind letzten Endes immer nur das Ergebnis aus dem Saldo der Aktionen der Käufer und Verkäufer, die meist irrational handeln. Also ist alles möglich … und eine streng nach der Nachrichtenlage entstehende Wende schlicht nicht besonders wahrscheinlich. Was tun?

Da steht am Ende der Rat, den man immer geben kann bzw. muss: Folgen Sie konsequent den Kursen und damit dem Trend. Er ist das Ergebnis dessen, was die Gesamtheit der Marktteilnehmer im Saldo gerade tut. Warum sie es tun, werden Sie nicht herausfinden, unnötig ist es obendrein, denn was einer heute für richtig hält, kann er morgen für falsch halten. Wann und warum die Mehrheit etwas tut, ist noch schwerer zu ermessen. Warum also nicht einfach dem Trend folgen, immerhin macht man an der Börse keine Gewinne, weil man eigentlich recht hätte. Man muss auch recht bekommen. Und das holt man sich, indem man dem Trend folgt und damit auf der richtigen Seite unterwegs ist.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Sofern nicht anders angegeben, beabsichtigen wir nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Stoppkurse und vor allem Stop Loss-Absicherungen sind ein wenig wie Sicherheitsgurte, haben aber einen Haken: Sie lösen bisweilen auch aus, wenn sich danach herausstellt, dass es nicht um Kopf und Kragen gegangen wäre. Kein Wunder also, dass viele Anleger glauben, ohne diesen „Sicherheitsgurt“ besser zu fahren. Aber geht man die Sache richtig an, nutzen sie eben doch deutlich mehr als sie schaden.

Der Markt wird riskanter und/oder unruhiger. Man setzt sicherheitshalber eine Stop Loss-Verkaufsorder, denn man weiss ja nie. Zumal ja auch etwas Dramatisches passieren könnte, wenn man gerade nicht hinschaut. Dann greift der Stop Loss, man ist raus aus der Position … und Minuten später drehen die Kurse wieder. Man steht ohne Position da und muss zuschauen, wie andere erleichtert aufatmen, weil sie dabeigeblieben sind und wird genötigt, ggf. deutlich teurer wieder einzusteigen. Ein solches Erlebnis hatte wohl schon fast jeder. Und ja, in solchen Fällen sind Stoppkurse oder Stop Loss-Verkaufsorders ein Ärgernis und wirken nicht wie eine Absicherung, sondern wie ein Groschengrab. Wenn einem das zwei-, dreimal nacheinander passiert, mal sowieso.

Aber so denken nur Anleger, denen ein Stop Loss nicht schon einmal ihr Investmentkapital gerettet hat. Das Problem, übrigens wieder eine Parallele zum Sicherheitsgurt: Solche extremen Situationen, in denen ein Stoppkurs zum Retter wird, sind eben selten. Aber hat man eine solche Situation schon einmal erlebt, hadert man nach einigen im Nachhinein ärgerlichen Verkäufen wegen Stoppkursen nicht mit diesen an sich, sondern bestenfalls damit, wie man sie gesetzt hat. Und da kann man einiges tun, um die Fehlerquote zu senken. Dazu gleich, zunächst ein kurzer Exkurs:

Börse aktuell: Entwicklung BASF Aktie von 2023 bis 2025 mit Schlüsselunterstützung | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung BASF Aktie von 2023 bis 2025 mit Schlüsselunterstützung | Quelle: marketmaker pp4

Exkurs: Stoppkurse und Stop Loss-Verkaufsorders: Was ist der Unterschied?

Ein „normaler“ Stoppkurs ist einer, den man im Kopf hat. Man betrachtet sich das Chartbild einer Position und entscheidet, dass man unter einem Kurs von X … in der Regel angebunden an eine Trendlinie, eine horizontale Unterstützung oder einen gleitenden Durchschnitt … die Position verkaufen wird, weil dann der Aufwärtstrend gebrochen ist und grössere Abgaben wahrscheinlich werden. Um denen zu entgehen, legt man sich im Geiste einen Stoppkurs zurecht und steigt aus, wenn er erreicht bzw. unterboten wird. Oder auch nicht … weil mancher sich in dem Moment, in dem es darum geht, eine Position zu schliessen und dabei womöglich einen Verlust realisieren zu müssen, an jeden Strohhalm klammert und mit einem „ach was, das wird schon wieder“ investiert bleibt. Was nicht immer, aber doch oft genug alles noch schlimmer macht. Oft genug, um eher zu der Variante der Stop Loss-Verkaufsorder zu neigen.

