Ausgewählte Trader beantworten unseren standardisierten Fragebogen. Die Vergleichbarkeit der Fragen und die Unterschiedlichkeit oder eben die Ähnlichkeit der Antworten zeichnen dieses Interviewkonzept aus. Heute antwortet uns der Berufstrader und ehemalige Chefredakteur des GeVestor Börsendienstes „Optionen-Profi“ Rainer Heissmann, der mittlerweile in den wohlverdienten Ruhestand gegangen ist und die Verantwortung an Dr. Gregor Bauer übergeben hat.

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Guten Tag Herr Heissmann, die LYNX Broker-Redaktion freut sich sehr, dass Sie sich Zeit für ein Interview mit uns nehmen. Vielleicht können Sie sich uns zu Beginn ein wenig vorstellen und uns erzählen wann und wie Sie auf die Börse gekommen sind?

Zu sagen, schon während meiner Ausbildung zum Bankkaufmann in den 70-er Jahren hätte mich das Traden fasziniert, wäre Legendenbildung. Zumal es damals noch kein Internet, geschweige denn schnelles Traden bis Day-Trading gab. Aber ich habe seinerzeit schon viel von dem Börsen- und Finanzexperten André Kostolany gelesen und mich auf seine Kolumnen gefreut. Das hat sicher den Grundstein für meine nachfolgende Börsenbegeisterung gelegt.

Jeder erfolgreiche Trader oder Anleger hat zu Beginn seiner Laufbahn als „Lehrgeld“ mindestens ein, wenn nicht gar mehrere Konten „platt“ gemacht, so hört man immer wieder. Können Sie auch auf schmerzhafte Niederlagen zurückblicken und was haben Sie daraus gelernt?

Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, hat Kostolany geschrieben: Wer nicht 3-mal Pleite war, sei kein richtiger Spekulant. Gemessen daran muss ich passen. Ich habe „nur“ mein erstes Depot platt gemacht. Das war auch teuer genug. Die wichtigste Schlussfolgerung: Verluste gehören an der Börse dazu, aber sie dürfen nie so hoch ausfallen, dass man nicht zurückkommen kann. Money-Management ist seither die Basis meines Erfolgs. Dazu gehört auch zwingend eine durchgehende Absicherung meines Depots.

Gab es ausser Verlusten noch andere Schwierigkeiten (z.B. psychologisch, zu wenig Startkapital…) die Sie schliesslich meistern konnten?

Die grösste Schwierigkeit war, bei Hebelpapieren gegen die oft zu sehende willkürliche Kursstellung vieler Emittenten anzukommen. Die Schwierigkeit konnte ich beseitigen, indem ich auf alle Emittentenprodukte (zum Beispiel Optionsscheine, K.o.-Scheine, Zertifikate, CFDs, binäre Optionen und so weiter) verzichtet habe. Ich handle gehebelt nur an Terminbörsen in den USA und Deutschland. Ausser Optionen, Futures und Aktien kommt nichts in mein Depot.

Was glauben Sie, warum sind Sie als Trader erfolgreich in diesem Geschäft geworden und haben letztendlich den Durchbruch geschafft, während viele andere letztlich scheitern?

Disziplin, Money-Management und auch das Ausschalten der die Kurse manipulierenden Emittenten waren wichtig. Hinzu kommt, dass ich nach dem Lehrgeld mit dem geschredderten Depot immer nur so hoch (oder niedrig) investiert bin, dass ich ruhig bleibe. Ausserdem trade ich nur mit Absicherung meines Depots. So konnte ich das Crashjahr 2008 mit hohem Gewinn abschliessen, obwohl der DAX und Dow Jones etc. crashten.

Haben Ihnen Vorbilder oder Mentoren geholfen ihren Weg zu finden?

Unter anderem stehen etliche Bücher des bereits erwähnten André Kostolany in meinem Bücherregal. Aber speziell im Bereich Optionen gab es zu der Zeit, als ich mit dem Optionen-Handel startete, so gut wie keine Informationen im deutschsprachigen Raum. Ich habe meinen Weg überwiegend durch „Learning by doing“ gefunden. Um den Einstieg in den Optionen-Handel einfacher zu machen, habe ich ein Buch zu Optionen geschrieben. Das Buch ist gedacht für den Neuling im Optionen-Handel, bietet aber sicher auch dem Fortgeschrittenen den ein oder anderen wertvollen Tipp.

Mit welchem bekannten Trader oder Investmentlegende würden Sie denn gerne einmal einen Kaffee trinken?

Das wird schwierig. Denn ich würde wieder Kostolany nennen. Der ist aber im Jahr 1999 im gesegneten Alter von 93 Jahren verstorben. Er wollte in der Zeitschrift Capital gerne noch die erste Kolumne des Jahres 2000 schreiben. Das war ihm leider nicht mehr möglich.

Ich war 2-mal in den USA auf der Jahreshauptversammlung von Warren Buffetts Berkshire Hathaway. Spannende Veranstaltungen. Mit ihm würde ich auch gerne eine Tasse Kaffee trinken. Augenzwinkernd sei hinzugefügt: Ich könnte sie ja für rund 3,5 Millionen US-Dollar ersteigern. Soviel kostet in etwa ein Abendessen mit ihm, das er regelmässig einmal pro Jahr versteigert. Aber das ist es mir dann doch nicht wert.

