Börse aktuell

Hier erfahren Sie, was an der Börse aktuell geschieht. Unser Börsenexperte Ronald Gehrt beobachtet täglich das aktuelle Börsengeschehen und fasst die neuesten Börsendaten und Börsenberichte wöchentlich für Sie zusammen. Mit Börse aktuell bringen wir die wichtigsten Börsennachrichten auf den Punkt und kommentieren, was momentan an der Börse los ist.

Börse: Aktuelle Nachrichten der Woche

Neues von der Börse: Unsere aktuellen Börsennachrichten informieren Sie jede Woche über die derzeitige Börsenentwicklung. Was beschäftigt die Börse? Was steht diese Woche an? Diktieren Bullen oder Bären die Märkte? Sollten Sie Ihre Investitionen erhöhen oder lieber Gewinne mitnehmen? Wir geben Ihnen die Antworten auf diese Fragen, wagen einen Ausblick auf die kommende Börsenwoche und bewerten anstehende Ereignisse, die Auswirkungen auf den Börsenverlauf haben könnten.


Börse aktuell vom 09.-15.06.2025

Grand Hand ohne vier: Die Bullen haben keine Trümpfe … aber einen Joker

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S&P 500
ISIN: US78378X1072
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Neutral
Zur S&P 500

Die vergangene Handelswoche war gespickt mit ernüchternden Daten und Ereignissen. Trotzdem legten die Aktienmärkte in Europa und den USA weiter zu. Dabei klemmt es in allen vier entscheidenden Bereichen, die eine Hausse normalerweise begleiten müssten. Das bullische Lager lebt von einem einzigen Joker, der sie im Spiel hält. Aber diese Karte ist ebenso mächtig wie riskant.

Das war mehrheitlich nicht gerade toll, was letzte Woche so alles über die Nachrichtenticker lief. In Sachen Zölle tat sich nichts, ein Telefonat des US-Präsidenten mit dem Xi Jinping brachte wenig – ausser dass China den US-Autobauern jetzt befristet wieder Zugang zu seltenen Erden ermöglicht. Anderen Branchen aber scheinbar nicht. Ein Telefonat Trumps mit Putin brachte keinen Fortschritt. Die Quartalsbilanz von Broadcom als wichtigem KI- und Halbleiterunternehmen sorgte für Abgaben bei der Aktie. Die Einkaufsmanagerindizes deuteten keine Belebung des Wachstums an. Hierzulande kamen enttäuschende Daten zu Industrieproduktion und Exporten im April. In den USA fielen die Arbeitsmarktdaten bestenfalls gemischt aus, denn leicht über den Prognosen liegende neue Arbeitsplätze standen einer grossen Abwärtskorrektur der neuen Jobs für März und April gegenüber, ausserdem stieg der durchschnittliche Stundenlohn stärker als erwartet.

Und dann, als Krönung einer eher miesen Woche, entzweiten sich Trump und Musk, wobei Tempo und Dimension der Eskalation des Streits wirtschaftliche, aber vor allem politische Folgen haben können. Aber die Aktienindizes, ob DAX oder Euro Stoxx 50, ob Dow Jones oder Nasdaq 100, legten trotzdem zu. Das wirkt, als würden sie sich in einer andren Welt bewegen. Und so ist es auch.

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 von Mai bis Juni - Negatives wird weggekauft | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Nasdaq 100 von Mai bis Juni – Negatives wird weggekauft | Quelle: marketmaker pp4

Der typische Weg vom vorsichtigen Versuch bis zum permanenten Anspruch

Vor 60, 70 Jahren war es etwas ganz Besonderes, im Ausland seinen Urlaub zu verbringen. Und wenn, dann war es Österreich oder Italien mit dem Käfer, nicht die Malediven mit dem Flieger. Doch aus dem Besondern wurde schnell etwas Normales. Immer mehr machten immer weitere und teurere Reisen. So wurde das über die Jahre hinweg zur Gewohnheit und heute für viele zu einem „Anspruch“.

Dieser Weg von einem ersten, noch vorsichtigen Test über die durch positive Eindrücke beförderte Gewöhnung hin zum Anspruch sehen wir auch an den Aktienmärkten.  Je länger es gutgeht, desto mehr Anleger hoffen nicht auf Gewinne, sie erwarten sie. Viele haben eine echte Baisse nie erlebt. Und selbst wenn man darüber lesen, sprich sich das eigentlich unabdingbare Grundwissen eines Anlegers aneignen würde: Wenn man solche Phasen nicht selbst miterlebt hat, ist der Lern- und Warneffekt eher gering, das Hier und Heute wiegt schwerer. Und sie sehen es im Chart des S&P 500 über die letzten 40 Jahre:

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 von 1985 bis 2025 - Die Hausse als Anspruch und Normalität | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 von 1985 bis 2025 – Die Hausse als Anspruch und Normalität | Quelle: marketmaker pp4

2022 war zwar ein schwaches Jahr, aber es dauerte nicht lange, bis die Verluste aufgeholt waren. Die letzte Baisse, bei der es Jahre dauerte, bis man die alten Hochs überbot, reicht ins Jahr 2008 zurück. Lange genug her, um aus dem Bewusstsein zu rutschen oder dort gar nicht erst aufzutauchen. Heute sind steigende Kurse für viele keine erfreuliche Entwicklung in einem unsicheren Umfeld, sondern eine Selbstverständlichkeit.

Dabei führen fehlende Erfahrung, fehlendes Fachwissen und der mit Gewöhnung und Anspruch einhergehende Leichtsinn dazu, dass sehr vielen vermutlich nicht bewusst ist, dass sie hier gerade ein äusserst riskantes Spiel spielen, weil ihnen die vier Trümpfe, von denen man mindestens zwei oder drei für eine umfassende und ggf. risikoreichere, gehebelte Positionierung am Aktienmarkt in Händen halten sollte, allesamt fehlen.

Grand Hand ohne vier: Den Bullen fehlen derzeit alle Trümpfe

Es ist wie beim Skat. Ein „Grand“, bei dem nur die vier Buben als Trumpf fungieren, bringt, wenn man ihn gewinnt, mehr Punkte ein. Lässt man die zwei Karten, mit denen man Alternativen ins Spiel bringen könnte, liegen, bringt es noch mehr. Und hat man von den vier Trümpfen keinen einzigen selbst, wird ein Sieg umso mehr vergoldet. Das ist dann ein „Grand Hand ohne vier“ … ein grandioses Spiel, wenn man gewinnt. Fatal, wenn man es verliert. Und um so etwas zu gewinnen, sollte man als Spieler wirklich etwas draufhaben. Was sind diese vier „Trümpfe“, sprich die vier Faktoren, die man auf seiner Seite haben sollte, wenn man bullisch agiert?

1. Ein verlässliches, stabiles Umfeld. Politisch wie geopolitisch, in Bezug auf Investitionsanreize, Besteuerung und rechtliche Grundlagen. In einem solchen Umfeld kann die Wirtschaft prosperieren, was die Abwärtsrisiken für Investoren, insbesondere am Aktienmarkt, überschaubar hält. Haben wir das? Seit Donald Trumps Amtsantritt nicht mehr, Stichworte Zölle, Steuerpaket und Sozialpolitik.

2. Ein Aktienmarkt, der durch hohe Dividendenrenditen besticht, während die Alternative am Anleihemarkt nur mickrige Zinsen abwirft und Gold kein Kapital an- und damit vom Aktienmarkt abzieht. Auch da sitzen die Bullen am Aktienmarkt, vor allem an den US-Märkten, derzeit „blank“ da.

Börse aktuell: Rendite US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit und Dividendenrendite Dow Jones-Aktien von 2021 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Rendite US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit und Dividendenrendite Dow Jones-Aktien von 2021 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

3. Eine positive Verbraucherstimmung. Eine Hausse am Aktienmarkt kann nur stabil sein, wenn nicht nur die Anleger, sondern alle einigermassen optimistisch sind. Nur dann würde durch ansteigenden Konsum Wachstum entstehen, das steigende Kurse am Aktienmarkt durch sukzessiv steigende Unternehmensgewinne unterfüttert. Doch ob hierzulande oder in den USA (siehe der folgende Chart):

Die Verbraucher sind skeptisch bis negativ gestimmt. Dass es im Mai mit dem einen Verbrauchervertrauens-Index der USA (der des Conference Board, hier im Bild) wieder aufwärts ging, ist noch nicht wegweisend. Erstens, weil wir solche Schwankungen in kritischen Phasen meistens sehen, siehe 2020 während Corona. Zweitens, weil der andere Index, der von der Uni Michigan ermittelt wird, nicht nennenswert stieg. Drittens, weil dort ebenso wie beim Verbrauchervertrauen des Conference Board eine ungewöhnlich hohe Inflationserwartung gemessen wurde. Wer sich auskennt ahnt, dass die zwar zum Vorquartal im Saldo niedrigeren, aber noch einigermassen robusten US-Unternehmensgewinne im ersten Quartal durch Vorkäufe wegen der Zölle und aus Sorge vor steigenden Preisen zustande kamen.