Bei einer Stop Loss-Verkaufsorder handelt man schon, bevor es brennt, aber mit Blick auf den Fall, dass es dazu kommen könnte. Und zwar, indem man bereits im Vorfeld, oft schon direkt nach dem Kauf, eine Verkaufsorder eingibt, die die Position automatisch bei Erreichen des angegebenen Kurses verkauft. Was den Vorteil hat, dass man wirklich aussteigt und nicht durch eigenes Zaudern bei nur im Kopf vorhandenen Stoppkursen in die Bredouille kommt. Wobei man solche Orders natürlich immer und jederzeit nach Belieben anpassen oder auch wieder streichen kann.

Das klingt alles irgendwie einfach und sinnvoll. Wie also könnten solche Absicherungen zu einem und Ärgernis werden?

Börse aktuell: Entwicklung Verisign Aktie von 2024 bis 2025 - nachgezogene Stops | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Verisign Aktie von 2024 bis 2025 – nachgezogene Stops | Quelle: marketmaker pp4

Das Problem sind nicht die Stoppkurse selbst, sondern dass an der Börse nichts „sicher“ ist

Das Dumme an der Börse ist: Es handelt sich hier nicht um eine „exakte Wissenschaft“. Wenn X eintritt, kann das oft zu Y führen, manchmal kommt aber auch Z heraus. Was z.B. bedeutet, dass ein Anlauf an eine wichtige Unterstützung, die sich schon mehrfach als solche bewährt hat, zwar zweifellos von allen Marktteilnehmern wahrgenommen wird. Aber ob dann so viele aussteigen, dass diese Unterstützung bricht und der Kurs danach so weit fällt, dass es lohnt, im Fall eines Unterschreitens zu verkaufen, kann man nie sicher wissen. So könnten genau in diesem Moment Nachrichten kommen, die Käufe auslösen, so dass der Bruch der Unterstützungslinie als Bärenfalle endet. Und das könnte auch passieren, wenn bärische Anleger den durch den Bruch des Supports ausgelösten Verkaufsdruck nutzen, um ihre Gewinne mitzunehmen, wodurch der Kurs dann alleine deswegen wieder steigt. Man weiss es eben nie sicher. Was man indes weiss:

Wenn es weiter abwärts geht, wäre man froh gewesen, verkauft zu haben. Je länger man dann nichts tut, desto schwerer fällt es, doch noch zu verkaufen, weil dann immer der Spruch im Kopf auftaucht: „Naja, jetzt hat es auch keinen Zweck mehr“. Viele Anleger mit kurzfristigen Gewinnzielen haben sich da dann auf einmal zu langfristigen Investoren erklärt und sind lange Wege in einem Abwärtstrend investiert geblieben. Nicht wenige kaufen dann sogar oft noch zu, um den „Einstandskurs zu verbilligen“ und werden dadurch gutes Geld schlechtem hinterher. Was aber ein anderes Thema ist.

Was als Eindruck bleibt: Wenn man ein paarmal unnötig ausgestoppt wurde, beginnt man der Sache zu misstrauen. Und wenn es dann wirklich entscheidend würde, hat man keine Absicherung, „weil’s doch eh nur Geld kostet und nichts bringt“.

Aber weil eine Situation, in der Stoppkurse bzw. Stop Loss-Verkaufsorders als Absicherung wirklich entscheidend wären, absolut jederzeit eintreten kann und nicht nur, wenn sich schon monatelang dunkle Wolken über den Märkten gebildet haben, sollte man ernsthaft daran denken, den Status eines „Stop-Loss-Abstinenzlers“ aufzugeben und sich lieber überlegen, wie man es anstellen könnte, die Fehlerquote zu senken. Denn da liesse sich einiges tun. Wobei das schon früher, bei grundsätzlichen Aspekten beginnt, nämlich damit, wie man Positionen am sinnvollsten eingeht.

Börse aktuell: Entwicklung Hang Seng China Enterprises Index von 2024 bis 2025 - Mögliche Einstiegspunkte | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Hang Seng China Enterprises Index von 2024 bis 2025 – Mögliche Einstiegspunkte | Quelle: marketmaker pp4

An Unterstützungen Long, an Widerständen Short … und nie „hinterherlaufen“!

Schlüsselmarken für eine Situation, in der man aussteigen sollte, sind immer: Unterstützungslinien auf Basis vorheriger Wendemarken (bzw., wenn es um die Short-Seite gehen würde, Widerstandslinien), Trendlinien, gleitende Durchschnitte oder Nackenlinien von potenziellen Trendwendeformationen. Das sind zugleich Chartmarken, an denen es vorher sinnvoll war, zu kaufen:

Die Verteidigung einer Aufwärtstrendlinie, eines gleitenden Durchschnitts oder eines vorherigen Hochs oder Tiefs? Eine mögliche gute Einstiegsgelegenheit.

