Exchange Traded Funds, kurz ETFs, sind ein immens praktisches Tool für Privatanleger. Mit wenigen Mausklicks hat man einen ganzen Index, eine Branche oder eine Länder-Region im Depot, zahlt nur geringe Gebühren und kann jederzeit problemlos einsteigen, zukaufen oder aussteigen: perfekt! Aber ETFs verändern auch die Struktur des Marktes. Und das birgt gewisse Risiken. Worum geht es dabei?
Bevor der Siegeszug der ETFs begann, gab es für Anleger letztlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie eigneten sich das nötige Grundwissen an, um sich selbst ein Portfolio zusammenzustellen (oder taten es ohne Ahnung auf Basis von irgendwelchen Tipps, was gerne mal fatal endet) oder sie nutzten das Angebot der Fonds. Letztere haben den Vorteil, dass man dort immer einen Korb aus Aktien, Anleihen, Rohstoffe u.a. erwirbt.
Das bedeutet, dass Chancen und Risiken gestreut sind, so, als hätte man sich sein eigenes Portfolio zusammengestellt. Aber bei einem Fonds kauft man dazu nur ein Wertpapier, hat also weit weniger Aufwand. Ein grosser Vorteil, zumal Fondsanteile in der Regel so erschwinglich ist, dass man imstande ist, mehrere verschiedene Fonds ins Depot zu legen und auf diese Weise eine noch breitere Streuung, auch über verschiedene Assetklassen hinweg, zu erreichen. Zugleich lässt es sich globaler agieren, indem man z.B. verschiedene Aktienfonds mit europäischen, asiatischen und/oder US-amerikanischen Aktien im Depot hat. Aber dann tauchten die ETFs auf … und durch diese Konkurrenz wurden zwei Nachteile von klassischen Fonds sichtbar:
Warum es Fonds gegenüber ETFs schwerer haben
Zum einen sind die Gebühren bei Fonds fast immer deutlich höher. Und ob man bei einem ETF für ein Jahr 0,2 oder bei einem Fonds 2,0 Prozent Gebühr bezahlt, ist schon für ein Jahr eine grosse Differenz. Aber über einen längeren Zeitraum hinweg – und auf den kommt es den meisten Anlagern ja an – ist der Unterschied schlicht dramatisch.
Zum anderen gelingt es den wenigsten Fonds, besser abzuschneiden als der Markt, den sie abbilden. Bei ETFs hingegen ist die Performance nahezu deckungsgleich mit der des abgebildeten Sektors.

Beides hat letzten Endes ein und denselben Grund: Bei Fonds sind zahlreiche Menschen aktiv am Werk. Und das verursacht eben Kosten. Und obwohl es sich da meist um versierte Experten handelt, haben sie ein Handicap: Sie können nicht hellsehen. Was sie aber idealerweise können sollten, wenn sie z.B. mit einem Fonds auf den DAX den Index schlagen wollen. Weil?
Weil Sie und ich, aber eben auch Fondsmanager, nie sicher wissen können, wo genau ein Tief oder ein Hoch liegen wird. Um den Markt zu schlagen, müsste man aber genau das wissen, denn wenn man unmittelbar am Hoch massiv Bestände abbaut und direkt am Tief alles, was an Barreserve da ist, investiert (und dazu noch genau in die Aktien z.B. des DAX, die danach am stärksten steigen), würde man die Performance des Basisindex, aber auch z.B. von einem Korb aus speziellen Tech-Aktien, Edelmetallen oder Aktien einer Region, hinter sich lassen. Aber das weiss man eben nie vorher. Und daraus ergibt sich ein weiteres Problem:
Eine Barreserve bedeutet, dass nicht das gesamte Kapital, das in einem Fonds liegt, investiert ist. Es bleibt immer eine „eiserne Reserve“, um auf besondere Situationen reagieren zu können. Aber so sinnvoll und klug das grundsätzlich auch ist: Dieses Geld arbeitet eben nicht mit und bremst die Performance.

Doch was vielen in Phasen, in denen vor allem der Aktienmarkt wie an der Schnur gezogen steigt, womöglich nicht bewusst ist: Genau diese Nachteile können in bestimmten Situationen auch Vorteile sein!
Fonds „denken“. ETFs nicht.
Fonds „denken“ und reagieren somit auf Veränderungen der Lage. Die Fondsmanager sehen sich die Situation an, denken über die mögliche, kommende Entwicklung nach und entscheiden auf Basis ihrer langen Erfahrung, wie genau sie ihr Fonds-Portfolio ggf. umstrukturieren, Gewichtungen verändern oder mehr oder weniger Barreserve vorhalten. Bei ETFs läuft das anders.
ETFs reagieren unmittelbar auf das, was die Anleger tun. Denn sie bilden ja den Basisindex genauestens nach, egal, ob es da um Branchen, Regionen oder Assetklassen geht. Das bedeutet: Ein ETF kauft mit zufliessendem Kapital genau in der Gewichtung der einzelnen DAX-Aktien diese Aktien zu. Damit ist sichergestellt, dass der Index engmaschig nachgebildet wird. Aber das bedeutet auch: Keine Barreserve, keine Flexibilität. Kommt Geld rein, muss das investiert werden. Was als Nebeneffekt dazu führt, dass hoch gewichtete Aktien mehr Kapital „abbekommen“ und dementsprechend noch mehr steigen als die niedrig gewichteten Werte und sich so bestehende Scheren zwischen stak und schwach laufenden Index-Aktien noch vergrössern können. Aber vor allem eines muss man dabei erkennen:
Ein ETF denkt eben nicht, sondern reagiert nur. Nicht auf Analysen und Überlegungen langjährig erfahrener Analysten und Volkswirte, sondern er reagiert ausschliesslich auf den Zu- und Abfluss von Geld der Anleger, die eben mehrheitlich nicht erfahren und fachkundig sind. Der Effekt:
ETFs intensivieren Trends. Aber das gilt für beide Richtungen.
ETFs intensivieren Trends. Da wenig bis gar nicht erfahrene Anleger dazu neigen, die Perspektive kommender Kursentwicklungen auf Basis dessen abzuschätzen, was passiert ist bzw. gerade passiert … nach dem Motto „was steigt, steigt weiter“ … werden auf diese Weise Trends gerne mal verlängert, intensiviert und koppeln sich von den eigentlich trendbestimmenden Rahmenbedingungen ab. Denn mit denen kennen sich viele Anleger nicht aus. Sie können mit Wechselwirkungen zwischen Auftragseingang, Margen und Aktienkurs nichts anfangen, sie sehen sich Bewertungsfaktoren wie KGV, KUV oder KCV nicht an, weil sie gar nicht ahnen, dass es sie gibt. Und da ETFs einfach zu handeln sind, niedrige Gebühren aufweisen und man eben nichts wissen muss, um über diese Tools mitmischen zu können, ist der Anteil der Unerfahrenen dort tendenziell besonders hoch. Nun liesse sich sagen: Na und? Dann ist das eben so, wo liegt das Problem?