Börse aktuell: Entwicklung US-Verbrauchervertrauen und Entwicklung Dow Jones von 2001 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung US-Verbrauchervertrauen und Entwicklung Dow Jones von 2001 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Und schliesslich 4. Ein marktbreiter Anstieg, der indiziert, dass nicht nur ein paar wenige US-Unternehmen die Hausse stützen, sondern die Breite des Aktienmarkts, weil die Wirtschaft in ihrer Gesamtheit gut dasteht. Für Aktienindizes auf Rekordjagd ist das aber zu wenig, was wir derzeit da sehen. Am deutschen Aktienmarkt notieren derzeit 64 Prozent der Aktien über ihrer 200-Tage-Linie, das ist nicht unbedingt gut, aber auch noch nicht dramatisch wenig. Aber an der US-Börse sind es gerade einmal 51 Prozent, während S&P 500 und Nasdaq 100 bereits in Reichweite der bisherigen Rekorde notieren! Hier fehlt die nötige Marktbreite, was wir auch daran sehen, dass die Zahl neuer 52-Wochen-Hochs an der New York Stock Exchange mit ihren über 2.000 Aktien zum Ende der Vorwoche auffallend niedrig lag. Viel zu wenige Unternehmen tragen die Aufwärtsbewegung.

Börse aktuell: Entwicklung NYSE Composite Index und Anzahl neuer 52-Wochen-Hochs an der NYSE von 2017 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung NYSE Composite Index und Anzahl neuer 52-Wochen-Hochs an der NYSE von 2017 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Der Joker sticht … aber er gehört eigentlich nicht zum Spiel

Aber wenn die Bullen an der Börse aktuell „ohne vier“ spielen, warum geht das dann nicht schief? Am Ende wird es das, nur kann niemand genau abschätzen, wann dieses „am Ende“ sein wird … und bis zu diesem „Tag X“ wird es weiter gutgehen, weil die Bullen ihren Joker in Händen halten: die eigene Unwissenheit

Die führt dazu, dass viele gar nicht ahnen, dass stetes Weiterkaufen mit steigenden, nicht gerade kleinen Risiken verbunden ist. Sie kennen die Regeln des Spiels ja gar nicht und spielen, wie kleine Kinder Skat spielen würden: Indem sie einfach irgendwelche Karten auf den Tisch werfen und schauen, was da dann wohl passiert. Aber warum ziehen ihre Gegenspieler ihnen dann nicht einfach den Teppich unter den Füssen weg?

Weil dieses Spiel nur dann Gegner hat, wenn die anderen Mitspieler Gegner sein wollen. Und solange es nicht zu brenzlig wird darf man sich fragen, warum sie das denn wollen sollten. Schliesslich verdient die Finanzbranche an stetig zufliessendem Sparergeld und an steigenden Kursen. Und auch die grossen Hedgefonds, die der Hausse jederzeit den Saft abdrehen könnten, bekommen ihren Mittelzufluss von meist ganz normalen Anlegern, die möchten, dass es einfach schön nach oben geht.

Der „Tag X“ wird also vermutlich erst dann kommen, wenn grosse Adressen, die flexibel agieren können, den Eindruck bekommen, dass jetzt etwas massiv abrennt. Dass sich eine Entwicklung abzeichnet, in der die Sparer sowieso nicht mehr so viel Geld wie zuvor an die Börse tragen werden und eine Abwärtsbewegung so sehr von negativen Faktoren im Bereich der Nachrichten begleitet wird, dass Gier, Ignoranz und Hoffnung nicht mehr so schnell und stark zurückkehren werden, um die Kurse sofort wieder nach oben zu ziehen, wie das im April der Fall war.

Man muss gar nicht erst versuchen zu orakeln, was das auslösen könnte und wann. Aber wenn man sich überlegt, dass aktuell am Aktienmarkt eine Belebung im zweiten Halbjahr eingepreist wurde, massgeblich befördert durch ein Ende der Zoll-Streitigkeiten … und bislang nichts dafür spricht … dass die Verbraucher weiterhin zurückhaltend agieren, China konsequent Gegenwehr leistet und das Zerwürfnis Trump/Musk noch für viele brisante Schlagzielen sorgen dürfte, bliebe als Fazit:  

Dieser „Joker“ ist eine wacklige Sache. Denn er besteht daraus, dass zu viele Anleger nicht wirklich wissen, was sie tun und daher die Risiken nicht sehen. Ob 1929, 2000 oder 2008: Solche Phasen enden normalerweise irgendwann dadurch, dass diese Karte aus dem Spiel fliegt, in das sie eigentlich auch nicht gehört, denn „keine Ahnung“ ist nun einmal keine reguläre Trumpfkarte. Da dann zu viele die eigentlichen Spielregeln nicht kennen, sprich ihnen das Börsenwissen abgeht, endet so etwas immer unschön. Und da wird vorher nicht zum Ausstieg geklingelt, daher:

Long ist weiterhin die trendkonforme und damit grundsätzlich richtige Richtung. Aber agieren Sie unbedingt umso vorsichtiger, je leichtsinniger die anderen werden!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.
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Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.


Börse aktuell: DAX, Dow Jones und Co.

Die heutigen Top-News und Börsenmeldungen zum DAX und der Börse USA mit dem Dow Jones, dem Nasdaq und dem S&P 500 als weltweit einflussreiche Indizes bilden einen Schwerpunkt unserer aktuellen Berichterstattung von der Börse. Auch gute Aktien, die momentan sehr stark im Fokus der Anleger stehen und steigende Börsenkurse prophezeien, werden wir Ihnen hier vorstellen. So bekommen Sie einen umfassenden Börsenausblick und können Ihre eigenen Börsenprognosen verifizieren oder falsifizieren.

Börse: Aktuelle Entwicklung und Trends

Die aktuelle Entwicklung und der aktuelle Trend an der Börse werden massgeblich von Wirtschaftsnachrichten, Konjunkturdaten und Neuigkeiten von börsennotierten Unternehmen bestimmt. Diese wirken sich nicht nur auf Aktienkurse aus, sondern auch auf andere Assetklassen wie börsengehandelte Fonds, Optionen und Futures. Des Weiteren werden durch Börsennachrichten auch die Anleihemärkte und Rohstoffmärkte in Bewegung versetzt. Daher haben wir auch die Zinsen, den Ölpreis und Goldpreis immer im Blick.

Börse: Aktuelle Tipps zum Marktgeschehen

Neben Börsennews bekommen Sie auch hilfreiche Tipps, um das gegenwärtige Marktgeschehen besser zu interpretieren. Der Börsenmarkt setzt sich aus vielen verschiedenen Märkten zusammen. Jedes Land, jede Branche und jedes Finanzprodukt wird von individuellen Faktoren beeinflusst, sodass es schwierig ist, alle Märkte mit ihren jetzigen Chancen und Risiken zu verfolgen und zu analysieren. Mit Börse aktuell liefert Ihnen unser Börsenprofi die Börseninformationen, die wirklich wichtig sind, und zugleich eine kompakte Börsenvorschau der Woche.

Börse aktuell: Die letzten Nachrichten

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Eigentlich bezieht sich der an der Börse gängige Spruch, dass die letzte Meile immer am schwierigsten ist, auf die Inflationsbekämpfung. Aber wenn man sich den Chart des S&P 500 ansieht wirkt es, als sei das auch hier der Fall. Doch so passend der Spruch an der Börse aktuell auch wirkt: Er trifft nicht zu. Wenn es jetzt eng wird, dann nicht, weil man sich gerade an irgendein Ziel herankämpfen würde.

Mit der Inflation ist es ähnlich wie mit einer hartnäckigen Erkältung: Die Besserung tritt zwar relativ schnell ein, wenn man etwas dagegen tut. Aber so ganz weg ist eine Erkältung eben nicht so schnell. Und passt man da nicht auf, wird man zu schnell unachtsam, dann kassiert man einen Rückschlag. In der Regel, gerade beim Thema Inflation, weil die Ursachen nicht behoben, sondern nur die Symptome bekämpft wurden.

Am Aktienmarkt kommt so etwas zwar auch vor, wenn es um die Rahmenbedingungen geht … denken wir an die Eurokrise, die einem viel später doch noch auf die Füsse fiel, weil man ein Problem, das strukturell ist, mit „billigem Geld“ zwar unter den Teppich kehren, aber nicht lösen kann. Was übrigens China in Bezug auf seinen Immobilienmarkt auch blühen könnte. Aber diese Rahmenbedingungen spiegeln sich eben nicht allzu oft 1:1 in den Kursen wider.

Was richtig und wichtig ist, liegt immer im Auge des Betrachters

An den Börsen geht es vor allem um subjektive Wahrnehmungen der Marktteilnehmer, die in Käufe oder Verkäufe einmünden. Ob etwas negativ oder positiv, irrelevant oder wichtig ist, zeigt sich darin, wie die Mehrzahl der Akteure die Fakten auslegen … oder ob sie diese überhaupt zur Kenntnis nehmen.

Und die daraus resultierenden Trends nähren sich (vor allem, wenn es nach oben geht) oft aus sich selbst heraus, weil die emotional urteilenden Anleger steigende Kurse nicht als das sehen, was sie sind (das Ergebnis des eigenen Tuns) sondern als Beweis dafür, dass sie das Richtige tun. Wenn der S&P 500 seit zwei Wochen unweit des bisherigen Rekordhochs (6.147 Punkte) auf der Stelle tritt, dann nicht, weil noch ein paar negative Aspekte vom Tisch müssten, damit der Weg nach oben frei wird. Sondern weil Käufer und Verkäufer aktuell in etwa gleich stark sind. Was mit den Rahmenbedingungen zu tun haben kann, aber, weil es hier eben um subjektive Wahrnehmungen geht, nie muss. Also?