Neue Hochs in einer schon wochenlang laufenden Rallye bei längst überhitzter Markttechnik und meilenweit weg von den entscheidenden Unterstützungen? Das sind potenziell schlechte Kaufzeitpunkte.

Erstens, weil man da vor allem von der Angst getrieben wird, etwas zu verpassen. Zweitens, weil man dann davon ausgehen muss, dass schon sehr viele eingestiegen sind und der Aktie, dem Index oder was auch immer man da im Auge hat, die Käufer ausgehen können. Und drittens, vor allem: Weil dann die Entfernung zu logischen Punkten, unter die man seinen Stoppkurs legen bzw. die Stop Loss-Verkaufsorder eingeben könnte, meilenweit entfernt sind!

Was dann bisweilen sogar dazu führt, dass man seinen Stopp einfach prozentual ansetzt (mehr als zehn Prozent will ich nicht riskieren) oder sich eine solche Entscheidung für später aufspart (und sie dann nicht trifft). Das kann nicht funktionieren. Prozentuale Stopps in Ihrer Position interessieren den Rest der Marktteilnehmer ja keinen Deut. Ein Stopp muss aber unter einem Punkt liegen, wo es für alle sichtbar um die Wurst geht, sprich wo sich wirklich etwas entscheidet. Was übrigens auch für sogenannte „Trailing Stopps“ gilt, das sind Stop Loss-Verkaufsorders, die automatisch nachlaufen, indem sie einen gewissen Abstand zum Kurs haben und dann auf diesen Abstand nachgezogen werden, wenn der Kurs ein neues Hoch markiert. Solche Stopps würden nur etwas taugen, wenn ein Kurs schön berechenbar im gleichen Tempo wie ein Strich steigt. Tut er aber nie.

Stop Loss gehören dorthin, wo Schlüsselmarken liegen. Und man sollte auch dort kaufen. Was dazu führt, dass man seinen Stoppkurs/Stop Loss angenehm eng legen kann. Und dann tut auch ein Fehlsignal nicht wirklich weh, weil diese Stopps so eng liegen, dass man nicht gleich am Bettelstab endet, wenn zwei, drei solcher (im Nachhinein, in dem Moment weiss man das ja nicht) unnötig ausgelöster Stopp-Verkäufe aufeinander folgen. Ausserdem kann man dann relativ zeitnah wieder einsteigen: eine Aktie, die einen wichtigen Unterstützungspunkt nur kurz unterboten hat und ihn dann doch wieder zurückerobert, ist eben immer noch nahe an der Schlüsselmarke.

Börse aktuell: Entwicklung Nvidia Aktie von 2023 bis 2025 - kaum brauchbare Einstiegspunkte | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Nvidia Aktie von 2023 bis 2025 – kaum brauchbare Einstiegspunkte | Quelle: marketmaker pp4

Die Börse bietet jeden Tag gute Gelegenheiten … man muss sich nur umschauen

Das Problem liegt also oft weniger bei den Stoppkursen selbst als in der Art und Weise, in der man einsteigt. Einfach „irgendwo“ auf charttechnisch freier Flur zu kaufen ist nie gut und man kann da dann keinen vernünftigen, eng liegenden Stop Loss setzen. Aber was, wurde mir schon mal als Argument entgegengehalten, wenn die Aktie, die man haben will, zwar schon weit gelaufen ist, aber man gerade jetzt das Geld zum Einstieg hat?

Das war damals ernst gemeint … und ich sehe ja am Verhalten der Märkte, dass derjenige, der das sagte, nicht der Einzige ist, der so denkt. Nun, manchem mag mein Vorschlag verrückt erscheinen, aber ich würde dann dazu raten, das Geld entweder so lange auf dem Konto zu lassen, bis die Aktie, die man haben will, eine bessere, charttechnische Einstiegsbasis bietet, z.B. eine Korrektur. Oder man sucht sich einfach etwas anderes, das gerade in diesem Moment ein bullisches Signal mit der Möglichkeit eines angenehm engen Stoppkurses bietet. Denn wenn ein Anleger eines als allererstes lernen sollte, dann dies:

