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Wie Sie einen Trendwechsel frühzeitig erkennen

Woran erkenne ich einen Trendwechsel?
von Ronald Gehrt
10.05.2018
Das Gefühl, zu spät dran zu sein … welcher Anleger kennt das nicht? Erst ist man skeptisch und vorsichtig … und dann ist ein Trendwechsel in einer Aktie, einem Index oder einem anderen Handelsinstrument plötzlich vollzogen und man fragt sich, ob man da nicht längst hätte reagieren müssen und ob es jetzt womöglich zu spät sein könnte. Die Ursache ist, dass Trendwechsel sehr oft erst deutlich nach den fundamentalen Argumenten für einen Richtungswechsel der Kurse entstehen.

Inhalt

Ein mit entscheidender Grund dafür ist, dass es vielen Menschen nicht gerade leichtfällt, eine bestehende Meinung – in diesem Fall die Meinung darüber, in welche Richtung die Kurse laufen müssten – zu ändern. Und die zahlreichen ausschliesslich chart- und markttechnisch orientierten Trader reagieren ohnehin nicht auf äussere Einflüsse wie Unternehmensgewinne, Zinsniveau oder Wechselkursverschiebungen. Dadurch entsteht der Eindruck, die Kurse seien gegenüber Faktoren, die für einen Trendwechsel sprechen würden, immun und der Trend werde daher noch längere Zeit beibehalten. Und dann ist der Trendwechsel auf einmal doch da, so wie z.B. hier beim DAX im Herbst 2022, als viele eine Aufwärtswende nach mehreren vergeblichen Versuchen im Jahresverlauf bereits abgeschrieben hatten und dachten, die damals sehr hohe Inflation würde den Aktienmarkt noch lange weiter drücken.

Trendwechsel frühzeitig erkennen: Trendwechsel im DAX | Online Broker LYNX
Trendwechsel im DAX | Quelle: marketmaker pp4

Aber irgendwann gehorchen die Kurse eben doch der „Schwerkraft“ der Rahmenbedingungen. Und da dieser „Tag X“ vorab nicht bestimmbar ist und oft nach einem logisch erklärbaren Wendezeitpunkt liegt, werden dann sogar meist diejenigen auf dem falschen Fuss erwischt, die im Vorfeld sehr genau erkannt hatten, dass die Zeit für einen Trendwechsel reif ist. Einfach, weil sie innerlich bereits aufgegeben hatten, auf diese Wende zu lauern … oder zu früh und dann mit Verlust darauf gesetzt hatten. Und wenn man dann erst einmal alle Belege für eine Trendwende beisammen hat, ist womöglich ein grosser Teil der Kursbewegung bereits gelaufen, so wie im Fall des Herbsts 2022.

Ein typisches Beispiel war die bislang letzte, wirklich grosse Baisse 2008/2009. Deren Grund, der Zusammenbruch der sogenannten Subprime-Kredit-Pakete am US-Immobilienmarkt, war bereits im Sommer 2007 mit Händen zu greifen – aber die Aktienkurse reagierten einfach nicht. Im Januar 2008 taten sie es dann doch – und viele fielen aus allen Wolken. Das muss nicht sein. Denn neben den oben genannten, für Trendrichtungen am Aktien-, Anleihe- oder Devisenmarkt entscheidenden „Fundamentals“ auf der Daten- und Nachrichtenseite gibt es noch eine Reihe von Indikationen, die einen nahen Trendwechsel andeuten können. Sehen wir uns einige davon einmal an:

Manchmal ärgerlich spät: Die klassischen Trendwechsel-Indikationen

Trendwechsel frühzeitig erkennen: Trendwechsel Indikator 200-Tage-Linie | Online Broker LYNX
Trendwechsel-Indikator 200-Tage-Linie | Quelle: marketmaker pp4

Grundsätzlich sollte man ja abwarten, bis ein Trendwechsel tatsächlich auf der charttechnischen Ebene bestätigt wurde, bevor man seine Positionen dreht. Aber wenn Sie sich diesen DAX-Chart mit den dafür typischen Indikationen ansehen, werden Sie sicherlich der Ansicht sein, dass es sehr hilfreich gewesen wäre, da zumindest einige Indikationen deutlich früher zu bekommen. Der DAX überwand im November 2023 eine wichtige charttechnische Widerstandszone und seine im Chart dick rot hervorgehobene 200-Tage-Linie. Doch das nur wenige Wochen zuvor markierte Tief lag ganze 1.000 Punkte unter dieser 200-Tage-Linie. Da hätte man doch einiges an Performance gutmachen können, wenn man früher reagiert hätte. Aber wie?

Oft werden Trendwechsel durch charttechnische Trendwende-Formationen indiziert und bestätigt, die eine frühzeitige Reaktion ermöglichen. Lesen Sie dazu auch unseren Artikel zu den Trendwendeformationen aus unserer Reihe zur Technischen Analyse: „Trendwende- und Konsolidierungsformationen“. In diesem Fall hat der DAX aber keinerlei Trendwendeformation ausgebildet. Steht man dann hilflos da? Keineswegs.