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 von November 2024 bis Mai 2025 - Auf dem Weg zum Allzeithoch | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 von November 2024 bis Mai 2025 – Auf dem Weg zum Allzeithoch | Quelle: marketmaker pp4

Also kommt man mit der objektiven Bewertung von Fakten, die vor ihrer Wirkung auf die Aktienkurse durch den menschlichen Emotions-Filter laufen, nicht wirklich weiter, wenn es um die Frage geht, ob wir gerade das Ende der Rallye-Fahnenstange oder nur eine Pause vor einem Ausbruch auf neue Hochs sehen. Was man schon daraus folgern könnte, dass die Rahmenbedingungen alles andere als bullisch sind, so dass sich die Frage aufdrängen würde, was eigentlich als Fundament dafür dient, dass der marktbreite US-Index den vorherigen Abverkauf zum grössten Teil aufgeholt hat.

Unsicherheit ist Gift für die Aktienmärkte. Es sei denn …

Die US-Politik ist völlig unberechenbar und derzeit eine Ein-Mann-Show. Und der da auf der Bühne steht, scheint höchst wankelmütig und bisweilen aus Launen heraus Entscheidungen zu treffen, die nicht nur für die USA, sondern für die Weltwirtschaft erhebliche Konsequenzen haben.

Erst kommt die EU mit unter den Mantel des 90-Tage-Aufschubs, dann werden auf einmal 50 Prozent Zoll ab einem Termin acht Tage nach der Entscheidung angedroht, zwei Tage später aber wieder zurückgenommen.

Dasselbe Spiel mit China. Erst wird Mitte Mai entschieden, die Steuersätze deutlich zu senken, dann aber erklärte der US-Präsident, ohne Details und (bislang) Konsequenzen zu nennen, China habe Vereinbarungen, die bei den ersten Gesprächen getroffen wurden, erheblich verletzt.

Dazu das Trump’sche Steuergesetz, bei dem man nicht weiss, wann es mit welchen Änderungen durch den Senat geht, was Trump dann wiederum anders haben will etc. Aber von dem man auf jeden Fall weiss, dass Trumps Rechnung, mit weniger Steuern über mehr Wachstum das Staatsdefizit zu verringern, nicht aufgehen wird.

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 im Mai 2025 - Kurse reagieren kaum auf wichtige Nachrichten | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 im Mai 2025 – Kurse reagieren kaum auf wichtige Nachrichten | Quelle: marketmaker pp4

Rational gesehen müsste der S&P 500 nicht knapp unter dem bisherigen Allzeithoch notieren, sondern deutlich tiefer, denn ein solches Umfeld der Unsicherheit ist normalerweise für den Aktienmarkt pures Gift. Tut er aber nicht. Also kommt man mit der Frage, was fehlt, um diese „letzte Meile“ bis an das Rekordhoch zurückzulegen, nicht weiter, wenn man rational vorgeht.

Ganz einfach, weil sehr viele Marktteilnehmer eben nicht rational, sondern emotional agieren, indem sie diese Faktoren entweder ignorieren … was besonders dann oft passiert, wenn die Dimension der Probleme nicht mehr überschaubar ist, im Stil der „Vogel-Strauss-Methode“ … oder sich ein zwar irrationales, aber tröstlich positives Bild der kommenden Entwicklung zeichnen. Aber wenn die Fakten nicht greifen … was bleibt?

Die Charts sind immer „unbestechlich“

Es bleiben Chart- und Markttechnik. Denn auch, wenn die meisten Privatanleger, die oft auch passiv über Fonds und ETFs investieren und einfach jeden Monat die gleiche Summe einzahlen, damit nichts am Hut haben: Grosse Adressen schon. Hedgefonds ebenso. Und technisch orientierte Trader und Handelsprogramme.

Diese Klientel ist gross genug, um etwas zu bewegen, in beide Richtungen. Und sie agiert anhand von Aspekten, die wir ebenfalls sehen und einordnen können. Also: Pfeifen wir auf den müssigen Versuch, zahllosen Anlegern in die Köpfe sehen zu wollen, die selbst nicht wirklich wissen, was sie da tun und gehen konsequent charttechnisch vor. Was hat der S&P 500 dahingehend zu bieten?

Noch haben die Bullen eindeutig das bessere Blatt in Händen

Eine Gemengelage, in der sich die Bullen vorerst ziemlich sicher fühlen dürften. Im langfristigen Chart auf Monatsbasis sehen wir den 2020 etablierten Aufwärtstrendkanal, dessen untere Begrenzung mit der 1.000-Tage-Linie und dem 2022er-Hoch einen massiven Kreuzsupport bildet, der im April getestet und perfekt verteidigt wurde. Damit wäre grundsätzlich Luft ans obere Ende des Kanals, das jetzt, im Juni, um 6.500 Punkte liegt.

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 von 2018 bis 2025 - Wichtige Unterstützungen | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 von 2018 bis 2025 – Wichtige Unterstützungen | Quelle: marketmaker pp4

Der ganz oben bereits ohne detaillierte Trendlinien und gleitende Durchschnitte abgebildete Chart auf Tagesbasis, der unten folgend die aktuell relevanten Chartmarken mit beinhaltet, zeigt zwar, dass der Index momentan Wasser tritt. Aber noch hält er die steile April-Aufwärtstrendlinie, zudem wurde Anfang letzter Woche die 200-Tage-Linie getestet und gehalten. Würden diese beiden Unterstützungen mit Schlusskursen unter 5.765 Punkten brechen, wäre zwar ein kleines Doppeltopp vollendet, das dem bullischen Lager Magengrimmen verursachen dürfte. Aber die werden sich, zumindest aus aktueller Sicht, vermutlich darauf verlassen, dass die vielen, bis 5.390 Punkte hinunter reichenden Unterstützungslinien den Index schon auffangen werden.

Wo das Bären-Territorium beginnt, ist recht klar erkennbar

Aber spätestens, wenn die 200-Tage-Linie bricht, dieses Doppeltopp dadurch real wird und die Käufer dann nicht sofort aktiv werden, kommen wir zurück zum emotionalen Aspekt.

Denn wenn der Schwung der Aufwärtsbewegung erst einmal dahin wäre, könnten all die oben genannten, bärischen Faktoren, die man so problemlos ignorieren kann, solange die Kurse steigen, umgehend ins Bewusstsein vieler zurückkehren. Und das sind viele Faktoren, nicht alleine die obengenannten. Dann könnte, wer heute noch sicher ist, in Rücksetzer wie immer blind zu kaufen, zurückziehen. Dann könnte es anders laufen als gedacht. Könnte!

Aber sicher ist man eben nie. Denn wie sich die Relation von gelassen die Hand aufhaltenden Marktteilnehmern und denen, die umgehend aussteigen, wirklich darstellen würde … wer wollte das ernsthaft vorher absehen können? Und genau deswegen ist es der bessere Weg, sich an den Fakten in Form der Kurse selbst zu orientieren statt an einem „müsste eigentlich“. Was konkret hiesse:

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 von Juni 2024 bis Mai 2025 - Unterstützungszonen | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 von Juni 2024 bis Mai 2025 – Unterstützungszonen | Quelle: marketmaker pp4

Solange der S&P 500 diese Unterstützungszone aus 200-Tage-Linie, 20-Tage-Linie, April-Aufwärtstrend und dem Zwischenhoch von Ende März im Bereich 5.767 zu 5.870 Punkte hält, steht man auf der Short-Seite auf dünnem Eis. Sollte diese Zone aber fallen, wäre es wiederum höchst riskant, stur Long zu bleiben. Dann sollte man abwarten, ob sich die negativen Begleitumstände durchsetzen oder nicht, sprich erst einmal neutral bleiben oder, als Trader, step by step entlang des kurzfristigen Trends Short-Positionen aufbauen und absichern. In dieser von so vielen möglichen Unterstützungen massiv durchsetzten Zone zwischen 5.390 und 5.870 ist alles möglich, aber nichts effektiv entschieden. Fiele der S&P 500 jedoch nach unten hinaus, dann wäre die Sache wieder klar und die Bullen geschlagen. Aber erst dann.

sell in may and go away … noch ist offen, ob das diesmal eine gute Idee gewesen wäre

Doch an der „letzten Meile“ wäre der S&P 500 dann nicht gescheitert, sondern an der zu grossen Selbstsicherheit vieler Marktteilnehmer, gepaart mit der Ignoranz gegenüber dem, was ausserhalb des Börsensaals passiert. Kommt es so, kippt diese Hausse, die aus reiner Trendfolge und subjektiven Wahrnehmungen besteht?

Fragen Sie mich nicht, das frage ich mich ja nicht einmal selber. Denn genau da wären wir dann ja wieder bei subjektiven Beurteilungen bzw. der Kaffeesatzleserei, die in einem Umfeld, in dem die nicht nur bei Mr. Trump, sondern bei jedem Anleger genauso unvorhersehbaren Emotionen den Taktstock schwingen, völliger Unfug sind. Donald Trump hat ja bereits Übung darin, die Anleger mit permanenten Ankündigungen grosser Entscheidungen und Fortschritten bei der Stange zu halten, denken wir nur an den jahrelangen Handelsstreit mit China in seiner ersten Amtszeit, in dem er verblüffend lange nichts als viel verkaufte. Aber ob ihm genug Marktteilnehmer erneut auf den Leim gehen oder nicht? Niemand könnte das sicher vorhersagen. Warten wir es also ab, die Charts werden uns zeigen, ob der alte Spruch „sell in may and go away“ in diesem Jahr funktioniert oder nicht!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

„Promise made, promise kept“, mit dieser Aussage geht Donald Trump bei seinen Wählern hausieren. Würde der Einfuhrzoll für EU-Güter in die USA aber so, wie er es „empfohlen“ hat, am Samstag auf 50 Prozent steigen, hätte er seine Zusage, eine 90-Tage-Frist zu gewähren, gebrochen. Das wäre fatal für die EU, aber auch fatal für die USA. Und das nicht nur mit Blick auf die wirtschaftliche Perspektive.