Es gibt an der Börse kein „genau jetzt oder nie mehr“. Gab es nie, wird es nie geben. Jeden, absolut jeden Tag tauchen Gelegenheiten für Trades mit einem guten Chance-/Risiko-Verhältnis auf. Vielleicht nicht da, wo man gerade hinsieht. Aber da, wo man genauso hinsehen könnte, wenn man die Augen offenhält. Der Markt ist gigantisch und überall rührt sich etwas. Da gibt es keinen Grund, „alten“ Rallyes hinterherzulaufen und zu weite oder gleich gar keine Stoppkurse zu setzen.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Sofern nicht anders angegeben, beabsichtigen wir nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Es scheint, immens viele Marktteilnehmer warten mit Spannung auf den Mittwochabend, wenn die US-Notenbank ihre Zinsentscheidung bekanntgeben wird. Aber wieso eigentlich? Zum einen ist mittlerweile hochwahrscheinlich, dass es zu einer Zinssenkung kommen wird. Zum anderen sind die Gründe dafür jedermann bekannt. Und vor allem: Was glaubt man denn, was eine Leitzinssenkung an der Gesamtsituation ändern würde?

Die US-Inflation ist mit 2,9 Prozent immer noch zu hoch. Aber immerhin ist der grosse Sprung als Folge der hohen Einfuhrzölle ausgeblieben. Bis jetzt zumindest, denn klar muss sein: Das wirkt mit Zeitverzögerung. Und wie gross die ausfällt, sprich ab wann wirklich nichts mehr zu befürchten wäre, ist schlicht nicht vorhersagbar. Daher hätte die US-Notenbank gute Gründe, den nach bislang nur zwei Senkungen um je 0,5 Prozent immer noch restriktiven Zinslevel nicht zu verändern. Wenn da nicht der Arbeitsmarkt wäre.

Der US-Arbeitsmarkt zwingt die „Fed“ zum Handeln

Die übliche Revision bisher gemeldeter Daten zu den neu geschaffenen Arbeitsplätzen ergab diesmal eine herbe Korrektur: Etwa die Hälfte der zwischen April 2024 und März 2025 gemeldeten, neuen Jobs gibt es gar nicht – über 900.000 gemeldete Stellen wurden im Licht genauerer Daten jetzt wieder aus der Statistik gestrichen. Ein weiterer Stein im Brett meiner über Jahre gebetsmühlenartig wiederholten Warnung, diese US-Arbeitsmarktdaten zu hoch zu hängen: Weil sie einfach aufgrund der Systematik ihrer Erhebung zum Niederknien ungenau sind.

Die Daten für Juli und August wahren ohnehin schwach, der Challenger-Report deutet einen steigenden Stellenabbau an und die am Donnerstag vorgelegten, die vorangegangene Kalenderwoche beleuchtenden Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe lagen unerwartet hoch, zuletzt hatte man eine solche Zahl von 263.000 Erstanträgen in einer Woche Anfang 2022 gesehen. Und das wiegt schwerer als eine Inflation, die zwar noch zu hoch ist und wieder steigen könnte, aber eben nicht muss. Mit dem Arbeitsmarkt hat die „Fed“, sprich die US-Notenbank, ein eindeutig aktuelleres Problem.

Das Haarige an der Sache ist das Problem des „Time Lags“. Nicht nur wirken die Zölle mit Zeitverzögerung auf die Preise, Veränderungen der Rahmenbedingungen wirken auch erst mit grosser Zeitverzögerung auf den Arbeitsmarkt, denn Unternehmen treffen nennenswerte Personalentscheidungen erst, wenn sie absehen können, ob eine Entwicklung zum Positiven oder Negativen von Dauer ist. Das zieht sich, das „Feuern“ oder „Anheuern“ von Personal dann auch noch einmal. Da können zwischen der Ursache in der Konjunktur und der Wirkung am Arbeitsmarkt ein bis zwei Quartale liegen. Was auch bedeutet: Was aktuell in der Konjunktur passiert, wird erst im Winter oder Frühjahr in den Arbeitsmarktdaten sichtbar, sofern die dann genau genug wären, um egal was aufzuzeigen. Die „Fed“ müsste also Hellsehen können, um sicher sein zu können, dass sie im Hier und Jetzt etwas tut, das sich in ein oder zwei Quartalen dann als richtig erweist.