Markttechnische Indikatoren funktionieren oft wie „Frühwarnsysteme“

Markttechnische Indikatoren haben zwar keine zuverlässige Wahrsagefunktion, denn sie sind ja nichts anderes als mathematische Ableitungen der bereits vorliegenden Kurse. Aber sie stellen das Kursgeschehen grafisch anders dar und heben auf diese Weise oft wichtige Veränderungen im Kursverhalten deutlicher hervor. Ein Indikator wäre als mögliches „Frühwarnsystem“ für einen potenziellen Trendwechsel besonders interessant: der RSI.

Trendwechsel frühzeitig erkennen: Trendwechsel-Indikator RSI | Online Broker LYNX
Trendwechsel-Indikator RSI | Quelle: marketmaker pp4

Der RSI und seine Divergenzen

Der RSI (Relative Stärke Indikator), dem wir sogar einen eigenen Artikel gewidmet haben (Der RSI: Ein Indikator mit ganz besonderen Fähigkeiten), kann oft Trendwechsel sehr früh indizieren, indem er sogenannte „Divergenzen“ ausbildet. Hier beim DAX fällt auf, dass der Index selbst zwar im Herbst 2018 jeweils tiefer liegende Zwischentiefs ausgebildet hat, was einen intakten Abwärtstrend bestätigen würde, der RSI-Indikator aber zeitgleich höher liegende Zwischentiefs zeigte. Das sind sogenannte „positive Divergenzen“ (für Indikationen von Trendwechseln nach unten gilt das jeweils umgekehrt: höhere Hochs im Kurs, tiefere Hochs im RSI), die andeuten, dass der Index trotz der grundsätzlichen Abwärtstendenz stärker ist, als er auf den ersten Blick wirkt, und sich da ein Trendwechsel anbahnen könnte.

Sich dabei aber allein auf den RSI zu verlassen wäre riskant. Denn zum einen kann auch eine drei- oder vierfache Divergenz auftreten, bevor es wirklich zu einer Wende kommt und der Kurs bis dahin weiter fallen. Zum anderen können solche Divergenzen auch Fehlsignale sein oder einfach gar nicht auftreten. Wichtig ist nur: Wenn Sie so etwas entdecken, sollten Sie auf diesen Kursverlauf ein Auge haben!

Der MACD: Mehr als „nur“ ein Trendfolger

Wenn dann aber noch ein zweiter Indikator andeutet, dass sich da hinsichtlich eines markanteren Richtungswechsels etwas tut, beginnen risikofreudige Trader bereits, aktiv zu werden. Dahingehend ist der MACD interessant. Er dient „eigentlich“ als Trendfolge-Indikator, den man nutzt, um einem Trend zu folgen: Wenn der MACD den übergeordneten Trend mit einem entsprechenden Signal bestätigt, könnte man diesem Trend grundsätzlich folgen.

Als möglicher Vorbote einer Aufwärts- oder Abwärtswende wird der MACD interessant, wenn er ein bestehendes Signal bestätigt, indem die MACD-Linie an ihre Signallinie heranläuft und dort in Richtung des vorbestehenden Signals wieder abdreht, so, wie wir das im folgenden Chart des DAX im Bereich der Jahreswende 2021/2022 beobachten konnten:

Trendwechsel frühzeitig erkennen: Trendwechsel-Indikator RSI und MACD | Online Broker LYNX
Trendwechsel-Indikator RSI und MACD | Quelle: marketmaker pp4

Damit hatte man als Anleger schon kurz vor dem Bruch der für die Vollendung einer Toppbildung im DAX entscheidenden Unterstützungszone gleich mehrere Vorab-Indikationen, dass es zu einer solchen Abwärtswende kommen könnte:

Das mehrfache Abdrehen des Index an der zuvor unterbotenen 200-Tage-Linie nach unten, eine negative Divergenz des RSI zum Kursverlauf und ein zweifaches Abdrehen des MACD an der Signallinie nach unten (siehe die beiden blauen Pfeile im Chart).

Mehr zum MACD und anderen markttechnischen Indikatoren finden Sie in im Artikel: Markttechnische Indikatoren.

Candlestick-Formationen und Umsätze: In der Kombination immens interessant!

Die Candlestick-Charts bergen ausserordentlich viele für kurzfristig orientierte Trader wichtige Informationen und Signale, die man kennen sollte – auch dazu halten wir für Sie einen ausführlichen Artikel bereit: Das Super-Tool Candlestick-Charts.

Candlesticks können Trendwenden oft deutlich früher indizieren, als es die klassische Chart- und Markttechnik kann. Aber ihre „Prognose-Reichweite“ ist begrenzt. Oft ist es so, dass zuerst die Candlesticks ein Signal generieren und danach die Charttechnik mit einem eigenen Signal übernehmen, d.h. das Signal weitertragen und verstetigen muss. Aber es gibt auch ausserhalb der üblichen Candlestick-Formationen, die einen Trendwechsel früh indizieren, interessante Kombinationen mit anderen Elementen.