Zumindest bei mir war der erste Gedanke, als ich sah, warum die Aktienmärkte am frühen Freitagnachmittag auf einmal Fallsucht bekamen: „Dreht der jetzt völlig durch?“ Eine höchst subjektive, emotionale Einschätzung, die ich, weil ich im Gegensatz zum US-Präsidenten nicht alles (und besser als alle anderen) weiss, nicht als zwingend richtig sehen möchte. Zumal es eine Frage war.

Aber nun ja, da waren doch diese 90 Tage, die der Herr Präsident am 9. April gewährte. Nachdem er zuvor am 2. April seine beeindruckend bizarr „berechneten“ Zölle gegen das Gros der restlichen Welt verkündet hatte. 90 Tage, die eben diese „Nicht-USA“ Zeit haben, um sich zu unterwerfen … was schreibe ich denn da, nein, um eine faire, neue Handelsbeziehung mit den bis dato fies über den Tisch gezogenen USA zu vereinbaren.

Und jetzt auf einmal also doch nicht. 50 Prozent, eine schöne, runde Zahl und hoch genug, um wie ein Handelsembargo zu wirken. Ab dem 1. Juni. Wenn bis dahin nichts passiert, das dem US-Präsidenten den Eindruck vermittelt, dass die EU tut, was er sich vorstellt. Und zwar hurtig.

Me, Myself & I: Das Gremium, das über die US-Zölle entscheidet

Dass vor allem die Eurozone-Aktienindizes daraufhin schlagartig wegkippten, als seien sie in einen offenen Gully gefallen, wundert nicht. Dass es die US-Index-Futures ebenfalls erwischte, wenngleich prozentual weniger, auch nicht. Denn ausserhalb des engsten Dunstkreises um Mr. Trump ist mittlerweile jedem, der im Bereich Wirtschaft Grundwissen besitzt, klar: Diese Zölle sind eine beeindruckend miese Idee. Vor allem, wenn sie pauschal und gegen alles und jeden verhängt werden.

Börse aktuell: Entwicklung DAX am 23. Mai. 2025 - Trump kündigt 50-Prozent-Zölle für die EU an | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX am 23. Mai. 2025 – Trump kündigt 50-Prozent-Zölle für die EU an | Quelle: marketmaker pp4

Aber dann, der vorstehende Chart, der den DAX am Freitag auf Fünf-Minuten-Basis abbildet, zeigt es, wiesen die ersten darauf hin, dass der US-Präsident in seinem „Truth Social“-Post ja nur „empfohlen“ habe, das zu tun. Und schon wurden die Verluste wieder gekauft. Weil er es ja am Ende doch nicht tut? Das dachte man in Bezug auf Dimension und Reichweite dessen, was Trump am 2. April, dem von ihm so genannten „Tag der Befreiung“ tat, vorher auch. Zumal:

Wem genau „empfehlen“ der Herr Präsident dieses denn? Bislang hatte man nicht den Eindruck, dass irgendwer ausser ihm selbst da wirklich etwas zu entscheiden hat. Seine Truppe von Handelsberatern pflegt ihn zu preisen und zu nicken und selbst Finanzminister Bessent scheint, zumindest nach aussen hin, nur eine Art Befehlsempfänger zu sein. Diese Empfehlung scheint also für ihn selbst zu gelten: Das Gremium Trump … dazu passt dieser alte Songtitel „Me, Myself & I“ irgendwie.

Und wie erklärte Finanzminister Bessent diese Sache? Der verkündete, die bisherigen Vorschläge der EU hätten nicht die gleiche Qualität gehabt wie diejenigen anderer Handelspartner. Und die 90 Tage seien ja nur für die gedacht gewesen, die auf die USA zukommen und „in gutem Glauben mit uns verhandeln“. Was übersetzt in etwa heisst: Wir in der EU sind ein verstockter und ebenso selbstsüchtiger wie heimtückischer Haufen.

Davon mal abgesehen, dass aus Brüssel im April zu hören war, dass die USA quasi nicht ans Telefon gehen, als es um Termine für Gespräche ging und am gleichen Tag, sprich am Freitag, Gespräche stattfanden (wenngleich nur auf Beauftragten-Ebene), muss die Bedingung, einen Aufschub nur unter der Voraussetzung eines subjektiv positiven Eindrucks zu gewähren, irgendwo im nicht vorhandenen Kleingedruckten gestanden haben.

Ein Musterbeispiel für: „Wie bringe ich mich selbst in Schwierigkeiten“

Jetzt kann man vermuten … und in diese Richtung könnte es in der Tat gehen, dass Mr. Trump a) einfach schlechte Laune hatte und wegen des Umstands frustriert war, dass Putin ihn am langen Arm verhungern lässt. Die EU kann er eh nicht leiden, weil die ihm zu kompliziert und zu nervig ist, mit all diesem Gewurstel an Gremien und Institutionen, aus denen die Gemeinschaft besteht. Und Apple geht ihm zudem auf den Geist, weil dieser Tim Cook einfach nicht tut, was er verlangt. Also kriegen die beiden spontan zum Frühstück eine verpasst: Die EU 50 Prozent, Apple 25 Prozent.

Aber halt, da muss ja noch b) kommen. Es könnte auch sein, dass Donald Trump beide „Opfer“ seines Freitags-Frühstücks auf diese Weise dazu zwingen will, mal in die Pötte zu kommen. Umgehend etwas anzubieten statt herum zu lavieren. Etwas, das wirklich in seine Richtung geht, damit er etwas hochalten und sagen kann: „Schaut, das habe ich geschafft“. Denn mehr als die Hälfte der 90 Tage sind um … und weder geht in Nahost etwas voran noch in der Ukraine, das Verbrauchervertrauen liegt am Boden, die Inflationssorgen steigen weiter, die US-Notenbank ist stur auf (laut Trump falschem) Kurs und in Sachen „Deals“ ist bisher nur etwas mit Grossbritannien gelaufen, aber noch nicht unterzeichnet. Da wird es Zeit für „good news“. Und wenn nötig, dann halt so, mit der Brechstange.

Ich halte es zumindest für recht wahrscheinlich, dass diese Aktion eine Kombination aus beidem ist. Aber weder Apple noch die EU können einfach so Berge versetzen. Zumal weder Apple noch die EU der Ansicht sein können, dass das, was der US-Präsident fordert, für sie mehr sein könnte als einfach nur drastisch negativ. Was also wird am kommenden Samstag passieren?

Kann er es sich wirklich leisten, diese „Empfehlung“ zurückzunehmen, ohne von der EU etwas vorweisen zu können? Zumal er später am Freitag noch erklärte: „I’m not looking for a Deal with EU. We’ve set the Deal, it’s 50 %“? Täte er es, wäre sein Standing im Wahlvolk noch wackliger. Er würde als Unentschlossen daherkommen, genau das, was er auf gar keinen Fall will. Damit kann man zumindest festhalten: Der US-Präsident hat sich mit diesem „Posting“ ohne Not selbst in Schwierigkeiten gebracht.

Und die Märkte? Setzt er diese Drohung um, würden 50 Prozent Zoll eine fatale Wirkung entfalten. Bei den EU-Exporteuren, bei den US-Importeuren, bei den Arbeitnehmern hier, bei den Konsumenten drüben. De facto hiesse das: Der 2. April wäre mit einem Schlag wieder da. Der 2. April, der zum Crash des 7. April geführt hatte. Wenn wir uns dann mal den marktbreiten US-Index S&P 500 ansehen, darf man sich schon fragen: Verstehen die Anleger nicht, was da gerade passiert?

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 von Oktober 2024 bis Mai 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 von Oktober 2024 bis Mai 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Der US-Anleihemarkt reagiert bärisch, die Aktienmärkte nicht.

Denn die Erkenntnis steht spätestens jetzt doch haushoch an den Wänden aller Börsensäle: Donald Trump tut, was er will, wann er will und wie er es will. Und wenn ihm seine eigenen Versprechungen nicht mehr genehm sind, wirft er sie einfach über Bord.

Was die US-Märkte angeht, steht da ja obendrein auch noch sein neues Steuergesetz, dass er „Big Beautiful Bill“ nennt, drohend im Raum. Runter mit den Steuern, je mehr man zahlt, desto grösser soll die Senkung ausfallen. Zu Lasten neuer Schulden, die (laut Trump, aber entgegen der Warnung zahlloser Experten) dann durch mehr Steuereinnahmen durch rasant anziehendes Wirtschaftswachstum ausgeglichen werden sollen.  Gespart werden soll zudem dort, wo es seiner Ansicht nach nicht wichtig ist, Geld bereitzustellen, u.a. bei Medicaid, Verpflegungszuschüsse (Food Stamps), Bildung. Das Gesetz ist mit einer mickrigen Stimme Mehrheit durch das Repräsentantenhaus gekommen, jetzt ist der Senat dran.

Am Anleihemarkt, wo man grundsätzlich enger an den Fakten agiert, ist die Stimmung nicht gerade gut. Wir sehen im folgenden Chart, dass die Rendite für US-Staatsanleihen (T-Bonds) mit 30 Jahren Laufzeit zuletzt wieder angezogen hat und kurz davorsteht, das 18-Jahres-Hoch, das Ende 2023 erreicht wurde, zu überbieten. Das bedeutet: Das Schuldenmachen wird für die US-Regierung immer teurer. Und es bedeutet: Geld fliesst aus US-Anleihen ab. Aber nicht aus dem Aktienmarkt. Weil?