Am US-Anleihemarkt bleibt man skeptisch

Bei der US-Notenbank ist man sich dieser Problematik natürlich bewusst. Und auch am US-Anleihemarkt weiss man das, weshalb die Renditen der US-Staatsanleihen derzeit nicht, wie man es eigentlich angesichts der hohen Wahrscheinlichkeit, dass die „Fed“ ihre Leitzinssenkungen wieder aufnimmt erwarten könnte, deutlich sinken. Man ist skeptisch und vorsichtig, weil in dieser unklaren Zukunft zwei Elemente die Zinspolitik beeinflussen werden: die Inflation und der Arbeitsmarkt. Und zögen die Preise doch noch kräftiger an, müsste die „Fed“ die Zinssenkungen sofort wieder stoppen, im schlimmsten Fall sogar zurücknehmen. Kein Wunder, dass man bei den Bond-Händlern Skepsis sieht, die sich in nur zögerlich nachgebenden Anleihe-Renditen niederschlägt.

Börse aktuell: Entwicklung US-Leitzins und Rendite von US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit von 1998 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung US-Leitzins und Rendite von US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit von 1998 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Am US-Aktienmarkt hingegen laufen die Kurse von einem Rekord zum nächsten. Nicht unbedingt rasant, aber doch verblüffend stetig. „Zinssenkungen sind immer bullisch“, diese Faustregel wird zum Mantra vieler Anleger. Aber damit liegt man normalerweise eher schief, zumindest, was die Konjunktur angeht. Und das ist auch durchaus logisch, denn:

Veränderungen beim Leitzins wirken nie sofort … und manchmal sogar gar nicht

Sinkende Zinsen sollen Probleme lösen helfen, aber das funktioniert nie sofort und manchmal auch gar nicht. Dass das Wachstum gemeinhin nicht einfach aus dem Stand davonzieht, kaum dass die Leitzinsen gesenkt werden, zeigt die folgende Grafik, die US-Leitzins und US-Wachstum über die letzten 30 Jahre abbildet.

Börse aktuell: Entwicklung US-Leitzins und Jahresrate der Veränderung des US-Bruttoinlandsprodukts von 1994 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung US-Leitzins und Jahresrate der Veränderung des US-Bruttoinlandsprodukts von 1994 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Da sehen wir, dass die US-Notenbank den Leitzins gemeinhin dann gesenkt hat, wenn das Wachstum stark nachgelassen hatte. Was es auch derzeit mit einer Jahresveränderung von 2,0 Prozent auf Basis der neuesten, das zweite Quartal beleuchtenden Daten tut. D. h. man versucht, ein negatives Gesamtumfeld durch günstigere Zinsen zu stützen, im Idealfall ins Positive zu verkehren. Doch damit das auch gelingt, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein.

Erstens müssten Kredite für Verbraucher und Unternehmen wirklich spürbar billiger geworden sein und man vermuten dürfen, dass es allzu viel billiger nicht mehr wird. Erst dann würden niedrigere Kreditkosten die Investitionen und den Konsum nennenswert befeuern können. Denn wer würde bei einer Zinssenkung um ein halbes Prozent, die kaum mehr als zehn Prozent des Leitzinses ausmacht, sofort grössere Summen aufnehmen, um zu investieren oder grössere Anschaffungen vorzunehmen, wenn beim Zins noch Luft nach unten bleibt? Nein, man pflegt zu warten, bis es wirklich billiger ist. Daher sehen wir in der Grafik oben und in mehreren Fällen auch beim Vergleichschart für die Eurozone, dass das Wachstum erst wieder Fahrt aufnahm, als die Zinsen nahe ihrem Tief waren. Die beiden unten zu sehenden Ausnahmen heben diese Grundregel keineswegs auf. Und zweitens?

Börse aktuell: Entwicklung Leitzins der EZB und Jahresrate der Veränderung des Bruttoinlandsprodukts der Eurozone von 1999 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Leitzins der EZB und Jahresrate der Veränderung des Bruttoinlandsprodukts der Eurozone von 1999 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Zweitens helfen auch niedrigere Leitzinsen und günstiger gewordene Zinssätze für Immobilien- und Ratenkredite nichts, wenn diejenigen, die investieren oder konsumieren sollen, Zweifel haben, dass das Gesamtumfeld für solche Kredite geeignet ist. Wenn man fürchten muss, dass die Gesamtsituation trotzdem eher schlechter als besser wird, wird man diese potenzielle Stütze für das Wachstum nicht nutzen und im Gegenteil lieber zusehen, bestehende Verbindlichkeiten abzubauen, um im Fall einer Verschärfung der Lage weniger verwundbar zu sein.

Und wenn wir uns ansehen, wie sich die Lage in den USA derzeit darstellt … und wie schwach Einkaufsmanagerindizes oder Verbrauchervertrauen derzeit sind … dürften nicht gerade wenige jetzt eher vorsichtig agieren. Da müsste der Leitzins schon wieder in Richtung „Nullzinspolitik“ laufen, damit wirklich viele ihre Bedenken fallen lassen.

