Im Mai 2024 überbot der Dow Jones erstmals die 40.000-Punkte-Marke. Jetzt klopfen die Trader bereits an die magische Marke von 50.000. Bis auf 2,3 Prozent war der Index am Freitag an die Linie herangekommen. Das müsste doch bis zum Jahresultimo ein Klacks sein?
Solange der Ausbruch über das November-Hoch (48.432 Punkte) nicht zur Bullenfalle wird, was dann der Fall wäre, wenn das US-Index-Flaggschiff umgehend deutlich weiter abrutscht, wäre das tatsächlich denkbar.

Denn wenn Anleger erst einmal von der psychologischen Sogwirkung einer derart plakativ wirkenden, runden Marke wie der 50.000 erfasst wurden, überlagert dieses Gefühl des Gipfelsturms gerne mal andere, weniger positive Aspekte. Das Problem könnte in diesem Fall indes sein:
Es sind ziemlich viele weniger positive Aspekte. Und das fängt schon bei der Charttechnik an. Denn ja, der Ausbruch über das November-Hoch ist erfolgt und wurde mit dem Minus des Freitags bislang nur konsolidiert. Zieht der Dow Jones umgehend wieder an, wäre das ein den Ausbruch bestätigender Pullback.

Doch schaut man hinüber zum Chart auf Wochenbasis, fällt auf, dass der Index mit diesem neuen Hoch leicht über die obere Begrenzung des 2022er-Aufwärtstrendkanals lief und mit dem Freitags-Closing dann an, aber nicht über dieser Begrenzungslinie geschlossen hat. Und der erste Versuch, sich da nach oben hinaus abzusetzen, der im November erfolgte, der ging schief. Nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste, wäre das Umfeld bullisch. Aber das ist es ja – womöglich – nicht.
Expertenmeinung: Das Wort „womöglich“ taucht deswegen da auf, wo es normalerweise keinen Platz hätte, weil man nüchtern betrachtet nicht weiss, wie es um die US-Konjunktur bestellt ist. Solange keine Nachrichten als gute Nachrichten angesehen werden, kann man sogar eine im Vorfeld erwartete und nicht einmal einstimmig erfolgte Zinssenkung der US-Notenbank feiern, als wäre die ein Durchbruch hin zu noch besseren Zeiten. Aber die Zeit ohne Konjunkturdaten endet.
In Kürze sollen immerhin die US-Arbeitsmarktdaten für November kommen. Wie es mit den vorherigen Zahlen aussieht, ist nicht ganz sicher, vermutlich werden zumindest die Oktober-Daten nie kommen. Auch in Sachen Inflation fehlt zu viel, um sich ein klares Bild machen zu können. Aber dass die US-Notenbank letzten Mittwoch als Eigenprojektion nur eine kleine 0,25-Prozent-Senkung für 2026 sieht, sollte klar machen: Die Gemengelage ist knifflig. Und dazu kommen Entscheidungen, die, wenn sie erst einmal auf dem Tisch liegen, Risiken bergen:
Zwar mögen einige darauf setzen, dass Donald Trumps Wahl als Nachfolger für „Fed“-Chef Powell umgehend massiv die Leitzinsen senkt und damit die Zeit des billigen Geldes zurückbringt – beide von ihm genannten Kandidaten würden ihm da wahrscheinlich folgen. Aber Aussagen, nach denen Trump wünscht, dass sich der zukünftige Notenbankchef vor Entscheidungen mit ihm abstimmt, sollten eigentlich eine gelinde Panik auslösen: Das hiesse das Ende der Unabhängigkeit der US-Notenbank. Zumal damit klar würde: Die Verschuldung, ob bei Regierung, Kommunen, Unternehmen oder Privathaushalten, würde noch mehr aus dem Ruder laufen, als es jetzt schon der Fall ist. Kurzfristig für Aktien womöglich bullisch, nur: Genau genommen hat man das ja jetzt schon vorweg eingepreist.
Der Gipfelsturm des Dow Jones an und ggf. sogar über die „magische“ 50.000-Punkte-Marke ist daher einer, der womöglich auf einer Leiter vonstattengeht, die keine Sprossen hat. Dass man das schlicht nicht weiss, weil über den wichtigsten Daten der Nebel der Shutdown-Folgen liegt, macht die Sache nicht besser, denn der wird sich zwangsläufig in den kommenden Wochen lichten.
Das muss den weiterhin intakten Aufwärtstrend nicht brechen, keine Frage. Aber man täte gut daran, immer im Hinterkopf zu haben, dass diese so ungewöhnlich hohe Unsicherheit über die Lage das jederzeit bewirken könnte – ob unter, an oder über der 50.000er-Marke, würde dann keine Rolle spielen. Fazit: Der Dow ist bullisch, weist aber ein ungewöhnlich hohes Risiko für plötzliche Abwärtsimpulse auf.