Börse aktuell: Entwicklung Rendite US T-Bonds mit 30 Jahren Laufzeit von 2005 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Rendite US T-Bonds mit 30 Jahren Laufzeit von 2005 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Was Anleger und Ameisen ausser dem Anfangsbuchtstaben oft gemeinsam haben

Das ist eine wichtige Frage, denn rein von der Ratio her kann man mittlerweile nicht mehr unterstellen, dass sich das alles in der immerhin noch sehr lange währenden Amtszeit des derzeitigen US-Präsidenten zum Guten wenden wird. Und dass die grossen Unternehmen, die in DAX, Dow oder Nasdaq notiert sind, eine solche Wirtschaftspolitik schon wegstecken werden, ist illusorisch, dafür ist sie zu drastisch, zu wenig durchdacht, zu einseitig.

Eine Begründung, die sich finden lässt, ist eine, die ich erstmals in einer Analyse der Bank of America vor vielen Jahren fand und die erklärt, warum speziell der Aktienmarkt im Zweifel einfach trotzdem steigt, die Anleger gerade in besonders kritischen Phasen kaufen, statt auszusteigen:

Wenn die Gesamtsituation ungewöhnlich kompliziert wird und die Risiken eine Dimension annehmen, in der man nicht mehr imstande ist, diese in Dollar oder Prozent zu erfassen, reagieren viele wie Ameisen. Ameisen weichen Hindernissen und Gefahren, die sie in ihrer Grösse abschätzen können, aus. Aber nicht einem menschlichen Fuss, der für sie von der Richtung und Grösse her einfach nicht zu erfassen ist.

Ähnlich reagieren viele Marktteilnehmer, vor allem, wenn sie wenig bis gar nicht erfahren sind (was man am Anleihemarkt seltener sieht als bei Aktien): Sie tun einfach, als wäre alles normal, als würde sich alles schon von alleine zum Guten fügen und tun, was sie immer tun: sie kaufen. Und wenn genug so vorgehen, steigen die Kurse, was wiederum zu dem bestätigenden Gefühl führt, das Richtige zu tun, denn die anderen (die sicher wissen, was sie tun) machen es ja auch.

Man könnte sich jetzt zurücklehnen und sich sagen: „dann passt doch alles“. Das könnte man, würde die Historie nicht aufzeigen, dass dieses „Ameisen-Verhalten“ nicht nur für Ameisen, sondern auch für Anleger am Ende meist schiefgeht. Die Chance, ausgerechnet im Bereich einer Profilrille des Stiefels unterwegs zu sein, wenn der Schuh den Boden berührt, ist genauso niedrig wie die, zufällig genau die Aktien im Depot zu haben, die nicht fallen, wenn der Markt doch noch auf eine negative Entwicklung reagiert.

Börse aktuell: Entwicklung DAX von Januar bis Mai 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX von Januar bis Mai 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Und diesmal haben wir ja sogar noch eine Blaupause vor Augen, nämlich den Kurseinbruch von Anfang April. Die Kurse stiegen, weil man dachte, das doch nicht passiert, was man zuvor panisch eingepreist hat. Jetzt steht mit Mr. Trumps 50-Prozent-Aussage im Raum, dass in ein paar Tagen womöglich genau das doch passiert, was man zuvor ausgepreist hat, so gesehen: Obacht!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

In Bilanzen findet man meist „um Sondereinflüsse“ bereinigte Ertragsdaten. Das wird gemacht, damit einmalige Kosten den guten Eindruck der Gewinne nicht belasten. Aber diese Kosten sind ja trotzdem da. Würde man das beim DAX tun, also Sonderfaktoren, die ihn zuletzt stark beeinflusst haben, herausrechnen … zu welchem Ergebnis käme man da? Wäre der deutsche Leitindex dann immer noch auf dem Weg zur 25.000 Punkte-Marke?

Die Fragestellung lautet: Wie kam der DAX dorthin, wohin er jetzt gestiegen ist? Spielen dabei Sonderfaktoren eine Rolle, die sich verflüchtigen oder auch nur abschwächen könnten, so dass er ohne diese Besonderheiten nicht imstande wäre, alleine zu stehen, sprich den Rekordlevel zu halten oder auszubauen?

Grundsätzlich könnte man behaupten, dass der letzte Kurs immer der vom Markt „gerechtfertigte“ ist, weil der Markt ihn auch gehandelt hat. Es sind also nie Phantasiekurse, um die es beim deutschen Leitindex geht. Aber das ist nicht der Punkt. Die Frage ist, ob den Akteuren bestimmte, den Index derzeit vor allem höher ziehende Aspekte bewusst sind. Denn wenn das der Fall ist, kann das zum Problem werden, wenn sich diese „Sondereinflüsse“ relativieren. Gehen wir einmal die aus meiner Sicht auffälligsten durch.

Der DAX ist kein Index wie die anderen. Und die internationalen Investoren wissen das.

Zunächst einmal wäre da die Tatsache, dass der DAX, wie ihn die Anleger kennen, anders berechnet wird als nahezu alle anderen grossen Indizes weltweit. Während z.B. Euro Stoxx 50, Dow Jones, Nasdaq 100 oder S&P 500 Kursindizes sind, was heisst, dass alleine die reinen Kursveränderungen der in ihnen gelisteten Aktien den Index-Kurs ergeben, ist das beim DAX anders, ebenso wie bei MDAX, TecDAX oder SDAX. Diese deutschen Indizes sind sogenannte Performanceindizes, bei denen die von im Index enthaltenen Unternehmen ausgeschütteten Dividenden wie Kursgewinne gerechnet und dann auch noch gleich fiktiv reinvestiert werden, was einen Zinseszins-Effekt bewirkt. Bei anderen Indizes zählt nur der Kurs.

Börse aktuell: Entwicklung DAX Performanceindex und DAX Kursindex von 1988 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX Performanceindex und DAX Kursindex von 1988 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Der vorstehende Chart zeigt zum einen diesen üblichen DAX als Performanceindex, zum anderen den DAX KI, also den Kursindex, bei dem, wie bei internationalen Indizes, nur die Kursveränderungen zählen. Sie sehen:

Der DAX KI ist noch gar nicht nach oben ausgebrochen, sondern schloss am Freitag an und nicht über dem vorherigen Rekordhoch vom März. Sie sehen auch, dass der DAX KI unter 9.000 Punkten steht, während der durch die Dividenden-Einrechnung positiv verzerrte DAX Performanceindex an der 24.000er-Marke kratzt. Damit wird ziemlich klar, wie extrem dieser „Sondereinfluss“ ist, denn Anfang 1988 starteten beide Index-Berechnungsformen mit 1.000 Punkten! Der Punkt dabei ist:

Grosse, internationale Investoren sehen sich den DAX natürlich in der KI-Variante an, um ihn mit anderen Indizes vernünftig vergleichen zu können. Und sehen damit eben keinen Ausbruch über das alte Hoch. Dieser Ausbruch wurde durch die vielen in den letzten Wochen ausgeschütteten Dividenden begünstigt, ist aber damit ein bullisches Signal, das vor allem deutsche Anleger sehen, der Rest aber nicht. Das internationale Kapital, das richtigerweise den DAX KI als Vergleich heranzieht, sieht weiterhin einen Index, der nicht ansatzweise an die über Jahrzehnte stärkeren US-Indizes heranreicht.

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones, Nasdaq 100, Euro Stoxx 50 und DAX Kursindex von 1988 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Dow Jones, Nasdaq 100, Euro Stoxx 50 und DAX Kursindex von 1988 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Ein DAX ohne den Sondereinfluss der Terminbörse … jetzt wäre das der Fall

Ein weiterer Aspekt ist die am Freitag absolvierte Abrechnung der Index- und Aktienoptionen an der Terminbörse. Intensive Trends werden Richtung Abrechnungstag oft durch die Aktivitäten der grossen Player am Terminmarkt intensiviert. Aber ist diese Abrechnung erst über die Bühne, fällt auch dieser „Sondereinfluss“ weg, das Zugpferd ist dann ausgeschirrt. Das muss die Trendrichtung nicht ins Gegenteil verkehren, aber ohne diese Sogwirkung des Terminmarkts braucht es dann andere Argumente, um den Trend fortzusetzen, in unserem Fall die Aufwärtsbewegung.

Börse aktuell: Der Einfluss des Terminmarktes auf den DAX im Zeitraum 2024 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Der Einfluss des Terminmarktes auf den DAX im Zeitraum 2024 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Sondereinfluss US-Zölle: Aktuell wirkt die erhoffte Einigung kurstreibend

Nächster Faktor: die USA-Problematik. Ein Gutteil der Verluste, die bei zyklischen und/oder stark exportorientierten DAX-Titeln durch Trumps „Zoll-Hammer“ am 2.4. entstanden waren, wurden aufgeholt, in einigen Fällen sogar mehr als das. Doch Ende der Woche wird die Hälfte von Trumps 90-Tage-Galgenfrist vorbei sein, ohne dass die Verhandlungen mit der EU überhaupt begonnen hätten. Zudem zeigt der „Deal“ mit den Briten, dass man höhere Zölle wohl nur wird abbiegen können, wenn man den USA markante Vorteile im Handel zubilligt. Es ist also dünnes Eis, auf dem diejenigen stehen, die da bereits im Vertrauen auf eine Einigung hin zugreifen.