Risiken zu ignorieren geht meist dramatisch schief. Aber bis es soweit ist … geht es eben gut!

Dass es zahlreiche Gründe gibt, warum man sich aufs Glatteis begeben würde, wenn man die vermutliche Wiederaufnahme der Leitzinssenkungen am Mittwoch als Allheilmittel und „Booster“ für immer neue Aktienmarkt-Rekorde ansehen wollte, kann man kaum übersehen … es sei denn, man will es. Aber wir wissen ja: Anleger sehen eigentlich immer nur das, was sie sehen wollen. Immerhin reden wir hier von Menschen … und warum sollten sich die als Anleger anders verhalten als im normalen Leben!

Was man momentan offenbar mehrheitlich ignoriert, ist u.a. die teure Bewertung der meisten US-Indizes. Und dass sie deswegen so teuer sind, weil viele Akteure zwar diejenigen Branchen meiden, die zeigen, dass mit der US-Konjunktur derzeit einiges nicht stimmt. So z. B. scheint auch kaum jemand die eigentlich bekannte Warnfunktion einer negativen Divergenz des Dow Jones Transportation-Index zum Gesamtmarkt sehen zu wollen. Die Logistik- und Beförderungsunternehmen laufen nicht gut, was klar macht, dass das Wachstum auf tönernen Füssen steht. Und nicht nur das:

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones Transportation Index und Nasdaq 100 von 2020 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Dow Jones Transportation Index und Nasdaq 100 von 2020 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Ein nicht unwesentlicher Teil des zuletzt eher überschaubaren Wachstums der Gesamtwirtschaftsleistung basiert auf massiven Investitionen von Unternehmen in den Bereich KI, wobei das auf Dauer nur dann gutgeht, wenn man die KI in der Breite „monetarisieren“ kann, indem man sie Leuten z.B. als Abonnements verkauft, die sich schon heute kaum noch etwas leisten können. Das ist schon ziemlich gewagt, das alles.

Ist die Hausse der US-Indizes also ein Tanz auf dem Vulkan und der Glaube, eine Leitzinssenkung würde alles richten, eine Schimäre? Auf jeden Fall. Aber heisst das, dass eine Baisse, vielleicht gar ein Crash, unmittelbar vor der Tür steht? Nein.

Denn es sind ja nicht die wirtschaftlichen Fakten, die die Kurse leiten und Trends aufrechterhalten, sondern die Anleger. Und solange die weiterhin glauben wollen, was ihnen ins Konzept passt und alles andere ausblenden, wird weiter Geld in den Markt fliessen und ihn so stützen, im Idealfall höher tragen.

Der „Tag X“, an dem zu viele auf einmal aussteigen und kippende Kurse die rosa Brille von den Nasen der Blauäugigen stossen, wird zwar kommen. Aber bis zu diesem Tag bleibt die Hausse eben erhalten und Short die deutlich riskantere Seite. Wichtig ist nur eines:

Im Gegensatz zu einer offenbar sukzessiv wachsenden Zahl an Anlegern muss man sich darüber im Klaren sein, dass es eine ewige Hausse nicht gibt. Wer das weiss, ist gewappnet. Und wer gewappnet ist, muss nicht einmal einen „Sudden Death“ der Hausse fürchten. Vernünftige, sukzessiv nachgezogene, sprich „gepflegte“ Absicherungen über Stop Loss-Verkaufsorders nehmen einem keine Gewinne … aber sie helfen, Verluste zu reduzieren oder gar zu vermeiden, wenn es unverhofft ruppig wird.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Sofern nicht anders angegeben, beabsichtigen wir nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Zwischen einem Ereignis und dessen Auswirkungen kann, gerade, wenn es um wirtschaftliche Aspekte, Preise und Käuferverhalten geht, eine recht lange Zeit liegen. Die grosse Aufregung über Donald Trumps Zollstrategie liegt Monate zurück, seither wirkt es, als hätte man die Sache an der Böse verarbeitet. Aber erledigt ist das Thema vermutlich keineswegs. Man hat nur den Ruf verdaut, nicht sein Echo!