Im folgenden Chart sehen Sie als Beispiel für eine solche Situation den Kursverlauf der SAP-Aktie im Herbst 2022. Die Aktie hatte im Vorfeld bereits eine kleine Bodenbildung vollendet, im Oktober ging es dann um die Frage, ob eine auch mittelfristig relevante Aufwärtswende gelingen könnte. Im Fokus dabei: die im Chart rot hervorgehobene 200-Tage-Linie. Der Sprung über diese Linie gelang Ende Oktober mit einer langen, weissen Kerze im Chart (die „1“ im Chartbild). Wichtig: Die Umsätze waren nicht nur an diesem Tag hoch, sie waren bereits in den zwei Tagen vor dem Kurssprung bei tendenziell steigenden Notierungen angestiegen (2). Ein gutes Indiz dafür, dass dieser Ausbruch tragfähig sein kann.

Trendwechsel frühzeitig erkennen: Trendwechsel Candlestick-Formationen und Umsätze | Online Broker LYNX
Trendwechsel Candlestick-Formationen und Umsätze | Quelle: marketmaker pp4

Solche Situationen sollte man aber immer mit anderen Indikationen abgleichen. Im Beispielfall war positiv, dass dieses bullische Signal von einem bereits bestehenden Kaufsignal im MACD-Indikator begleitet wurde und einige Tage später die Verteidigung der 200-Tage-Linie nach einer kurzen Seitwärtsphase gelang (3), wodurch der MACD auf seiner Signallinie wieder nach oben drehte und sein Kaufsignal damit bestätigte (4). Das in der Gesamtheit gesehen indiziert, dass die Chance, dass die Aktie ein tragfähiges Kaufsignal generiert hat, überdurchschnittlich hoch sein dürfte.

Unser nächster Chart zeigt zur Abwechslung einmal eine drohende Trendwende nach unten. Der Chart zeigt den Kursverlauf der Aixtron-Aktie, die Anfang Mai 2018 mit ihrer 200-Tage-Linie ringt. Würde diese Linie deutlich gebrochen, würde das eine mittelfristig relevante Trendwende nach unten indizieren. Sie sehen aber auch, dass der Kurs sich vor Kurzem noch auf einem deutlich höheren Niveau bewegte. Da wäre es natürlich günstig, bereits vorher absehen zu können, ob ein Trendwechsel droht oder die Aktie hier womöglich eine Aufwärtswende schafft. Gab es solche Hinweise?

Trendwechsel frühzeitig erkennen: Trendwechsel-Indikator 20-Tage-Linie | Online Broker LYNX
Trendwechsel-Indikator 20-Tage-Linie | Quelle: marketmaker pp4

Die gab es durchaus, und zwar durch die Candlestick-Charts und, auch immer interessant, durch das Kursverhalten auf Höhe der hier hellblau eingezeichneten 20-Tage-Linie, die für kurzfristige Trader oft als Leitstrahl angesehen wird, an der sie in Aufwärtstrends kaufen, in Abwärtstrends Short gehen oder bestehende Short-Trades aufstocken.

Es fällt auf, dass Aixtron am Hoch im März einen „Abendstern“ ausgebildet hatte: Eine grüne Kerze, ein Doji (bzw. hier ein „Hanging Man“), gefolgt von einer langen roten Kerze (1). Später wurde die 20-Tage-Linie im Zuge einer Gegenbewegung nach oben kurz überboten. Das deutete die Chance an, dass ein Trendwechsel noch vermieden werden könnte. Aber dieser „Ausflug“ endete schon wieder mit einem „Abendstern“ gleicher Machart wie Mitte März (2). Das war ein erstes, markantes Signal, dass die Bären langsam die Kontrolle über das Kursgeschehen übernehmen. Besonders markant wurde es, als einige Tage später der Versuch, sich erneut über die 20-Tage-Linie zu retten, abverkauft wurde und in einer langen roten Kerze endete (3), bevor die 200-Tage-Linie dann im Juni tatsächlich brach und ein mittelfristig relevantes Abwärtssignal entstand (4). Drei Hinweise auf einen Trendwechsel, die risikofreudige Trader bereits genutzt hätten. Aber bedenken Sie:

Wenn Sie versuchen, schneller zu sein als andere, indem Sie diese Indizien umsetzen, sind die Risiken, dass es doch anders kommt, auch entsprechend höher. Sie sollten bereit sein, zu akzeptieren, dass es nicht gleich beim ersten Versuch klappt, und immer zusehen, dass Sie so viele Indizien wie möglich auf Ihre Seite bringen, bevor Sie aktiv werden.

Weitere Indikationen, vor allem aus dem Bereich der sogenannten „Market Internals“, die einen Trendwechsel andeuten können, haben wir in diesem Artikel für Sie zusammengestellt: „Market Internals: Trendwenden früher erkennen.“ Auch diese „Internals“ können immens hilfreich sein, wenn es darum geht, ein wenig früher als andere einen Trendwechsel zu identifizieren!

Artikelserie: Die Technische Analyse – Lassen Sie Charts für sich arbeiten!


Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

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