Börse aktuell: Entwicklung DAX und von Zollproblematik eher betroffene Einzelaktien im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX und von Zollproblematik eher betroffene Einzelaktien im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Wenige Zugpferde … und die haben den Grund ihrer Rallye schon eingepreist

Und nicht zuletzt steht der DAX nur, wo er jetzt steht, weil die neue Bundesregierung massiv Schulden machen will, um Infrastruktur und Verteidigung zu stärken. Dadurch sind die Bank- und Finanzwerte gestiegen, weil man damit rechnet, dass die von höheren Anleiherenditen und einer verstärkten Emissionstätigkeit bei den Festverzinslichen profitieren. Und es sind Heidelberg Materials bzgl. Infrastruktur und Rheinmetall bzgl. Verteidigung, die zuletzt haussierten. Dass sich das umkehrt, ist zwar unwahrscheinlich. Aber all diese Aktien sind jetzt ziemlich teuer bewertet, weil sie steigende Unternehmensgewinne auf Jahre hinaus bereits vorab eingepreist haben. Dieser „Sondereinfluss“ hat seine Wirkung also bereits entfaltet. Viel Luft nach oben ist durch die Vorwegnahme kommender Effekte also eher nicht mehr, denn wer da kaufen wollte, wird das grossenteils längst getan haben.

Börse aktuell: Entwicklung DAX und vom deutschen Schuldenpaket eher profitierende Einzelaktien im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX und vom deutschen Schuldenpaket eher profitierende Einzelaktien im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Fazit: Man sollte auf einen denkbaren „Fall eines Falles“ vorbereitet sein.

Gäbe es diese „Sondereinflüsse“ nicht, würde der DAX niedriger notieren, womöglich deutlich. Der DAX wirkt als Performanceindex durch den „Sondereinfluss“ der Dividenden sehr viel bullischer, als er es ohne wäre. Und vielen grossen Adressen ist das völlig bewusst.

Er steht so hoch, weil die Terminbörse ihn in den letzten zwei Wochen vermutlich zusätzlich gezogen hat. Ob sie das ab heute auch noch tut, ist zumindest offen.

Er steht so hoch, weil viele unterstellen, dass es mit den USA in Sachen Handel zu einer Einigung kommt, die die EU-Exporteure nicht nennenswert beeinträchtigt, was eine eher gewagte These ist.

Und er notiert auf Rekordlevels, weil man Wachstum vorweggenommen hat, das zwar vermutlich auch kommen wird, aber es ist eben jetzt schon in den Kursen vieler DAX-Aktien drin.

Das ist alles nichts, das nach einem felsenfesten Fundament für die Fortsetzung einer Hausse aussieht. Das bedeutet zwar nicht, dass der Index ohne Stützräder sofort umfallen muss. Aber es ist möglich, dass das eher über kurz als über lang passiert, daher: Konsequente Stoppkurse für Long-Positionen wären für den „Fall eines Falles“ auf jeden Fall eine Überlegung wert!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

„Substanzielle Fortschritte‘“ nach den Gesprächen USA/China in der Schweiz? Heute werden wir lesen, was genau da denn erreicht wurde. Aber es bleibt das Problem, dass Unternehmen weltweit mit höheren Zöllen konfrontiert werden und nicht wissen, wann und wie diese Problematik gelöst sein wird. Viele Trader hoffen, dass kleine Schritte die Aktienmärkte Schritt für Schritt immer höher ziehen, wie es bereits in Trumps erster Amtszeit gelang. Aber ist das überhaupt die richtige „Blaupause“?

Bereits in seiner ersten Amtszeit von Januar 2017 bis Januar 2021 hatte sich der aktuelle US-Präsident mit China angelegt. Dabei wurde viel geredet … und Donald Trump gelang es, die US-Aktienmärkte immer wieder nach oben zu peitschen, indem er in regelmässigen Abständen von grossen Fortschritten schrieb und ein ums andere Mal behauptete, der „Deal“ stehe unmittelbar bevor und werde herausragend positive Veränderungen nach sich ziehen. Es dauerte indes bis 2019, bis erste Teile des auf mehrere Stufen angesetzten „Deals“ in trockenen Tüchern waren. Und wirklich verändert hat sich, wenn wir uns mal ansehen, wie sich das Handelsbilanzdefizit der USA in den letzten 40 Jahren entwickelt hat, nichts. Ausser, dass es sich zuletzt gegenüber Ende 2024 fast verdoppelt hat.

Börse aktuell: Entwicklung der Handelsbilanz der USA von 1985 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Handelsbilanz der USA von 1985 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Das Defizit von diesem katastrophalen Level von -140 Milliarden US-Dollar im März 2025 zu verringern ist keine Kunst, man sollte indes nicht vergessen, dass Trump selbst es ja auf diesen Level befördert hat. Und genau hier setzt meine Argumentation an, warum man lieber nicht zu sicher sein sollte, dass es am Aktienmarkt diesmal genauso laufen wird wie 2017 bis 2019, sondern womöglich eher wie 2020 bis 2022.

Die „Gezeiten“ des Welthandels … Trump hat sie unberechenbar gemacht

Erinnern wir uns, wie es ab 2017 lief. Donald Trump hat gedroht, gelockt, aber wenig gehandelt. Es wurden Forderungen gestellt, es wurden Gespräche erzwungen, aber es waren konkrete Forderungen da. Diesmal wissen die von den US-Zöllen betroffenen Länder aber gar nicht, was Trump genau von ihnen erwartet. Klar ist nur eines: Er will für die USA mehr Vorteile. Was hiesse: Die anderen Länder werden sich im Handel mit den USA deutlich schlechter stellen. Und dass das keineswegs eine Kleinigkeit würde, zeigt schon dieses vorstehende, gewaltige Handelsbilanzdefizit. Aber gehen wir mal durch, was da gerade passiert:

Trump hatte diese Zölle bereits Monate zuvor angekündigt. Damit wussten in die USA exportierende Unternehmen bereits am Tag seines Wahlsiegs: Da kommt Sturm auf. Und die nach seiner Vereidigung am 20.1. Stück für Stück verordneten Zölle und die Ankündigung, am 2.4. werde so richtig Tacheles geredet, führten dazu, dass die Unternehmen mehrere Wochen Zeit hatten, so viel zu produzieren wie irgend möglich und alles, was machbar war, vor diesem 2. April in die USA zu verschiffen. Dass die Zölle, die dann kamen, auf höchst schräge Art berechnet wurden, viel höher waren als selbst Pessimisten dachen und dann grossenteils für 90 Tage gestundet wurden, ist natürlich nicht unwichtig. Aber es spielt meiner Meinung nach nicht die entscheidende Rolle. Entscheidend ist, was de facto passiert.

Wir haben eine gewaltige Flut an Waren erlebt, die bis Ende März in die USA kam. Das führte zu diesem irren Handelsbilanzdefizit. Und, weil sich dadurch die Warenströme zu Ungunsten der US-Wirtschaftsleistung veränderten, auch zu dem Minus beim US-Bruttoinlandsprodukt des 1. Quartals. Das wird sich ändern, beides.

Ab April kehrt sich die Sache nämlich um. Die Importe in die USA werden wegsacken. Dass China im April gut 20 Prozent weniger in die USA verschickt hat als im Vorjahresmonat, sind die ersten Daten in diese Richtung. Aber für andere asiatische Länder und vermutlich auch, wenngleich weniger drastisch, für die EU, wird das ebenso der Fall sein. 

Zugleich wird das, was bis April noch hereinkam, von den US-Verbrauchern vermehrt gekauft, weil sie ja wissen: Was jetzt auf Lager ist, kann man noch zu normalen Preisen bekommen. Danach wird es entweder drastisch teurer oder überhaupt nicht mehr zu bekommen sein. Diese Gemengelage hatten wir in Trumps erster Amtszeit nicht. Sie erinnert aber durchaus an die Lockdown-Phase 2020/2021. Und auch das, was danach kommen könnte.

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones unter Trump und Biden von 2016 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Dow Jones unter Trump und Biden von 2016 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Nach der Trump-Zoll-Ebbe müsste man mit Flut rechnen. Vor allem bei den Preisen

Aktuell bestellen US-Händler aus China nur das allernötigste, denn warum sollten sie 145 Prozent Zoll für China-Produkte zahlen, wenn sie hoffen können (bzw. müssen), dass diese Zollrate bald wieder sinkt. Zugleich werden auch US-Verbraucher nicht zu Mondpreisen Dinge kaufen, die nicht unbedingt sein müssen. Entweder, weil sie vorgekauft haben oder, weil sie abwarten wollen, bis die Preise wieder normal werden. Aber nehmen wir mal an, sie werden wieder normal und in ein paar Monaten gibt es wieder so etwas wie Planungssicherheit, weil man sich mit allen asiatischen Produktionsländern und Europa geeinigt hat, was dann?

Dann wollen alle alles gleichzeitig. Dann wollen die Kunden umgehend das haben, was sie monatelang aufgeschoben haben. Dann müssen Hersteller sofort die Teile haben, die ihnen wegen der irren Zölle ausgegangen sind. Dann kommt nach der Flut vor und der Ebbe während der Zölle die Flut nach den Zöllen. Und das hiesse:

Während aktuell die US-Häfen vor allem an der Pazifikküste massiv leiden, werden sie dann überlastet sein. Die Frachtkapazitäten, aktuell durch Trumps Zölle nicht ausgelastet, werden dann ebenso überlastet. Die Folge? Dieselbe wie nach den Lockdowns:

Steigende Preise, sprich Inflation. Wie gesagt: Das ist ein Szenario, wenn der Zollstreit in ein paar Monaten eine Lösung sieht. Wenn nicht, wenn nichts mehr geht, den Fabriken die Zulieferteile ausgehen und sich die Regale in den Warenhäusern leeren, ist die Alternative: Rezession.