Am Freitagabend nach US-Handelsende kam die Meldung, dass ein US-Berufungsgericht den Grossteil der von Donald Trump verhängten Einfuhrzölle für nicht rechtens erklärt und untersagt habe. Unter anderem, weil die Notstände, mit denen er sich für solche Massnahmen befugt erklärte (die eigentlich dem US-Kongress vorbehalten wären), nicht vorliegen. Letztlich liesse sich dazu nur lapidar sagen:

Wussten wir schon. Und es wird mit grosser Wahrscheinlichkeit nichts ändern. Nicht mal ein bisschen. Weil der US-Präsident nicht der Ansicht ist, dass Gerichte ihm etwas vorschreiben können. Die Berufung wird vor dem Supreme Court landen, wo konservative Richter längst eine klare Mehrheit haben. Und selbst, wenn der gegen Trump entscheiden sollte: Er wird schon einen Weg finden, seinen Willen durchzusetzen. Zumal er ja laut eigener Darstellung nur das Beste will. Würde das Urteil wirklich umgesetzt, würde das „Amerika buchstäblich zerstören“, kommentierte er die Entwicklung. Wirklich? Vorher ging’s doch auch … und irgendwie besser.

Der Druck durch Trumps Zölle nimmt zu … und wird jeden Winkel erreichen

Caterpillar meldete vergangene Woche, dass man durch die von Mr. Trump etablierten Importzölle mit zusätzlichen Kosten zwischen 1,5 und 1,8 Milliarden US-Dollar alleine im laufenden Jahr rechnet. Walmart meldet wachsende Zurückhaltung bei den Kunden niedriger und mittlerer Einkommen. Und Kostendruck, weil man die durch die Zölle steigenden Preise nicht voll an die Käufer weitergeben kann. Home Depot spürt die Entwicklung, indem die Kundschaft grössere Investitionen aufschiebt. Und die US-Chiphersteller müssen bei Exporten nach China – soweit sie dafür die Genehmigung bekommen – 15 Prozent des Umsatzes an die Regierung abliefern, was natürlich auf die Gewinne drückt.

Zugleich schreibt das US-Wirtschaftsmagazin „Fortune“, dass sich die Hälfte der US-Arbeitnehmer am Belastungslimit befindet, was der US-Wirtschaft über 400 Milliarden US-Dollar an Produktivitätsverlust beschert. Die US-Bank PNC hat ermittelt, dass 60 Prozent der US-Arbeitnehmer keine echten Ersparnisse haben und von einem Gehaltsscheck zum nächsten leben müssen. Und der Chef von Ford warnt laut „Fortune“, dass KI … von der OpenAI-Chef Altman mutmasst, dass sich da eine Blase gebildet habe … mittelfristig die Hälfte aller Bürojobs vernichten wird.

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und US-Verbrauchervertrauen von 2005 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und US-Verbrauchervertrauen von 2005 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Wir hatten ohnehin ein Umfeld, das durch ausgebliebene, weil unpopuläre Reformen immer instabiler geworden war. Die Schere zwischen Arm und Reich wird grösser. Und das Lager derer, die immer weniger haben, auch. Das ist hierzulande so, aber in den USA ist es noch drastischer. Und dass die Konsequenz Trumps „Big Beautiful Bill“ ist, dass die höchsten zehn Prozent der Einkommen deutlich entlastet werden, die niedrigsten zehn Prozent aber mehr zahlen müssen, wie das CBO, das Congressional Budget Office, Anfang August errechnet hat, wird das noch verschärfen. In diese Situation hinein sorgt Trumps Zollstrategie für zusätzlichen Druck.

Und eben nicht nur dort, wo Trump ihn verortet, nämlich im Ausland. Natürlich hat man dort erhebliche Sorgen. Nichts ist sicher und planbar, die Zölle gelten, die Importeure in den USA zögern und zaudern, weil sie nicht wissen, was an Importwaren dann noch zu welchen Margen verkäuflich wäre. Aber in den USA muss man jetzt ebenfalls um Arbeitsplätze bangen, weil die Planungssicherheit dahin ist:

Wen trifft die Reaktion aus den mit hohen Zöllen belasteten Ländern? Wann kommen die von Trump ausbedungenen Investitionen des Auslands … in welchen Bereichen und an welchem Ort? Und was kann man jetzt noch an Anschaffungen riskieren? Sollte man vorkaufen, bevor alles teurer wird? Oder läuft man damit in die Falle, weil der eigene Job womöglich unverhofft bald wegfällt? Die Bank of America hat bei einer Umfrage unter Kunden ermittelt, dass drei Viertel der potenziellen Hauskäufer mit fallenden Preisen und Zinsen rechnet und daher Kaufentscheidungen aufschiebt. Und das oben genannte CBO schätzt, dass mit Trumps Steuergesetz einhergehende Änderungen dazu führen, dass zehn Millionen US-Bürger in den kommenden Jahren ihre Krankenversicherung verlieren werden.