Wie sieht Ihr Tagesablauf aus, halten Sie sich strikt an einen speziellen Tradingplan oder führen ein Trading-Tagebuch?

Ich kann nun schon etliche Jahre von dem leben, was ich habe. Entsprechend habe ich keinen trading-orientierten Tagesablauf mehr. Für viele Jahre habe ich aber auch meinen eigenen Börsendienst geschrieben. Und da galt ganz klar die Devise: Zuerst kommen die Leser.

Das soziale Umfeld von Arbeitskollegen oder Kunden fehlt bei den meisten Berufs-Tradern. Viele sind deshalb auch in sozialen Netzwerken unterwegs um sich mit Trader-Kollegen auszutauschen. Sehen Sie sich als beruflichen „Lone Wolf“ bzw. wie gehen Sie mit diesem Thema um?

Mir fehlt das berufliche Umfeld nicht. Gelegentlich tausche ich mich mit dem einen oder anderen Optionen-Trader aus. Dann geht es aber nur um grundsätzliche Dinge der Börse, nicht um einzelne Trades.

Von Börsenforen halte ich nicht viel. Die Trader kommen, prahlen und gehen. Da ist wenig Substanz. Mich finden Sie dort nicht.

Aber ich bin regelmässig auf unserem Stammtisch. Da sitzen dann nicht selten ein paar hundert Jahre Börsenerfahrung zusammen. Ein paar Jahrzehnte Börsenerfahrung trage ich mittlerweile auch dazu bei.

Regelmässige Treffen mit meinen Lesern, wöchentliche telefonische Redaktionssprechstunden und tausende von E-Mails liessen mich das Büro mit Arbeitskollegen nicht vermissen.

Was bedeute Ihnen Trading bzw. eigenständiges Anlegen und was ist für Sie das schönste daran?

Ich allein bin für Erfolg und Misserfolg verantwortlich. Das ist perfekt. Für mich ist mein separates Büro mit Blick in den Garten im eigenen Haus die Erfüllung aller beruflichen Träume.

Was würden Sie denn beruflich machen, wenn das mit dem Trading nicht geklappt hätte?

Traden. Ich wollte, dass es klappt. Es hat geklappt. Unabhängig davon geniesse ich jetzt den Luxus zu arbeiten, obwohl ich es nicht muss.

Ist Ihnen mal ein aussergewöhnlicher Trade gelungen an den Sie gerne zurückdenken?

Der eine Top-Trade ist rückwirkend schwer zu finden. Es gibt den Trade mit +1.086,7% Gewinn mit Optionen auf Verizon. Nicht schlecht. Viel schöner sind für mich aber Gewinn-Serien auf vermeintliche „Langeweiler-Papiere“. Nehmen Sie stellvertretend für viele andere Trades meine Gewinn-Serie auf die Deutsche Post (natürlich mit Optionen): +80%, +100%, +100%, +100%, +50%, +55,7%, +22,4% und +100%. Oder 20 Trades in Serie auf Silber, alle mit Gewinn.

Jeder Trader oder Anleger braucht einen individuell passenden Handels-Stil basierend auf Techniken, Märkten und Zeitrahmen. Wie sieht Ihr Stil aus, nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie Ihre Trades aus?

Ich analysiere fundamentale Daten der Unternehmen, nutze die Charttechnik und bewerte die Marktstimmung daraufhin, ob Analysten, die ein Unternehmen bewerten sowie Anleger zu optimistisch oder zu pessimistisch sind. Da erkenne ich oft Widersprüche, die zu einem hervorragenden Chance-/Risikoverhältnis für einen Trade führen. Gewinne realisiere ich gerne nach wenigen Tagen. Ich habe aber auch die Geduld, ein paar Wochen oder Monate zu warten.

Welche Wünsche und Ziele haben Sie als Trader/Anleger und im privaten Bereich?

Als Börsianer habe ich viel mehr erreicht, als ich mir auch im besten Szenario hätte vorstellen können. Heute gebe ich meine Erfahrung gerne an andere Anleger weiter. Wenn es börslich und privat so bleibt, wie es ist, ist es perfekt.

Welche Hobbies begeistern Sie, d.h. wie verbringen Sie tradingfreie Tage am liebsten?

Ich fahre sehr gerne Fahrrad und an dunklen Winterabenden finden Sie mich oft vor dem Schachbrett. Und mit grosser Begeisterung schreibe ich meinen eigenen Börsendienst.

Welche Tipps geben Sie unerfahreneren Kollegen oder Lesern mit auf den Weg?

Sicherheit steht vor Gewinnen, deshalb: Starten Sie langsam. Überlegen Sie, wie viel Sie in einen Trade investieren wollen. Es darf nicht zu viel sein. Und wenn Sie einen Betrag haben, nehmen Sie die Hälfte oder weniger. Das reicht, um die Börse kennenzulernen.

Holen Sie sich professionellen Rat. Ein guter (die Betonung liegt auf „gut“) Börsendienst kostet Geld. Er ist aber meist billiger, als selbst gemachte Erfahrungen.

Ein guter Börsendienst muss viele erfolgreiche Jahre nach- und beweisen können und er muss mindestens einen Crash (idealerweise mit Gewinn) gemeistert haben.

Und wenn Sie nach einiger Zeit höher investieren, sichern Sie Ihr Depot ab – immer!

Herr Heissmann, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

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