Man hat jedoch nicht den Eindruck, dass die Aktienmärkte das realisieren. Und mit Querblick auf den DAX auch nicht, was eine wegbrechende US-Wirtschaft für Europa bedeutet, auch ohne abseitig hohe Zölle.  Und wir reden hier auch von einem Szenario, das sehr langfristige, massive Schäden nach sich ziehen könnte. Ein konkretes Risiko ist mir gerade vor Augen gekommen:

Mit der Trump-Strategie „out of business“?

Eines meiner Hobbys ist der Modellbau. Da gibt es eine US-Firma in Missouri, die seit 50 Jahren hervorragende Dinge vertreibt, unter anderen ein hoch effektives Beleuchtungssystem für Modellbahnen. Das wollte ich haben, irgendwann im Herbst, wenn diese Bauphase bei mir anstehen würde. Doch dann habe ich letzte Woche doch mal nachgesehen, wie sich die Lage da so darstellt, weil mir schwante: Hoppla, die lassen doch in China fertigen? Und was ich zu sehen bekam, macht sehr deutlich, was diese Zolltirade gerade anrichtet und noch anrichten kann bzw. wird.

Die Bauteile waren bei deutschen Händlern nur noch lückenhaft zu bekommen, also bin ich auf Händler in den USA und Grossbritannien ausgewichen, aber auch da bekam ich nicht alles, was ich brauchte, einige Teile waren wie vom Erdboden verschluckt. Also bin ich auf die Homepage des US-Unternehmens gegangen und sah: Bei vielen Produkten stand „temporarily out of stock“! Und ja, wen wundert’s?

Die Kunden weltweit wissen ja, dass das Unternehmen in China produziert, es steht ja überall (wenngleich gegenüber der Aufschrift „manufactured in the U.S.A.“ winzig klein) drauf. Also wussten sie auch: Hoppla, es wird eng, die können und werden ja den Nachschub aus der China-Produktion nicht mit 145 Prozent Zoll obendrauf einführen, das kauft ihnen ja keiner ab. Also wird ihnen das Lager leergekauft. Das bedeutet: Erst einmal ein drastisch steigender Umsatz und dann … nichts mehr mangels Masse!

Das ist die Ebbe, von der ich oben schrieb. Die wir noch nicht in den Konjunkturdaten sehen können, denn die berichten, weil rückwärts gewandt, gerade von einer aufkommenden Flut. Die April-Konjunkturdaten dürften, was den Einzelhandelsumsatz angeht, extrem stark ausfallen, der Mai vielleicht auch. Aber was dann?

Das US-Unternehmen, von dem ich hier schreibe, hat laut Angaben von Websites, die Unternehmen skizzieren, nur 25 Mitarbeiter. Gefertigt wird halt in China, dort, in Missouri, sitzen nur Entwickler, Vertriebsleute und die, die IT und Logistik besorgen. Was passiert mit solch einem Unternehmen, wenn Mr. Trump sich Zeit lässt, weil man es „richtig“ machen will mit dem Handel und vor allem mit China und glaubt, die eigene Wirtschaft müsse und werde das aushalten? Was passiert, wenn das drei Monate so weitergeht … oder sechs … oder ein Jahr? Wie will dieses Unternehmen überleben, wenn es keine Waren hat, die es verkaufen kann? Die Technik und die Maschinen dafür sind nun einmal in China. Das kann man gar nicht mal schnell nach Missouri holen, vor allem: Mit welchem Geld denn, wenn die Lager immer leerer werden?

Börse aktuell: Entwicklung US-Konsumentenvertrauen von 2012 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung US-Konsumentenvertrauen von 2012 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Es geht nicht einfach nur darum, dass die US-Wirtschaft durch diese Handelspolitik eine Zeit lang in die Knie geht. Es geht darum, dass viele kleine und mittlere Betriebe danach nicht mehr aufstehen, weil sie ruiniert sind, bis Trumps Handelsstrategen in die Pötte kommen. Dann heisst es nicht mehr „temporarily out of stock“ für die Waren, sondern „out of business“ für die ganze Firma.

In die Knie zu gehen ist ohnehin nicht gut, aber wenn man danach nicht mehr aufstehen kann …

Es ist der Mittelstand, der das Rückgrat einer Volkswirtschaft bildet, das gilt für hier, das gilt genauso für die USA. Und es ist dieser Mittelstand, der nicht mal schnell bei Trump durchklingeln kann wie Ford oder GM, um Ausnahmen zu erjammern. Das ist es, was die Corona-Jahre umso mehr zur realistischeren Blaupause für das macht, was kommt. Auch da wurden viele Unternehmen am Ende ruiniert, und sei es dann, wenn es darum ging, die Hilfsgelder zurückzuzahlen. Auch da kamen Inflation und gerissene Lieferketten, weil dann plötzlich nach der Ebbe die Flut kam und man nicht darauf vorbereitet war.

Der Aktienmarkt scheint das nicht zu sehen, viele Verbraucher, die zweifellos in eigener Erfahrung dasselbe registrieren wie ich mit meinen Beleuchtungs-Tools, die auf einmal nirgends mehr zu kriegen sind, sehen es anders, weil sie es unmittelbar erfahren. Wer da am Ende wohl richtig liegt?

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

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Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

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Diejenigen, die in den vergangenen ein, zwei Wochen am US-Aktienmarkt Long-Positionen eingegangen sind, dürften die Frage, wie solide das Eis ist, auf das man sich damit stellt, weit von sich weisen. Denn natürlich gehen diese Akteure davon aus, damit auf festem Boden zu stehen. Aber von der reinen Logik abgesehen … die an den Börsen ja nicht allzu oft die Trends leitet … gibt es drei Indikationen, die man sich in dieser Hinsicht ansehen sollte.

Donald Trump hat viel versprochen. Zwar behauptete er, vieles davon mal eben im Vorbeigehen „on day one“ klar zu machen, aber natürlich war das nicht zu schaffen. Auch in den gut 100 Tagen, die er jetzt im Amt ist, nicht. Aber man muss letzten Endes daran glauben, dass seine Versprechen zumindest am Ende erfüllt werden, um an der Börse aktuell bullisch zu sein, auch, wenn es dafür bis jetzt keine Anzeichen gibt.

Kaum ist der „Rohstoff-Deal“ mit der Ukraine unterzeichnet, tauchen die Sprüche wieder auf, dass man sich als Friedensvermittler zurückziehen könnte, weil beide Seiten sich keine Mühe gäben und man selber noch anderes zu tun habe. Denn jetzt hätte man Zugriff auf Seltene Erden und diverse andere wichtige Rohstoffe, die man sonst aus China hätte einführen müssen, mit dem man sich massiv angelegt hat. Das Problem:

Man weiss nicht, was genau das Ziel ist

Die US-Regierung scheint bislang gar nicht klar formuliert zu haben, was genau man denn eigentlich von seien Gegnern fordert, um die Zölle zurückzunehmen bzw. sie, sofern für 90 Tage ausgesetzt, nicht wieder zu aktivieren. Noch gibt es keine konkreten Verhandlungen mit den beiden wichtigsten Handelspartnern EU und China. Man bekommt den Eindruck, hier wird mit der Weltwirtschaft als Einsatz gepokert: Mal sehen, was ihr so auf der Hand habt, dann schauen wir, was wir dazu sagen.

Um aktuell bullisch zu sein muss man daran glauben, dass hinter diesem Verhalten ein genialer Plan steht, obgleich man sich den nicht einmal zusammen fantasieren könnte. Und eines ist ja eigentlich klar: Irgendwer wird, wenn das alles mal so etwas wie eine Lösung ergibt, verlieren. Entweder die USA und da vor allem die Konsumenten. Oder die anderen Länder. So gesehen stellt sich die Frage: Wie können die Eurozone-Indizes und die US-Indizes zugleich steigen und wieder Tuchfühlung zu den vorherigen Hochs aufnehmen, wenn man davon ausgehen muss, dass einer der beiden Wirtschaftsräume am Ende der nicht einmal begonnenen Verhandlungen schlechter dasteht als zuvor?

Auch Anleger neigen dazu, sich Dinge schön zu denken, nicht nur Politiker

Ein Argument dafür, dass die Kurse trotzdem steigen ist, dass man gerne glaubt, dass die Sache schon gutgehen wird, weil sie das ja (fast) immer tat, ohne sich eingehender mit dem Problem und den damit einhergehenden Risiken zu beschäftigen. Dass wir nahezu alle zu einem solchen Verhalten neigen, weiss ich nicht nur aus 30 Jahren in diesem Job. Ich bin auch seit 35 Jahren Trader und habe dabei oft genug im Spiegel genau so eine Type gesehen. Und, nicht zuletzt, war ich 40 Jahre lang Raucher. Erzähle mir also keiner etwas davon, dass die Vernunft am Ende immer siegt. Das tut sie nicht. Aber zurück zu dieser derzeitigen Rallye.