In ein solches Umfeld hinein ist Wachstum auf Dauer kaum drin. Denn die Vermögenden können, egal, wie viel sie noch kaufen, die Zurückhaltung der niedrigen und mittleren Einkommensschichten nicht ausgleichen.

Am US-Aktienmarkt tut man so, als wäre man in der besten aller Welten. Noch.

All das ist mit Händen zu greifen, doch die Investoren, so wirkt es zumindest, schauen an diesen Risiken einfach vorbei. Die regelmässige Umfrage der Bank of America unter Fondsmanagern ergab zuletzt, dass 91 Prozent der befragten Geldverwalter US-Aktien für momentan überbewertet halten, der höchste Wert, der seit Beginn der Umfrage im Jahr 2001 gemessen wurde.

Börse aktuell: Entwicklung der Barreserven der US-Fonds in Prozent von 2000 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung der Barreserven der US-Fonds in Prozent von 2000 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Der US-Aktienmarkt läuft derweil von einem Rekord zum nächsten. Es scheint, als hätten die meisten Anleger den aus vorstehenden Daten zu ziehenden, logischen Schluss bislang nicht zuwege gebracht: Hier brennt längst die Lunte an einem Pulverfass immenser Grösse. Denn auf Dauer sind die wirtschaftliche Realität und der Aktienmarkt nicht voneinander zu trennen.

Und nein, das Problem löst sich nicht, nur, weil Kredite im Fall von ein, zwei Leitzinssenkungen der US-Notenbank ein bisschen weniger teuer sind. Die US-Bürger sind im Schnitt sowieso schon zu hoch verschuldet. Und teuer wären solche Kredite für Häuser, Autos oder auch nur für den täglichen Bedarf danach eben – gegenüber früheren Jahren – trotzdem.

Zumal die Juli-Erzeugerpreise, die Mitte August gemeldet wurden, bereits andeuten, dass die Inflation wegen der markant höheren Kosten in vielen Bereichen erst noch Fahrt aufnimmt. Kommt es so, wäre es auch mit diesem ohnehin untauglichen Strohhalm Essig, denn dann müsste die „Fed“ Zinssenkungen umgehend stoppen.

Börse aktuell: Entwicklung der US-Erzeugerpreise von 2011 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung der US-Erzeugerpreise von 2011 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Probleme umgehend und konsequent angehen? Wird eher nicht passieren.

Hierzulande fordert eine erdrückende Mehrheit der Bürger grundlegende Reformen und glaubt zugleich nicht daran, dass die Regierung diese durchführen wird, wie eine Forsa-Umfrage im August ermittelte. In den USA sind die Stimmen, die fordern, dass diese Ein-Mann-Regierung mit ihren unsteten Entscheidungen ohne Rücksicht auf mögliche Nebenwirkungen zur Besinnung kommt, nur leise. Und selbst von denen, die da protestieren, dürfte kaum jemand ernsthaft glauben, dass hier in absehbarer Zeit Augenmass und eine ruhige Hand das Ruder ergreifen würden.

Bis dahin wird unkoordiniert gekürzt und gespart, in anderen Bereichen Geld zum Fenster hinausgeworfen, derweil die Zolleinnahmen von oben in einen Staatssäckel fliessen, der unten ein deutlich grösseres Loch hat als oben. Mit Folgen, die sich eben nicht alleine auf die USA beschränken: Die US-Handels– und Wirtschaftspolitik betrifft letzten Endes auch die anderen Wirtschafsregionen … und das nirgendwo im positiven Sinn. Hier, am deutschen Aktienmarkt, dämmert es immer mehr Anlegern offenbar, wie dünn das Eis ist, auf dem sie stehen. In den USA aber scheint den aufziehenden Sturm kaum jemand zu bemerken. Der deswegen nicht ausbleiben dürfte. Eine „zweite Runde“ in Bezug auf die Konsequenzen der US-Zölle ist alles, nur nicht unwahrscheinlich.

Achten Sie daher vor allem auf die US-Aktienmärkte. Sie werden Dreh– und Angelpunkt für einen stürmischen Herbst, der denjenigen, die es verstehen, mit System und Konsequenz zu agieren, hoch lukrative Trades ermöglichen dürfte. Und mit den in den kommenden gut zwei Wochen anstehenden Daten vom Arbeitsmarkt, der Preisfront und dann am 17.9. mit der US-Notenbankentscheidung könnte der Sturm bereits seinen Anfang nehmen.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.