Das Problem würde dann auftauchen, wenn es mal länger und deutlicher in die falsche Richtung gehen sollte. Dass die Hausse die Hausse nährt, weil viele sich an den Kursen selbst als Barometer orientieren und dabei nicht merken, dass man dadurch den Effekt des Handelns der Masse als Prüfstein dafür hernimmt, ob ein solides Umfeld für weitere Käufe existiert, obwohl die steigenden Kurse dieses Umfeld ja gerade ignorieren, das fällt den wenigsten auf. Und das bedeutet: Sehr viele wähnen sich völlig sicher und würden daher aus allen Wolken fallen, wenn die Kurse plötzlich nicht mehr steigen, sondern wegrutschen. Und je heisser die Hausse-Suppe wird, desto weniger braucht es, damit sie überkocht.
Das kann also passieren. Es passierte im Jahr 2000. Es passierte 2008. Und auch damals sagten sich fast alle als Reaktion auf Warnungen derer, die sehr wohl erkannten, dass es brenzlig wird: „Aber diesmal ist das doch etwas ganz anderes“. Das war es nicht. Und ist es nie, auch diesmal nicht.
Es soll keine apokalyptische Prognose eines Crashs sein, wenn ich diese Aspekte hier so ausbreite. Es soll nur eines klar machen: Wenn sehr viele unerfahrene Anleger mit ETFs etwas gekauft haben, das sich problemlos kaufen und verkaufen lässt … wenn sie glauben, da geht es nur aufwärts und das auf einmal nicht mehr so ist … dann haben wir die gleiche, trendintensivierende Eigenschaft der ETFs auf der Gegenseite.
Verkäufe drücken auf die Kurse. Da die Kurse allein das Barometer vieler sind, ob die Lage gut ist oder nicht, löst das weitere Verkäufe aus. Und anders als Fonds, die dann genau abwägen können, was genau sie bei abfliessendem Geld abstossen und ob sie die Barreserve nutzen oder vergrössern, haben ETFs mangels ihrer Möglichkeit, individuell zu entscheiden und Barbestände zu nutzen, um Mittelabflüsse abzufedern, keine Chance, etwas anderes zu tun als diejenigen es vorgeben, die gerade aus allen Wolken fallen: Sie müssen verkaufen.
Fazit: Wer die Kehrseite kennt, ist gerüstet, wenn sie sich bemerkbar machen sollte
ETFs haben vielen einen leichten Zugang zu den Börsen ermöglicht. Sie überzeugen durch Transparenz, die saubere Nachbildung der Performance der Basiswerte, die niedrigen Gebühren und ihre problemlose Handelbarkeit, beim An- ebenso wie beim Verkauf, aber:
Der Umstand, dass sie automatisch und ohne Zeitverzug das Geld, das Anleger abziehen wollen, durch Verkäufe der Bestände beschaffen müssen, bedeutet, dass steigende Unruhe und entsprechende Gewinnmitnahmen im wachsenden Kreis der unerfahrenen Anleger eine Korrektur intensivieren können. Und das auf der Zeit- ebenso wie auf der Grössenachse.

Dass Phasen der Unruhe seltener sind als optimistische Phasen, ist richtig. Aber wenn Angst aufkommt, ist Panik manchmal nicht weit, daher sind sie meist intensiver. Und nur, wer sich dessen bewusst ist, reagiert richtig, wenn es dann mal wieder so kommt.
Denn dass eine solche Situation irgendwann wiederkehren wird, davon sollte man besser ausgehen. Diejenigen, die diesen Gedanken 2000 oder 2008 weit von sich wiesen, haben ihre Ignoranz damals teuer bezahlt. Und gerade, weil das schon so lange her ist und daher viele eine solche Phase nie selbst erlebt haben, ist das Risiko, dass schnelle, weitreichende Abverkäufe erneut auftreten und nicht wie 2020 sofort wieder aufgeholt werden, gross genug, um auch bei den ETFs im Depot über Stop Loss-Absicherungen nachzudenken!
Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!
Ihr
Ronald Gehrt
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