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 von Oktober 2024 bis Mai 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 von Oktober 2024 bis Mai 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Der hier gezeigte S&P 500 hat jetzt etwa zwei Drittel der Abschläge seit seinem Rekordhoch aufgeholt, der DAX ist sogar noch näher dran am alten Hoch. Rein charttechnisch sieht es bislang gut aus. Die Abwärtstrendlinie ist überboten und ein Doppeltief vollendet. Zugleich wurde diese Abwärtstrendlinie gerade erst am Mittwoch erfolgreich getestet, was in einen beeindruckenden Rallyeschub zum Wochenschluss mündete. Vom Tagestief des Mittwochs bei 5.433 Punkten bis zum Wochenschluss bei 5.687 Punkten lief der Index gut 4,6 Prozent … in einer halben Woche. Und das, obwohl da einige eher üble Konjunkturdaten auf den Tisch kamen und unter den Index-Schwergewichten zwar Microsoft und Meta mit ihren Quartalsbilanzen überzeugen konnten, Apple und Amazon aber nicht. Die Frage ist, was die Käufe denn befeuert hat, wenn es die üblichen Faktoren eher nicht sein konnten.

Das Janus-Prinzip: halb Verbraucher, halb Anleger?

Dass die Gespräche mit China begonnen haben? Haben sie ja gar nicht. China hat grundsätzliche Gesprächsbereitschaft verlauten lassen, aber nur unter der Prämisse, dass die USA diese Zölle vorher verschwinden lassen, dann könne man reden. Und selbst mit einer Ratio auf Notstromversorgung käme man zu dem Schluss, dass Donald Trump diese Voraussetzung nicht erfüllen wird. Trotzdem wird das als Hausse-Argument herumgereicht. Und ignoriert, dass bis dahin vernichtend hohe Zölle auf beiden Seiten die Weltwirtschaft in die Knie zwingen. Und das, was den USA da offenbar als Dauerlösung vorschwebt, nämlich Zölle von 50 bis 60 Prozent gegenüber China-Importen, um sicherzustellen, dass man China aus dem US-Markt herausgedrängt bekommt, wäre ohnehin immer noch fatal.

Damit stellt sich mir die Frage, ob wirklich so viele Anleger derzeit in zwei Hälften gespalten sind, indem sie als Verbraucher Rezession und Inflation befürchten, als Anleger aber zugleich wie wild kaufen. Kann das sein? Kann es zwar, aber nicht auf Dauer. Sicher, eigentlich wissen wir alle, dass es gar nicht so schwer ist, verblüffend viele haushohe Warnsignale zu ignorieren. Aber wir wissen auch: Tut man das zu lange, ist man am Ende der Verlierer. Gewinner sind diejenigen, die die Risiken erkennen und berücksichtigen, statt sie zu ignorieren.

Drei Aspekte würde ich im Augenblick als relevant ansehen um zu behaupten, dass die Käufer gerade auf dünnem Eis herumtanzen, statt, wie sie zweifellos selbst glauben, auf solidem Untergrund zu stehen.

Die Rallye wird von den falschen Aktien angeführt

Wenn wir uns ansehen, welche Aktien im Dow Jones seit Jahresbeginn zu den grösseren Gewinnern gehören und welche zu den grössten Verlierern, fällt auf: Für eine gesunde Hausse in einem Umfeld mit solidem Wachstum und guten Perspektiven müsste es genau anders herum laufen:

Börse aktuell: Ausgewählte Gewinner- und Verliereraktien im Dow jones 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Ausgewählte Gewinner- und Verliereraktien im Dow jones 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Nicht Coca-Cola und McDonald’s müssten vorne sein, sondern die Aktien, die bei gutem Wirtschaftswachstum am stärksten profitieren: Hightech-Titel wie Nvidia und konsumnahe Aktien wie Nike. So, wie sich das Bild aktuell präsentiert, kaufen die Akteure konservative Titel in der Hoffnung „gegessen und getrunken wird immer“, weil sie wissen, dass die normalerweise gut laufenden Titel mangels Wachstumsperspektive derzeit eben nicht erste Wahl sind.

Aber das müssen sie wieder werden, sonst kann sich eine Aufwärtsbewegung nicht längere Zeit halten. Denn die defensiven Unternehmen sehen in einem solchen Umfeld ja keinen Umsatz- und Gewinnboom, sie geraten nur … das hoffen die Trader zumindest … weniger unter Druck als die zyklischen Werte. Das limitiert den Spielraum der Defensiven, also müsste das Wachstum zeitnah zurückkehren, damit die normalerweise Haussen anführenden und jetzt gedrückten Aktien wieder die Führung übernehmen. Aber um die baldige Rückkehr starken Wachstums zu unterstellen, müsste man momentan ein sehr sonniges Gemüt haben.

Der Transport-Index zieht nicht mit. Müsste er aber.

Eine stabile Hausse braucht Wirtschaftswachstum. Wenn die Wirtschaft wächst, legt der Warenverkehr zu. Wenn der Warenverkehr zulegt, geht es den Logistik-Unternehmen, die im Dow Jones Transportation Index gelistet sind, gut. Deswegen sollten Aktien des Transportsektors eine Hausse, wenn nicht anführen, so doch mittragen. Wir sehen aber anhand dieses Charts, der den „normalen“ Dow Jones Industrial Index mit dem Dow Jones Transportation Index seit der US-Wahl vergleicht, dass Letzterer deutlich schlechter gelaufen ist. Ein Warnsignal?

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation Index im Vergleich von November 2024 bis Mai 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation Index im Vergleich von November 2024 bis Mai 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Ohne Frage. Natürlich kommt da die „Entschuldigung“, dass die Logistikunternehmen nur zeitweilig ein bisschen in den Seilen hängen, weil man halt gerade ein wenig wegen der Zölle durchhängt, das aber schnell wieder laufen wird, wenn man sich geeinigt hat. Gut, angenommen, es käme so, was indes eine Behauptung ist, die bislang jeden Beweis schuldig bleibt:

Für die Logistiker wie Fluggesellschaften oder Versanddienstleister würde das, was Donald Trump vorschwebt, trotzdem ungut, weil man ja immens viel, was bislang importiert wird, nicht mehr einführen will. Das drückt den internationalen Frachtverkehr. Ein reines Problem der Logistik-Branche und damit doch kein Warnsignal für den Gesamtmarkt? Eher nicht, denn:

Da Trumps Vorstellung einer „autarken“ US-Wirtschaft all die Vorteile der von den US-Unternehmen ja selbst veranlassten Auslagerung der Fertigung in Billiglohnländer eliminieren würde, wäre der Gedanke, dass man in einem solchen, völlig anderen Umfeld solides Wachstum bei geringer Inflation und steigendem Wohlstand erreichen würde, abwegig. Auch, wenn die Underperformance des Transport-Index momentan „entschuldbar“ wäre: In diesem Licht ist das dann eben trotzdem ein massives Warnsignal. Umso mehr, als diejenigen, die eine Hausse tragen müssten, das offensichtlich genauso sehen:

Aktienmarkt-Hause bei fallendem Verbrauchervertrauen? Das geht selten gut.

Bis 2020 sahen wir eine völlig logische Korrelation zwischen dem US-Verbrauchervertrauen und dem Trend des US-Aktienmarkts. Nur, wenn die Verbraucher optimistisch sind, wird der Konsum als Rückgrat des Wachstums zulegen. Nur bei Wachstum können die Unternehmensgewinne auf Dauer steigen und so eine Hausse tragen. Seit 2020 hat sich das geändert, wie die nachfolgende Abbildung zeigt. Nur, wieso?

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 und US-Verbrauchervertrauen im Vergleich von 2002 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 und US-Verbrauchervertrauen im Vergleich von 2002 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Das liegt z.B. daran, dass die grossen Unternehmen auf dem Rücken der kleineren immer stärker werden, auch, wenn das Wachstum insgesamt mager ist. Es liegt mit daran, dass diese „Mega-Caps“ fortwährend Aktien zurückkaufen, so dass sich der Gewinn durch weniger Aktien teilt und damit wirkt, als würde er steigen, auch, wenn er es nicht tut. Und es liegt daran, dass diejenigen, die imstande sind, in Aktien zu investieren nicht zu denen gehören, die bei einer sich ausweitenden Schere zwischen Arm und Reich auf der falschen Seite stehen.

Aber diese Schere kann sich nicht endlos ausweiten. Und derzeit haben wir eine Gemengelage, in der die US-Verbraucher … und die hierzulande kaum weniger … immer unruhiger werden, weil sie sehr wohl sehen, dass die US-Regierung ihre Versprechen nicht einlöst, sondern planlos wirkt. Und auch, wenn ein Aktienmarkt eine Zeit lang gegen eine schwache Konjunktur und hohe Zinsen steigen kann … bei zusehends unruhigen, sorgenvollen Anlegern kann eine Hausse nicht auf Dauer bestehen.

Wäre Donald Trump nicht derart vollmundig aufgetreten, sähe die Sache vermutlich anders aus. So aber vergleichen die Verbraucher das, was versprochen wurde mit dem, was in diesen ersten gut 100 Tagen erreicht wurde und sehen … nichts. Ausser festgefahrenen Karren ohne Plan, wohin man mit denen eigentlich genau will. Eine Weile kann man sicherlich „janusköpfig“ unterwegs sein, besorgter Verbraucher und bullischer Anleger zugleich sein. Aber auf Dauer funktioniert das nicht. Und damit wird es sofort wieder kritisch, wenn diese laufende Rallye ins Stocken kommt. Es sei denn, Donald Trump „liefert“ jetzt umgehend. Und zwar Ergebnisse statt bösen Überraschungen.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.